Allgemein Tibet

„Stand hier nicht mal ein Dalai Lama?“ – „Unsinn“. Interviews und filmen ausser der Reihe? Verboten. Pressearbeit auf Chinesisch.

Früher armer Teufel, heute erfolgreicher Hotelier: Dank China stehe Tibet heute glänzend da, sagt Herr Ber Ma. Es ist eine Reise mit Seltenheitswert: Drei Journalisten – darunter ZDF-Reporter Gert Anhalt – durften die Unruheprovinz besuchen. Interviews und filmen ausser der Reihe? Verboten. Pressearbeit auf Chinesisch.

ZDF-Video170313

ZDF-heute-Journal – Video, 17.7.13:

http://www.heute.de/Stand-hier-nicht-mal-ein-Dalai-Lama-Unsinn-28890374.html

 

Chinesische Scheinidylle

Tibet gilt als unbekanntes Land – und auch über 60 Jahre nach der „friedlichen Befreiung“ 1951 noch immer als Chinas Unruheprovinz. Das ZDF hat das Land besucht und hinter die Kulissen einer Scheinidylle geblickt.

Seit den gewaltsamen Demonstrationen 2008 und über 110 Selbstverbrennungen junger Tibeter seither sieht sich die Führung in Peking mehr denn je an den internationalen Pranger gestellt: In Tibet sollen systematisch Menschenrechte verletzt, Traditionen unterdrückt und die freie Religionsausübung verhindert werden.

Anhänger des im Exil lebenden Dalai Lama würden verfolgt, Informationen über die angespannte Lage im Land zurückgehalten oder geschönt. Um diese Vorwürfe zu entkräften und ein Bild der Normalität zu präsentieren, lud die chinesische Regierung drei Journalisten von ZDF, „Süddeutscher Zeitung“ und „Zeit“ zu einem Besuch in die Himalayaregion.

 

Süddeutsche Zeitung, 17.7.13, Kai Strittmatter

Erleuchtung garantiert

Wenn Chinas Staatsrat ausländische Medien nach Tibet einlädt, dann kann man was erleben. Zum Beispiel lauter glüclicke Bauern und Nomaden. Eine Pekinger Pauschalreise.

Lhasa – Der Vizegouverneur würde Biema mögen. Biema ist Bauer, tibetischer Bauer. Bei den Lulang-Wäldern, in der Präfektur Nyingchi, da wo Tibet bald auf Indien trifft und auf 3700 Höhenmeter so aussieht wie bayerisches Voralpenland: die Hänge sattgrün, nur die Rinder darauf, die Yaks also, schwärzer und unrasierter, aber mindestens so glücklich. Biema hat ein Haus, einen Sohn an einer Pekinger Universität, und an der Wand ein nagelenues Poster mit Chinas Staatsführern. Wen mag er am liebsten? „Den Vorsitzenden Mao. Er hat Tibets Sklaven befreit.“

Biema mag auch Autos, im Hof steht ein Citroën. Sie haben seit zehn Jahren nämlich auch eine Straße im Dorf. Seither sammeln die Bauern nicht mehr nur den kostbaren Raupenpilz, seither sammeln sie auch Touristen, chinesische Touristen, vor allem. Tibet ist en vogue unter jungen Chinesen, sie kommen mit dem Zug, mit dem Auto, mit dem Fahrrad. „Die Tibeter sind toll“, sagt ein Shanghaier Lehrerin. „Gar nicht so barbarisch, wie ich dachte.“

Ein großes Schild am Ortseingang kündet davon: Zhaxigang ist jetzt ein „Touristendorf“. An manchen Tagen ist es auch ein Journalistendorf, Biema hat da nichts dagegen. Manchmal lächelt er ein wenig unsicher. Dann nicken ihm die jedes Wort eifrig notierenden Dorf-, Kreis- und Regierungskader aufmunternd zu, die sich auf seiner Wohnzimmerbank niedergelassen haben. Sie sind zu acht. Acht Beamte, drei Journalisten, ein Bauer: ein ganz normales Interview in Tibet.

