Focus Tibet

Künstlicher Wald in Nagqu weckt Sorgen von Umweltschützern

Die nördlich von Lhasa auf dem tibetischen Hochplateau gelegene Stadt Nagqu galt wegen des harschen Polarklimas als Chinas einzige Stadt ohne Bäume. Nach Angaben der Volksbefreiungsarmee soll die öde, baumlose Landschaft mit eisigen Winden beim dort stationierten Militär psychische Probleme verursacht haben. Nicht selten seien Soldaten, die in ihrer Freizeit nach Lhasa fuhren, aus dem Bus gestürzt und hätten dort unter Tränen einen Baum umarmt.

Zahlreiche Versuche, in Nagqu Bäume anzupflanzen, sind gescheitert. Chinas Präsident Xi Jinping hatte in einer Rede vor Parteisekretären im vorletzten Jahr sogar eine Geldprämie von umgerechnet ca. Fr. 15’000 für einen erfolgreichen Versuch ausgesetzt. Keine der ausprobierten Methoden – Anpflanzung unter Glasdächern, künstliches Düngen, Ausgiessen von heissem Wasser oder Abdecken der Stämme mit Kunststoffmembranen – führte zum Erfolg.

Nun soll eine Solaranlage den Strom erzeugen, um ein Gitter von Kupferdrähten, die im Boden auf einer Fläche von 30 Sportfeldern eingelassen sind, zu erwärmen. Dieses Gitter soll den Permafrostboden so weit auftauen, dass die angepflanzten Bäume Wurzeln schlagen können. Das lokale Departement für Wissenschaft und Technologie in Tibet gab an, dass die ersten Anpflanzungen mit Pinien, Föhren und Zypressen erfolgreich seien. Ausser der Aufforstung erhofften sich die Einwohner auch die Möglichkeit, Quellwasser aus dem Boden zu gewinnen. Wasser muss derzeit noch mit Tankfahrzeugen aus abgelegenen Quellen nach Nagqu gefahren werden.

Umweltschützer und Biologen aus China, die anonym bleiben wollen, äussern hingegen Bedenken. Das Schmelzen des Permafrost-Bodens könnte zum Abfliessen des Grundwasser führen, das lokale Habitat schädigen und die Nahrungskette unterbrechen. Wenn die lokale Temperatur um einige Grad erhöht werde, verhindere dieses bei den Bäumen die Aushärtung der Zellwände, und so könnten sie sich nicht mit einer dicken Rinde vor dem polaren Klima schützen. Die Kosten für dieses Projekt überstiegen den Nutzen, es seien wahrscheinlich «die teuersten Bäume der Welt», wie ein Wissenschaftler sagte.

 

South China Morning Post, 18. November 2017
Rechechiert und übersetzt von Dr. Uwe Meya

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