Tibet

Tibet unter Xi Jinping: Fünf Jahre Bedrängnis und Erstickungsgefahr

Fünf Jahre sind vergangen, seit Xi Jinping an die Macht kam, und immer lauter lässt er die Stimme Chinas auf der Bühne der Welt ertönen.

Im Oktober sicherte sich der chinesische Präsident Xi Jinping eine weitere fünfjährige Amtszeit. Er benutzte den Schauplatz des 19. Parteikongresses der KPCh, um die Partei noch fester in den Griff zu bekommen, wobei er die Möglichkeit offenliess, noch länger als fünf Jahre im Amt zu bleiben. Und er profilierte sich, indem er seine Gedanken zum Sozialismus, bekannt als „Xis Gedanken über den Sozialismus chinesischer Prägung für ein neues Zeitalter“, in die Partei-Verfassung aufnehmen liess. All das warf bei China-Analysten die Frage auf, ob Xi nun der neue Mao sei oder nicht.

Was immer sein neuer Status sein mag, es steht ausser Zweifel, dass Xis Herrschaft bereits tiefgreifende Auswirkungen gehabt hat. Unter Xis Führung spielt China eine durchsetzungsfähigere Rolle auf der Weltbühne, sowohl durch die Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank als auch der Initiative „Neue Seidenstrasse“ (One Belt One Road), ebenso wie mit der aggressiven Neuschaffung von Inseln im südchinesischen Meer.

Zuhause wurden Xis politische Gegner durch einen landesweiten Feldzug gegen Korruption ausgemerzt. Menschenrechtsaktivisten und Rechtsanwälte bekamen ebenfalls seine Macht mit aller Härte zu spüren. Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden mehr unterdrückt denn je, und es wurden neue Gesetze zur Eindämmung des Einflusses ausländischer NGOs geschaffen.

Zu den am schlimmsten Betroffenen gehört das Volk der Tibeter. Auf dem 19. Parteikongress liess Xi eine Drohung gegen die Tibeter (ebenso gegen die Uighuren, Hongkonger und Taiwanesen) los: „Wir werden niemals erlauben, dass irgend jemand, irgendeine Organisation oder politische Partei, irgendwann oder in irgendeiner Form einen Teil des chinesischen Staatsgebietes von China abtrennt“.

Das ist jedoch nichts Neues seitens der KPCh, ebensowenig wie die brutale Behandlung der Tibeter. Peking hat konsequent immer wieder neue Massnahmen eingeführt, um den tibetischen Widerstand zu brechen, seit die Volksbefreiungsarmee das Land 1950 besetzte. Entgegen den Hoffnungen einiger Kommentatoren, dass Xi in die etwas liberaleren Fussstapfen seines Vaters treten würde, hat er das brutale Vorgehen gegen den tibetischen Widerstand fortgesetzt.

Tibet bleibt weiterhin in einem Zustand von de-facto Kriegsrecht, und wer sich dem widersetzt, wird grausam verfolgt. Die grundlegenden Menschenrechte werden den Tibetern verweigert, und viele wurden hart bestraft, nur weil sie die tibetische Flagge hochhielten oder Bilder des Dalai Lama besassen.

Menschenrechtsorganisationen weltweit sind sich darin einig, dass sich die Lage unter Xi verschlechtert hat. Während das besetzte Tibet bei der Einstufung, die von Freedom House jährlich vorgenommen wird, schon immer weit unten stand, erhielt es dieses Jahr, was die Freiheit betrifft, den zweitschlechtesten Platz auf der Skala der ganzen Welt. Damit steht es noch unter Nordkorea und nur ein wenig über dem vom Kriege zerrütteten Syrien.

Nichts davon überrascht, wenn man an die Aussage denkt, die Xi 2011 machte, als er – damals noch als Vizepräsident – Lhasa besuchte: „Wir sollten entschieden gegen die separatistischen Aktivitäten der Dalai Clique kämpfen und uns fest auf alle ethnischen Gruppen stützen… und wir sollten jeglichen Verschwörungsplan zur Zerstörung der Stabilität in Tibet und zur Gefährdung der nationalen Einheit vollständig zunichte machen“.

Xi Jinpings Fixierung auf die territoriale Integrität ist dieselbe geblieben, auch unter seiner Präsidentschaft. Die bedeutendste Änderung unter seiner Herrschaft, welche die Freiheit in Tibet eindämmt, war die “Versicherheitlichung“ des Landes. Die Massnahmen zur Ausmerzung von „Spaltern“ und Saboteuren wurden verschärft. Das sieht man an der nicht enden wollenden Ausweitung des Überwachungsprogramms der Partei mit der offiziellen Bezeichnung „zum Nutzen der Massen“, und darin, dass über 20.000 Parteikader, Polizei- und Sicherheitsbeamte in Tibet eingesetzt wurden, um die Bewohner zu beobachten und zu kontrollieren. Auch eine neue „Nationale Sicherheits-Kommission“ wurde geschaffen.

