Allgemein Politik

Erfolg ohne Kotau: Angela Merkel in China

Südwest Presse, 2.11.15, Felix Lee –
Aus ihrem Groll gegen David Cameron machte Angela Merkel keinen Hehl. Schon auf dem Flug nach Peking am vergangenen Mittwoch kritisierte die Bundeskanzlerin unverblümt den britischen Premier für seine Anbiederung an die chinesische Führung.

Und auch später in Peking liess sich Merkel einen Seitenhieb nicht nehmen: „Ich freue mich, dass Xi (Chinas Staatspräsident) in Großbritannien einen schönen Besuch hatte“, sagte sie. „Doch wir können auch schöne Besuche ausrichten.“ Und spitz fügte sie hinzu: „Wir haben nur keine Queen.“

Beim Besuch von Xi Jinping eine Woche zuvor in London hatten die britischen Gastgeber der chinesischen Führung mehr als nur den roten Teppich ausgelegt. Cameron umgarnte den Staatschef aus Peking regelrecht. Heikle Themen wie Chinas Missachtung der Menschenrechte sprach er nicht an. Stattdessen lockte er mit großzügigen Investitionsbedingungen für chinesische Unternehmer und bot an, mit seinem Land direkt Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen aufzunehmen – im Alleingang, ohne die anderen EU-Länder.

Keine Frage, auch Merkel ist um gute Beziehungen mit der Volksrepublik bemüht. Das macht sie schon allein zum Wohle der deutschen Wirtschaft, für die China längst einer der weltweit wichtigsten Absatzmärkte ist. Doch Anbiederung ist nicht ihre Art. Im Gegenteil: Unverhohlen erklärte Merkel bei ihrem Peking-Besuch dem chinesischen Premierminister Li Keqiang, dasssie zunächst die offenen Fragen im Investitionsschutz klären wolle, bevor sie bereit sei, auch nur über eine Machbarkeitsstudie für ein Freihandelsabkommen zu diskutieren. Chinas Premier hatte sich von der Kanzlerin sicherlich mehr erhofft, nickte aber anerkennend.

Im Gegensatz zu Cameron wagte Merkel in Peking weitere heikle Themen gegenüber der chinesischen Führung anzusprechen. Sie reichte – wie schon bei ihren vorherigen acht China-Besuchen – auch dieses Mal wieder eine Liste ein mit den Namen von Dissidenten und anderen in China verfolgten Aktivisten, deren Freilassung sie fordert. Abgesehen von den USA ist die Bundesregierung damit eine der wenigen verbliebenen Mächte weltweit, die die Missachtung der Menschenrechte noch anspricht.

Als Cameron vor fünf Jahren seine Amtsgeschäfte aufnahm, gehörte zu einer seiner ersten Amtshandlungen der Empfang des Dalai Lama. Die chinesische Führung bestrafte den britischen Premier daraufhin mehr als ein Jahr lang mit Nichtbeachtung. Ein Jahr später reiste Cameron nach Peking und machte einen so tiefen Kotau, dasssich selbst die chinesische Staatspresse über ihn lustig machte. Die Situation in Tibet hat er seitdem mit keiner Silbe mehr erwähnt.

Den größten Erfolg konnte Merkel dieses mal aber beim Thema Syrien erzielen. So gelang es ihr, China nicht nur mehr politisches Engagement mit Blick auf den Syrienkonflikt abzutrotzen. Sie rang dem Premier auch das Versprechen ab, für die Flüchtlinge humanitäre Hilfe bereit zu stellen. China werde einen konstruktiven Beitrag leisten, so Li.

Diese Zusage – auch wenn sie nur ein Baustein ist – dürfte Merkel auch innenpolitisch zugute kommen. Denn als Antwort auf ihre nicht zuletzt innerparteilichen Kritiker hatte sie mehrfach versprochen, die Lasten der Flüchtlingskrise auf mehr Länder verteilen zu wollen.

Merkels höfliches, zugleich aber doch forsches Vorgehen zeigt: Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zahlt sich aus – auch in China. Diesen Respekt musssich Cameron erst noch erarbeiten.

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