Der Landbote (CH), 11.9.15 –
Das Überthema der diesjährigen Denkmaltage lautet «Austausch – Einfluss». Besonders anschaulich zeigen das in Zell das Fabrikareal Kuhn und das Tibet-Institut.
Die Idee sei es, einmal jährlich historische Gebäude und Denkmäler öffentlich zugänglich zu machen. So beschreibt Myriam Schlesinger von der kantonalen Denkmalpflege den Hintergrund der Denkmaltage, die im September jeweils europaweit stattfinden. Es drehe sich alles um die Frage: «Was ist eigentlich unser kulturelles Erbe?» Der Begriff Denkmal ist deshalb auch sehr weit gefasst. «Es geht uns nicht nur um Statuen, Burgen und Kirchen.» Am Wochenende wird es in Winterthur und Region verschiedene Anlässe mit Führungen geben, passend zum nationalen Überthema «Austausch – Einfluss».
Ein Schwerpunkt sind dieses Jahr Bauten aus dem 20. Jahrhundert. Diese Gebäude seien bis jetzt immer etwas zu kurz gekommen, erklärt Schlesinger. Die Denkmalpflege revidiert momentan das kantonale Inventar der schutzwürdigen Bauten aus dieser Zeit. Da die Anlässe auch immer die Arbeit und Aufgaben des Amts aufzeigen sollen, lag eine Verknüpfung nahe. Als anschauliches Beispiel wurde Rikon in Zell ausgewählt, das mit dem Fabrikareal Kuhn und dem Tibet-Institut gleich mehrere Aspekte abdeckt.
Kinderarbeit ist Thema
Die Führung am Sonntag ist in zwei Teile aufgeteilt, gestartet wird bei Kuhn Rikon. «Anhand dieser Gebäude lässt sich exemplarisch die Industriegeschichte des Zürcher Oberlands und vor allem des Tösstals aufzeigen», sagt Emmanuelle Urban, Architektin bei der kantonalen Denkmalpflege. Man erfahre etwa, weshalb sich die Industrie hier angesiedelt habe, und auch, weshalb sie schliesslich wieder eingegangen sei. Der sozialgeschichtliche Hintergrund soll ebenfalls nicht zu kurz kommen: «Wir sprechen auch über Arbeiterwohnungen und Kinderarbeit in dieser Zeit.»
«Stilgeschichtlich interessant»
Untrennbar mit Kuhn verbunden ist das Tibet-Institut. Anfang der Sechzigerjahre boten die Brüder Henri und Jacques Kuhn tibetischen Flüchtlingen Unterkunft und Arbeit in ihrer Metallwarenfabrik an. Um die fremde Kultur in der Schweiz einzubetten, entstand schliesslich die Idee eines tibetischen Klosters.
Für den zweiten Teil der Führung werden die Besucher per Shuttlebus zum Tibet-Institut gefahren. «Wir erklären etwa, wie ein Nachkriegsbau ein Denkmal werden kann», sagt Raphael Sollberger, Kunsthistoriker bei der Denkmalpflege und zuständig für die Überarbeitung des Inventars. Das Tibet-Institut gilt ebenfalls als schutzwürdig.
«Stilgeschichtlich ist es sehr interessant», sagt Sollberger. Nebst den architektonischen Erläuterungen wird auch über den Alltag im Kloster berichtet und die Funktion, die es in Rikon erfüllt. «Es geht auch darum, wie sich die Tibeter kulturell eingebracht haben.» Die Führung durch die Fabrik und das Kloster findet am Sonntag viermal statt.
Am Sonntagmorgen wird zusätzlich eine tibetische Oper aufgeführt. «Ngönba Ri-Nga» wird bei speziellen Anlässen zur Reinigung des Platzes getanzt, etwa auch letztes Jahr beim Besuch des Dalai Lama.
Nicole Döbeli