Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
22. April 2017
Selbstverbrennung in Kardze
Am Morgen des 15. April setzte sich auf einem zentralen Platz in Kardze im Osten Tibets der 39-jährige Wangchuk Tseten in Flammen und starb an seinen Verletzungen. Wegen der sofort verhängten Nachrichtensperre und Sperrung der Internet- und Mobilfunkverbindungen gelangten die Nachrichten nur spärlich und unvollständig in das Ausland.
Wangchuk Tseten sei vierfacher Vater gewesen und stamme vom Nachbarbezirk Nyarong. Free Tibet Campaign zeigt ein Video, das kurz nach der Selbstverbrennung aufgenommen wurde (Link unten). Hier ist zu sehen, wie Sicherheitskräfte herbei eilen, Feuerlöscher auf einen leblosen Körper richten und Zuschauer wegdrängen. Später wurde beobachtet, wie der Körper abtransportiert wird. In Kardze kam es häufig zu Selbstverbrennungen, so dass für Sicherheitskräfte hier ein extra Manual mit Trainingsmaterialen und Handlungsanweisungen ausgegeben wird und sie mit tragbaren Feuerlöschern ausgerüstet sind.
Nach unbestätigten Berichten wurden drei Tibeter kurz darauf verhaftet, weil sie das Mobiltelefon von Wangchuk Tsering auf sich trugen. Ob das Video von diesem Mobiltelefon aufgenommen wurde, ist unbekannt. Angeblich soll ihnen Wangchuk Tsering vor seiner Tat eine Nachricht gesandt haben, dass er das Telefon bei einer Person in der Nähe der Stelle, wo er sich anzündete, abgebe und sie um Abholung bat. Die drei verhafteten Tibeter seien schwer misshandelt worden, und einer von ihnen sei noch immer in Haft. Nach anderen, ebenfalls unbestätigten Berichten sei ein ebenfalls 39-jähriger Tibeter in der Haft seinen Verletzungen durch Misshandlung erlegen, weil er ein Video der Selbstverbrennung angefertigt hatte. Es ist nicht bekannt, ob es sich dabei um einen der drei verhafteten Tibeter oder eine weitere Person handelte. Ebenso ist unklar, ob es sich dabei um das Video handelt, das Free Tibet Campaign veröffentlichte.
Phayul, 15. und 19. April 2017
Radio Free Asia, 21. April 2017
Free Tibet Campaign, 21. April 2017 (Video: https://freetibet.org/news-media/na/video-monk-carries-out-self-immolation-protest-tibet?utm_source=Free+Tibet+email+updates&utm_campaign=5d75387f06-SELF_IMMOLATION_TIBET_APR2017&utm_medium=email&utm_term=0_8b3b75e260-5d75387f06-49802621&mc_cid=5d75387f06&mc_eid=524401721d
Diskriminiert Hilton tibetische Arbeitskräfte?
Das am 22. März 2017 eröffnete Luxus-Hotel Hilton Linzhi Resort soll angeblich keine Tibeter, sondern ausschliesslich Han-Chinesen beschäftigen. Eine als Sprecherin für dieses Hotel aufgeführte Chinesin, die von Radio Free Asia telefonisch kontaktiert wurde, gab an, die 200 Hotelangestellten seien ohne Ausnahme Han-Chinesen. Sie gab allerding an, dass keine tibetischen Bewerber bewusst abgewiesen worden seien. «Es ist nicht so, dass wir sie [die Tibeter] nicht wollen. Es ist eine Frage der Rekrutierung. Vielleicht wollten sie nicht [zu uns] kommen, um zu arbeiten» wird sie von RFA zitiert. Der Kommunikationsbeauftragte von Hilton China dementierte dieses später. Das Hotel biete Arbeit ohne Diskriminierung an und beschäftige einen «Mix» von mehreren Nationalitäten.
Das Hotel verfügt über 220 Zimmer, einen Golfplatz, Spa und Kinos und zielt primär auf Kunden aus dem massiv wachsenden Tibet-Tourismus vom chinesischen Festland.