Unsichtbares Tibet. So heißt der wichtigste chinesischsprachige Blog zu Tibet. Unsichtbar, weil das Land abgeschottet ist: Ausländische Korrespondenten aus Peking dürfen nur selten nach Lhasa reisen. Unsichtbar auch, weil die dann Auserwählten ein sorgfältig einstudiertes Tibet zu sehen bekommen. Vergangene Woche wurde drei deutschen Medien, dem ZDF, der Zeit und der Süddeutschen Zeitung dieses seltene Privileg zuteil. Chinas Staatsrat lud ein. Und suchte die Interviewpartner aus: Biema, den Citroën fahrenden Bauern. Oder Pincuo, seinen Nachbarn, der auch schon in Peking im Fernsehen aufgetreten ist: „Wir leben einen Traum.“ Oder Tashi Zongba, die Nomadin: „Die Regierung ist so gut zu uns.“

Bauer Biema findet, Kommunisten wie Buddhisten wollten doch beide letztlich das Gleiche, nämlich den Menschen zu einem besseren Leben verhelfen. „Und beide müssen gute Menschen sein.“ Biema ist auch stellvertretender Vorsitzender des örtlichen Parteikomitees. Sein Jahreseinkommen? Also: 36 Gästebetten, die Pilze, die Gerste, wenn es gut läuft, sagt er, mehr als 200 000 Yuan, umgerechnet 24 000 Euro, davon träumen die meisten Pekinger. Was würde er dem neuen Staats- und Parteichef Xi Jinping sagen, wenner ihn träfe? „DankeXi Jinping! Danke Kommunistische Partei!“

Das chinesische Staatsfernsehen CCTV veröffentlicht seit fünf Jahren eine Liste der glücklichsten Bürger Chinas. Auf der Liste die unangefochtene Nummer eins, seit fünf Jahren die glücklichsten Menschen in China: die Bewohner von Lhasa.

Erster Tag der Reise war Samstag, der 6. Juli. Zufällig der Geburtstag des Dalai Lama: Tendzin Gyatsho, der 14. in einer langen Reihe geistiger und politischer Führer Tibets. Der Dalai Lamahatte die „friedliche Befreiung“ Tibets durch die Truppen Mao Zedongs 1951 als 15-Jähriger miterlebt, begeisterte sich zunächst für den Marxismus und tauschte mit Mao Briefe aus, bevor er 1959 ins indische Exil floh. 78 Jahre ist er an diesem Tag geworden.

Eine E-Mail aus Lhasa: „Ich bin gemeinsam mit Freunden aus Peking zum Norbulingka gegangen, seinem alten Sommerpalast. Wir haben dort einige Gruppen vonTibetern mit Blumen getroffen, manche beteten laut für das Wohlergehen des Dalai Lama. Ich konnte mir nicht helfen, mir kamen die Tränen.“ Die Zeilen sind von Tsering Woeser, die 46-Jährige lebt in Peking und in Lhasa, sie ist die Autorin des Blogs „Unsichtbares Tibet“ und heute wohl die bekannteste Tibeterin. Hillary Clinton verlieh

ihr im Frühjahr den International Women of Courage-Preis. Sie konnte ihn nicht entgegennehmen: Die Regierung in Peking verweigerte ihr den Reisepass. Wie sie fast allen Tibetern den Pass verweigert.

