4.12. Der endlose Knoten
Der endlose Knoten steht für die unendliche Weisheit und das Mitgefühl Buddhas sowie die Lehre von Ursache und Wirkung.
Der endlose Knoten (Endlosknoten)
Der Endlosknoten, auch bekannt als Shrivatsa oder tibetisch als „dpal gyi be’u“ (དཔལ་གྱི་བེའུ), ist eines der acht Glückssymbole (Ashtamangala) des Buddhismus, die in vielen asiatischen Kulturen und Traditionen verehrt werden und eine tiefgreifende symbolische Bedeutung hat. Der Knoten besteht aus einer endlosen Linie, die sich wiederholt kreuzt und ein Muster aus ineinandergreifenden Schleifen bildet. Dieses Symbol steht für die Unendlichkeit des Lebens, die Ewigkeit der Weisheit und das untrennbare Band von Ursache und Wirkung.
Symbolik und Bedeutung
- Unendlichkeit und Ewigkeit: Der Endlosknoten repräsentiert die Vorstellung von Zeitlosigkeit und Ewigkeit. Da der Knoten keinen Anfang und kein Ende hat, steht er für die unendliche Kontinuität des Daseins und die ewigen Kreisläufe von Leben und Tod. Dies unterstreicht das buddhistische Konzept des Samsara, des fortwährenden Kreislaufs von Geburt, Tod und Wiedergeburt.
- Verbindung von Weisheit und Mitgefühl: Im tibetischen Buddhismus wird der Endlosknoten oft als Symbol für das untrennbare Band zwischen Weisheit (Prajna) und Mitgefühl (Karuna) interpretiert. Diese beiden Eigenschaften sind essenziell für das Erreichen der Erleuchtung. Der Knoten erinnert daran, dass wahre Weisheit nur in Verbindung mit Mitgefühl existieren kann und umgekehrt.
- Interdependenz und Karma: Der Knoten symbolisiert auch die Interdependenz aller Dinge im Universum, wie es im Konzept des „abhängigen Entstehens“ (Pratityasamutpada) beschrieben wird. Jede Handlung hat eine Folge, und diese Konsequenzen sind alle miteinander verknüpft. Der Knoten zeigt, dass nichts in Isolation existiert, sondern alles in einem Netz von Ursachen und Wirkungen verstrickt ist. Dies ist auch die Grundlage des Karmas – jede Handlung, sei sie gut oder schlecht, hat Auswirkungen auf das zukünftige Dasein.
- Harmonie und Balance: Der Endlosknoten wird auch als Symbol für Harmonie und Ausgewogenheit angesehen. Er erinnert daran, dass das Leben in Einklang mit den kosmischen Gesetzen gelebt werden sollte, um inneren Frieden und äusseren Wohlstand zu fördern. Das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Aspekten des Lebens ist entscheidend für spirituelles Wachstum.
Historische und Kulturelle Wurzeln
- Der Ursprung des Endlosknotens ist tief in der alten indischen Kultur verwurzelt, und er wurde später in den Buddhismus integriert. In der hinduistischen Tradition ist der Shrivatsa-Knoten ein Symbol des Gottes Vishnu und wird als Zeichen für Glück und Wohlstand angesehen. Im tibetischen Buddhismus wurde das Symbol dann als eines der „Ashtamangala“ – der acht Glückssymbole – übernommen, wo es seine Bedeutung weiter vertiefte und angepasst wurde.
- Der Endlosknoten ist häufig in tibetischen Thangkas (religiöse Rollbilder), Mandalas und auf verschiedenen Ritualgegenständen zu sehen. Er wird oft zusammen mit den anderen sieben Glückssymbolen dargestellt, die zusammen eine umfassende Darstellung des buddhistischen Glaubens und der spirituellen Praxis bieten.
Schlussfolgerung
- Der Endlosknoten im tibetischen Buddhismus ist weit mehr als ein dekoratives Symbol; er ist ein tiefes spirituelles Zeichen, das eine Vielzahl von zentralen buddhistischen Lehren verkörpert. Seine Bedeutung reicht von der Darstellung der ewigen Natur des Lebens und der Weisheit bis hin zur Betonung der Wichtigkeit von Mitgefühl, Harmonie und dem Gesetz des Karmas. Der Knoten erinnert Praktizierende daran, die Interdependenz aller Dinge zu erkennen und ihr Leben in Harmonie mit den kosmischen Gesetzen zu führen, um spirituelles Wachstum zu erreichen.
Quellenangabe
Text:
- Beer, Robert. The Encyclopedia of Tibetan Symbols and Motifs. Serindia Publications, 1999.
- Thurman, Robert A. F. The Tibetan Book of the Dead: Liberation Through Understanding in the Between. Bantam Books, 1994.
- Gyaltsen, Khenchen Konchog. A Complete Guide to the Buddhist Path. Snow Lion Publications, 2006.
Bild: Tibet-Institut Rikon, Peter Oberholzer