Radio Free Asia, 13. April 2017
Neue Kampagne in Tibet: «Four Loves, Four Stresses»
Im Vorfeld des 19. Kongresses der Kommunistischen Partei Chinas, der die Macht von Präsident Xi Jinping zementieren soll, wurde in Klöstern, Schulen und Universitäten in der sogenannten Autonomen Region Tibet eine neue Kampagne lanciert. Die Kampange soll die «Liebe zum Mutterland, zur eigenen Heimatstadt und zum eigenen Lebensbereich» sowie die «Bewunderung» für die Kommunistische Partei und die «Einheit des Mutterlandes» fördern. Die Intention der Kampagne ist laut regierungsoffiziellen Medien, den «negativen Einfluss der Religion» zu mindern und die «ideologische Erziehung für die werktätigen Massen» zu stärken.
Laut Einschätzung von ICT ist sich die Kommunistische Partei nach wie vor nicht sicher, dass in Tibet in einem kritischen Jahr für die Stabilisierung der Macht von Präsident Xi Jinping sichere Verhältnisse herrschen. Auffallend pompös wurde der sogenannte «Jahrestag der Befreiung von der Sklaverei» in diesem Jahr zelebriert. Dieser Feiertag wurde ein Jahr nach den massiven Unruhen in Lhasa im Jahr 2008 erfunden, war aber in den vergangenen Jahren eher in Vergessenheit geraten. Während die staatlichen Medien den Tag auffallend deutlich als «ruhmreiches Kapitel in der Geschichte Tibets und der menschlichen Zivilisation» feierten, zeichnete der Vize-Parteisekretär in Tibet, Deng Xiaogang, ein eher düsteres Bild. In mehreren internen Videokonferenzen bezeichnete er die soziale Stabilität in Tibet als «kompliziert und finster». Am Jahrestag des Volksaufstandes von 1959, dem 10. März, wurden auch in demonstrativer Weise in Lhasa und anderen Städten Militärübungen abgehalten.
Auch in anderen Regionen wurden Kampagnen gestartet oder verstärkt.
Der lokale Parteisekretär in Chamdo, Norbu Dhondup, wies an einem offiziellem Treffen im Zusammenhang mit den Selbstverbrennungen in martialischen Worten auf die Notwendigkeit hin, dass man «diejenigen, die lokale Helden werden wollten, niederschlagen» müsse. Dazu müsse man auf sämtliche zur Verfügung stehenden Ermittlungsmethoden zurückgreifen, bevor jene handeln könnten. Nach Einschätzung von ICT setze die Partei mehr auf proaktive Massnahmen wie Internet-Überwachung, Entsendung von Kadern selbst in entlegene Dörfer, und «Patriotische Umerziehung» anstatt nach Protesterignissen nur repressiv zu reagieren. Getroffen werden auch gemässigte Kritiker und Förderer von kultureller und religiöser Identität. Der Fokus dieser Bemühungen liegt in Grenzregionen zwischen der Autonomen Region Tibet und Nachbarprovinzen wie Qinghai, Sichuan und Yunnan, die von der Regierung als Regionen von besonderem strategischem Interesse eingestuft werden. Nicht nur die demonstrativen Militärmanöver um den 10. März, sondern auch ein Treffen hochrangiger Funktionäre am 13. April, geleitet von einem der sieben Mitglieder des mächtigen Ständigen Ausschusses des Politbüros, Yu Shenzheng, drücken Sorge über den nach wie vor starken Einfluss des Dalai Lama aus. Yu beklagte, dass es eine Mangel gebe an «hochrangigen und einflussreichen Persönlichkeiten in den religiösen Gruppen», die ihre Loyalität zur Partei über ihre religiösen Pflichten stellten und in kritischen Momenten zur Verfügung stünden.
In der Provinz Qinghai werden derzeit 10’000 Parteikader für das «Rastermanagement-System»ausgebildet, das diese in Dörfern und Klöstern platziert, wo sie auf kleinster Ebene Tibeter übewachen. Seit Oktober 2011 hat die chinesische Regierung Zehntausende von Parteikadern und Regierungsbeamten in die kleinen tibetischen Landgemeinden entsandt, damit sie dort das geringste Zeichen von Dissens oder Kritik an Partei oder Staat im Keim ersticken und einem Aufstand wie dem von 2008 vorbeugen
International Campaign for Tibet (ICT), 20. April 2017
Zusammengestellt und redigiert für die GSTF von Dr. Uwe Meya