Eigentlich hatten wir verabredet, uns in Lhasa zu treffen, aber das ging nicht: „Bevor Sie anreisten, hat die Staatssicherheit hier mich und meine engen Freunde zum Verhör geladen. Jeden von uns drei Mal. Sie fürchten, ich könnte zu Ihnen Kontakt aufgenommen haben. Es tut mir leid: Wir können uns nicht treffen, auch nicht telefonieren. Sonst droht uns Hausarrest. Aber lassen Sie uns weiter Mails schreiben.“

Wenn die Tibeter so glücklich sind, wovor dann hat die Regierung Angst, Frau Woeser? „Wissen Sie, die Chinesen waren sich nie sicher in ihrer Herrschaft über Tibet. Warum sonstwiederholen sie seit den 1950er-Jahren diesen einen Satz wie ein Mantra: ‚Tibetwar von altersher ein unabspaltbarer Teil Chinas‘? Wovor sie Angst haben? Davor, dass die Menschen draußen das wahre Tibet zu sehen bekommen.“

Lhasa. Besuch im Museum. Abteilung 1: „Geschichte des prähistorischen Tibet“. Abteilung 2: „Geschichte des seit altersher von China unabspaltbaren Tibet“. Ein Führer: „Tibeter und Han-Chinesen sind eine große Familie.“ Der Vizegouverneur: „Tibets Wirtschaft boomt, die Gesellschaft ist harmonisch, die Bürger leben in Frieden, die Volksgruppen sind so einträchtig wie sonst nirgends.Wir sind ein Modell für die Welt.“

Im Potala, dem wuchtigen Palast des Dalai Lama. Inseinem einstigen Wohnzimmer, auf einem Sitzkissen, thront die goldfarbene Zeremonial-Robe, so auf den Stuhl drapiert, als säße der Dalai Lama noch immerdort in stiller Meditation, eine Hülle, leer. Seit Neuestem kommen im Potala auf 70 Mönche 40 Feuerwehrleute, in leuchtend orangen Uniformen. „Die Feuergefahr“, sagt der Direktor. „Wir sind allzeit bereit.“

Vom Potala ein Blick hinunter auf die Stadt, die sich in die Täler frisst: Kräne, Bagger, Staub undStau. Lhasa ist eine moderne Stadt geworden: Luxushotels, Einkaufszentren, Fastfood-Lokale, Rotlichtviertel. Von anderen chinesischen Städten ist es kaum mehr zu unterscheiden, wären da nicht an jeder Ecke die herumlungernden Gestalten in schlecht sitzenden Anzügen, mit Sonnenbrille und Walkie-Talkie. Die zahlreichen Sicherheitsschleusen, die anderswo am Flughafen stehen, hier aber auf offener Straße: Jeder Passantwird kontrolliert. Die gewaltigen Kasernen an den Ausfallstraßen.

„Wir sind die Nummer eins in China“, sagt der Vizegouverneur. „Spitze beim Wachstum, bei den Investitionen.“ Viel Geld fließt hierher, Geld aus der Zentrale. Die Autonome Region Tibet, sagt Lian Xiangmin, Direktor des Instituts für moderne Tibetstudien in Peking, weise als einzige Provinz Chinas eine Wirtschaftsstruktur „wie viele Länder im Westen“ auf: kaum Landwirtschaft, praktisch keine Produktion, dafür „ein großer Dienstleistungssektor.

Tatsächlich gibt es in Tibet nur zwei nennenswerte Wirtschaftsfaktoren: den Tourismus, der nach Fertigstellung der Eisenbahnlinie nach Lhasa 2006 sprunghaft anstieg und im vorigen Jahr erstmals die Marke von zehn Millionen Besuchern überstieg – und den gewaltigen Regierungsapparat. Neun von zehn Yuan, die Tibets Regierung ausgibt, kommen direkt aus Peking. China baut neue Stromtrassen, neue Straßen und eine neue Eisenbahnlinie von Lhasa nach Shigatse. Der Lebensstandard vieler Tibeter ist gestiegen, vor allem wenn sie zu jener Elite zählen, die für die Regierung arbeitet, oder zu jenen, die sich mit der Sprache auch den Geschäftssinn der Chinesen angeeignet haben. Seit zwei Jahren gibt es eine Arbeitsplatzgarantie für tibetische Hochschulabsolventen: Die Regierung stellt alle an. Tibet hängt am Tropf. Die Infusion von Geld soll die Tibeter endlich zu loyalen Untertanen machen und die „Homogenisierung der chinesischen Nation“ fördern.

