Allgemein Politik

Verblüffende Ländergrenzen bei Google Maps: Google zeichnet die Weltkarte neu

Neue Zürcher Zeitung, 25.6.14, Marie-Astrid Langer

Je nach Aufenthaltsort der Nutzer zeigt der Kartendienst Google Maps andere Ländergrenzen an. Besonders brisant sind die Unterschiede etwa im Fall der Halbinsel Krim.

Der kalifornische Internetkonzern Google ist schlau. Sehr schlau. Er kennt nicht nur alle Websites des Internets, sondern auch die Interessen, die Hobbys und den Musikgeschmack seiner Nutzer. Selbst wenn man nur die drei Worte «Schweiz Honduras Fussball» in das Suchfeld eingibt, weiss Google, dass man natürlich das laufende WM-Spiel meint, und präsentiert einem den aktuellen Spielstand, den Austragungsort und die Spieleraufstellung.

Aufenthaltsort entscheidend für die gezeigten Ländergrenzen

Doch wenn es um Ländergrenzen geht, hat Google für einmal keine eindeutigen Antworten. Oder will vielleicht auch keine haben: Wie Netzaktivisten kürzlich im Rahmen eines Projekts, das von der Knight-Stiftung und dem Browserbetreiber Mozilla gesponsert wurde, herausgefunden haben, bemüht sich Google stark, bei seinem Kartendienst in keine politischen Konflikte gezogen zu werden. Je nachdem also, in welchem Land sich ein Nutzer befindet, wenn er seine Suchanfrage eingibt, präsentiert ihm der Kartenservice Google Maps unterschiedliche Ländergrenzen.

Indien, Tibet oder China?

Zum Beispiel der indische Gliedstaat Arunachal Pradesh, gelegen im Nordosten des Landes. Er gilt als umstrittenes Gebiet, weil neben Indien auch China territoriale Ansprüche erhebt. Nach der Lesart der Volksrepublik gehört der Gliedstaat zu Tibet – und damit zu China.

Gibt man von der Schweiz aus Arunachal Pradesh bei Google Maps ein, umrandet der Kartendienst die Region mit einer gestrichelten Linie – die wohl dem Nutzer andeuten soll, dass die Ländergrenze umstritten ist. Startet man die gleiche Suchanfrage jedoch von Indien aus, wird die Region als klar indisch ausgewiesen – und fragt man aus China an, erscheint die Region als zur Volksrepublik gehörig, wie das amerikanische Nachrichtenportal «Quartz» veranschaulicht hat.

Butan – unabhängiges Königreich oder Teil Chinas?

Ähnlich variieren auch die Ergebnisse für das Königreich Butan, das ebenfalls Gegenstand jahrzehntelanger Streitigkeiten mit China ist. Aus Butan, den USA oder auch der Schweiz betrachtet, ist die Region geografisch selbständig und unabhängig von China. Für chinesische Nutzer hingegen erscheint Butan als Teil der Volksrepublik, wie eine Kartenanimation von Quartz zeigt.

Eine Insel Krim – und drei unterschiedliche Grenzen

Politisch brisant ist das Ergebnis von Google Maps auch mit Blick auf die Krim. Für amerikanische und Schweizer Nutzer ist um die umstrittene ukrainische Halbinsel eine gestrichelte Linie gezogen, die wohl den anhaltenden Konflikt andeuten soll. Für einen Betrachter in Russland hingegen zählt die Region eindeutig zu seinem Land. Und für ukrainische Google-Maps-Nutzer hat sich auch mit dem Krim-Referendum von Anfang März nichts verändert.

Die Teilnehmer des Hackathons haben diese und zahlreiche weitere Beispiele für Googles Ländergrenzen auf einer Website zusammengestellt.

Eine Google-Sprecherin erklärte gegenüber dem Nachrichtenportal «Quartz», dass der Konzern sich alle Mühe gebe, umstrittene Gebiete objektiv abzubilden. Da einige Länder eigene Gesetze für Kartierungen hätten, folge man wo immer möglich den örtlichen Auflagen bei Namen und Grenzen.

Dass die Suchergebnisse jedoch politisch brisant sind und durchaus Kontroversen auslösen können, kommentierte die Sprecherin nicht. Darüber hinaus kam es am Dienstag am europäischen Google-Hauptsitz in Zürich zu Protesten von Aktivisten, weil sich der Internetkonzern bisher weigert, in seinem Kartendienst neben den englischen und chinesischen auch die tibetischen Ortsnamen anzuschreiben.

 

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