„Ohne Zweifel gibt es in ganz China keine glücklicheren Menschen als die  Einwohner von Lhasa.“ Noch einmal der Vizegouverneur, Pemba Tashi heißt er, trägt eine goldeneUhr am linken Handgelenk und erklärt: „Die Sklaven sind befreit, wir sind ein Rechtsstaat. Ich selbst bin das beste Beispiel dafür,um wie viel besser es den Tibetern heute geht. Und all die Leute, die hier zu meiner Linken sitzen, die auch.“ Die Leute zu seiner Linken nicken. Da sitzen acht Abteilungsleiter der tibetischen Volksregierung, die meisten sind Chinesen. „Schaut die vielen chinesischen Genossen hier an: Sie haben hier geschuftet und gelitten. Ohne die Hilfe des Vaterlandes hätten wir das nie geschafft.“ Warum dann, Herr Vizegouverneur, der blutige Aufstand in Lhasa 2008? Er richtet sich auf. „Dahinter steckt die spalterische Dalai-Lama-Clique. Das war vom Ausland gesteuert. Der Dalai Lama ist ein Vertreter des alten Sklavenhaltersystems. Ein Instrument der feindlichen Mächte. Er wiegelt Leute wie euch auf.“ Wird der Dalai Lama je zurückkommen können? „Er ist ein Vaterlandsverräter.“

Und warum, Herr Vizegouverneur, angesichts  von so viel Glück, die Welle von Selbstverbrennungen unter Tibetern? Pemba Tashi rutscht auf seinem Sitz umher: „Kein Einziger hat sich hier in Tibet selbst verbrannt!“Tatsächlich umfasst die Autonome Region Tibet nur einen Teil des historischen Tibet – die meisten der bislang 123 Selbstverbrennungen fanden in den tibetischen Gebieten der heutigen Provinzen Qinghai und Sichuan statt. Aber was ist mit dem 19-jährigen Dorye Tseten und seinem Freund, dem 25-jährigen Dargye, die sich gemeinsam am 27. Mai 2012 vor den Jokhang-Tempel stellten und anzündeten, vor dem größten Heiligtum der Tibeter, mitten in Lhasa? „Diese Frage“, der Vizegouverneur zischt nun, „ist eine Beleidigung unserer Gefühle.“ Stille im Raum. „Die Presse braucht einen korrekten Standpunkt. Warum habe ich euch eingeladen? Weil ihr aus der Heimat von Karl Marx kommt.“ Sein Zeigefinger saust im Crescendo der Worte auf und ab, dann bleibt er in der Luft stehen, deutet auf uns: „Stört nicht die friedlichen Bürger von Tibet!“ PembaTashi lächelt: „Meine lieben Gäste, hört nicht auf Gerüchte. Allein die Wahrheit siegt in der Welt.“

Am Abend dieses Tages melden ausländische  Agenturen unter Berufung auf exiltibetische Quellen, es habe am Samstag in der Provinz Sichuan einen Zwischenfall gegeben: Tibetische Mönche, Nonnen und Bauern hätten sich beim heiligen Berg Machen Bhomra versammelt, um den Geburtstag des Dalai Lama zu begehen. Chinesische Miliz habe das Feuer eröffnet, 15 Menschen seien zum Teil schwer verletzt, zwei Mönchen habe man in den Kopf geschossen.

Wieder eine E-Mail von Tsering Woeser: „Wissen Sie,wann wir Lhasaer wissen, dass ausländische Journalisten oder Diplomaten in der Stadt sind? Wenn auf einmal die Soldaten, vor denen es sonst nur so wimmelt, von den Straßen verschwinden. Wenn die Scharfschützen von den Dächern rund um den Barkhor abgezogen werden, wenn die Polizisten plötzlich alle Zivil tragen. Lhasa ist gerade mal wieder eine große Bühne, auf der das Spiel für die Außenwelt gespielt wird.“

Das ist eine Klage: Die Chinesen überrollen  uns. „Sie sind viel mehr als früher“, sagt Tashi, ein Rikschafahrer. „Sie kriegen die besten Jobs. Sie fahren die Taxis, wir fahren die Rikschas.“ Ein Chinese, der nachTibet geht, um dort für die Regierung zu arbeiten, bekommt Gehaltszuschläge, hat 50 Tage Urlaub, statt wie üblich nur eine Woche, seine Kinder mussten in diesem Jahr bei der Hochschulaufnahmeprüfung nur 310 Punkte statt wie anderswo 480 Punkte erreichen, um an einer Spitzenuniversität in Peking oder Shanghai aufgenommen zu werden. „In meiner Siedlung in Lhasa ist schon jeder Dritte ein Chinese“, schreibt die Bloggerin Tsering Woeser: „Mein Nachbar ist Chinese, ein Subunternehmer für Baufirmen, er baut neue Häuser für noch mehr Zuwanderer. Seit den Unruhen von 2008 setzt China ganz auf Assimilation.“

Eine Gruppe von Anwälten aus Peking kam im Jahr nach den Unruhen in einem der seltenen unabhängigen Berichte zu dem Schluss, die rasante Modernisierung komme bei vielen Tibetern nicht an: „Sie werden mehr und mehr an den Rand gedrückt.“

Vieles, was in Tibet geschieht, geschieht auch im Rest Chinas: die Zerstörung der Umwelt durch Minen und Staudämme, vor allem aber durch Profitgier und Korruption. Die Auslöschung von Geschichte und Vermächtnis im Gedächtnis der Menschen und ihrer Städte, ihr Ersatz durch eine propagandistisch gesäuberte und kommerziell vermarktbare Disney-Version des Alten. Bloß: Es geschieht hier durch die Hand eines anderen Volkes. Und vieles geschieht nur in Tibet.Die Parteikader, die seit 2011 jede Familie in jedem Dorf „mindestens zehn Mal“ besuchen müssen, unter anderem, um nach versteckten Dalai-Lama-Fotos zu suchen. Die Zwangsumsiedelung der seit Jahrtausenden mit ihrenYaks übers Hochland ziehen den tibetischen Nomadenin Barackenkolonien, „aus ökologischen Gründen“.

Der Sicherheitsapparat, den sich der Staat in vielen Tibetergebieten vier bis fünfmal so viel kosten lässt wie im Inland. Die Aufteilung von Gemeinden in kleine Gruppen, die sich gegenseitig überwachen sollen, die großzügigen Boni für Denunzianten. Die Parteizellen, die seit 2012 permanent in jedem Kloster installiert sind, um „die Vaterlandsliebe“ der Mönche und Nonnen sicherzustellen. Die Regeln, wonach wiedergeborene Lamas erst im Alter von 18 Jahren in ein Kloster dürfen. Wonach es Mönchen an derer tibetischer Gebiete verboten ist, zum Studium an die großen Lehrstätten in Lhasa zu kommen. „Die Klöster waren immer unsere Schulen, dort wurde die Sprache, dort wurde der Buddhismus gelehrt und weitergegeben“, sagt Woeser. „Jetzt ist es, als sei unsere Religion vom Krebs befallen.“

Die Bloggerin Tsering Woeser hat die  letzten Worte jener gesammelt, die sich selbst verbrannten. Sie beten für den Dalai Lama, sie rufen nach seiner Rückkehr, sie beklagen den Verlust ihrer Freiheiten, die Verdrängung ihrer Sprache durch das Chinesische, nicht wenige sagen, sie stürben für „die Würde“ ihres Volkes. Nun fürchten die Behörden die Botschaft des Feuers. So viel Brandschutz wie in Tibet war selten: IndenTempeln bilden sie „Feuerwehrmänner in Mönchsrobe“ aus (so die Nachrichtenagentur Xinhua), in menschenleerer Berglandschaft, unterhalb eines 5000-Meter-Passes, mahnt ein riesiges Schild Yaks und Passanten: „Achte dein Leben / kümmere dich um Feuerbekämpfung.“

Noch vor Kurzem konnte man die Pilger aus Kham und aus Amdo zu Zehntausenden am Wegesrand nah Lhasa sehen, in der Hand die Gebetsmühle, manche sich übe rHunderte Kilometer hinweg unablässig mit der Stirn auf den Boden werfend, nicht eher ruhend, bis sie den Jokhang-Tempel, ihr Heiligstes, erreicht hatten.

Seit den Selbstverbrennungen in Lhasa dürfen die Tibeter außerhalb der Autonomen Region nur mehr mit einem Bündel von Sondergenehmigungen nach Tibet hinein, unter anderem verlangen die Behörden ein polizeiliches Führungszeugnis und die Bürgschaft eines Einwohners von Lhasa: Die wenigsten nehmen diese Hürde. Zum ersten Mal seit mehr als 1000 Jahren ist vielen Pilgern aus Osttibet der Weg in die heilige Stadt versperrt. Und so ist das Bild mit einem Mal ein anderes: Statt der tibetischen Pilger bevölkern nun abenteuerlustige chinesische Mountainbiker aus Chengdu oder Peking die Landstraßen, Chinesen nämlich brauchen keine Genehmigung.

Manche der Vorwürfe verstehen die Behörden nicht. Was denn gegen das Erlernen des Chinesischen in den Schulen einzuwenden sei, fragen sie, es eröffne den Tibetern Aufstiegschancen.Und die tibetische Kultur? „Wir pflegen sie“, sagt Zhaxi vom Propagandaamt der Regierung. „Wir geben so viel Geld dafür aus wie nie.“ Er führt uns zur „Tibetischen Gesangs und Tanztruppe“: 180 von der Regierung bezahlte Sänger, Musiker und Tänzer, die mit ihrer Kunst, wie Intendant Denzi erklärt, tibetisches Liedgut erhalten und gleichzeitig „den Geist des 18. Parteitags propagieren“ sollen. Sie tanzen hier auch noch Klassiker wie den „Glanz des Vorsitzenden Mao“, der Großteil des Repertoires erinnert jedoch in Choreografie und Kostüm eher an eine Eruption aus Las Vegas und Shangri-La-Phantasien. Komponist Zhaxi Cuoma erklärt es so: „Wir nehmen die alten tibetischen Sachen und mischen Chinesisches und Westliches drunter. Der Effekt ist oft super.“

Den Barkhor, den Pilgerweg um den  Jokhang-Tempel herum, haben sie gerade renoviert. Die Häuser sind frisch gestrichen und haben Blumenkästen bekommen, die Wege und Plätze sind besser einzusehen. Auf den Dächern Zelte, aus denen heraus aufmerksame Sicherheitsbeamte die Straßen unter ihnen nicht aus den Augen lassen: die Pilger und die Touristen, die jene mittlerweile an Zahl weit übertreffen. Die Händler, die hier an Ständen früher Butterlampen anboten, Stoffe und Kupfergeschirr, hat man verlegt, sie sollen nun in Einkaufszentren am Rand der Altstadt. Die jüngste dieser Shoppingmalls, eher für Luxusmarken, steht kurz vor der Eröffnung. Sie heißt „Spiritual Power Plaza“.

Das letzte Wort hat der Vizegouverneur: „Das Tibet von morgen wird noch schöner.“

 

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