Von 2013 bis 2015 wurden, wie Human Rights Watch berichtete, [in Tibet] 479 Personen wegen politischer Äusserungen oder Kritik an der Regierungspolitik festgenommen oder vor Gericht gestellt. Free Tibet warf auch regelmässig ein Schlaglicht auf Chinas hartes Vorgehen Tibetern gegenüber, die ihre Umwelt, ihre Kultur oder wie Tashi Wangchuk ihre Sprache bewahren wollten.

In Tibet wurde Xi Jinpings Politik von seinem Loyalisten Chen Quanguo in die Tat umgesetzt, der die Autonome Region Tibet (TAR) von 2011 bis 2016 als Kommunistischer Parteisekretär regierte.

Unter Chen Quanguo nahm die Rekrutierung von lokalen Polizeikräften gewaltige Ausmasse an, als Hunderte von neuen Polizeistationen in urbanen Gebieten eingerichtet wurden. Kleinstädte und Städte wurden dazu in eine Art Netzsystem aufgeteilt, was es der Polizei und den Sicherheitsdiensten viel leichter macht, die Tibeter in ihrem täglichen Leben zu überwachen. Und diese Überwachung wird noch einfacher, wenn sie mit dem chinesischen Staatsfernsehen (China Central Television/CCTV) und der Big Data Analyse kombiniert wird.

Chen wurde in den staatlichen Medien von Parteigenossen hochgelobt, weil er dem politisch unruhigen Zustand in der TAR, wo es seit 2008 zu zahlreichen Protesten gekommen war, ein Ende gesetzt hat. Seit er aus Tibet versetzt wurde, bekleidet er nun dieselbe Position in der Xinjiang Uyghur Autonomous Region (Uigurische Autonome Region Xinjiang), wo er bereits ähnliche Sicherheitsstrategien verfolgt.

Die „Stabilisierung“ ist indessen nicht Ausdruck eines verminderten Verlangens unter den Tibetern, ihre eigene Zukunft zu bestimmten, sie reflektiert nur, dass die Repression tiefgreifende Auswirkungen zeitigt.

Besonders deutlich sieht man diese Auswirkungen an den Selbstverbrennungsprotesten. Von Peking als „vorsätzliche Tötungsdelikte“ bezeichnet, gab es 150 solcher Proteste in Tibet seit 2009 – wobei es allerdings unmöglich ist, angesichts von Chinas scharfer Kontrolle der aus Tibet herauskommenden Informationen, die genaue Zahl zu ermitteln.

Seit 2012 wurden harte Gefängnis- und sogar Todesurteile über diejenigen verhängt, denen die Behörden vorwerfen, zu den „vorsätzlichen Tötungen“ beigetragen oder dazu angestiftet zu haben. In manchen Gegenden, wo die Selbstverbrennungen häufiger waren, haben die Behörden seit 2012 die Härte der Strafen gesteigert, um von solchen Protesten abzuschrecken. Neue Verordnungen machen es den Behörden möglich, die Familien der Protestierenden und pauschal ihre ganzen Dörfer zu bestrafen.

Fast 70 Jahre Besatzung – fünf davon unter Xi Jinpings immer drastischere Ausmasse annehmendem Sicherheitsstaat – haben den Wunsch des tibetischen Volkes, über seine eigene Zukunft zu bestimmen, nicht gedämpft. Die Versuche der KPCh, die Klagen und den Kummer der Tibeter zu vertuschen oder zu unterdrücken, statt sich mit ihnen zu befassen und Abhilfe zu schaffen, ist zu den Misserfolgen von Xi Jinpings fünf Jahren an der Macht zu rechnen.

Während Peking den Tibetern weiterhin die grundlegenden menschlichen Freiheiten verweigert, und die KPCh fortfährt, jeglichen Dissens mit aller Härte zu verfolgen, ist es wesentlich, dass die internationale Gemeinschaft zu ihnen steht. Die Regierungen weltweit und die Zivilgesellschaft sollten sich für den Ruf der Tibeter nach Freiheit und Menschenrechten nicht taub stellen, sie sollten vielmehr mutig aufstehen und ihrer Überzeugung Ausdruck verleihen. Da sie, wenn sie ihre Stimme erheben, nicht der Repression ausgesetzt sind wie die Tibeter, ist es das Mindeste, was sie tun können.

 

Free Tibet, www.freetibet.org, 15. November 2017
Übersetzung: Adelheid Dönges, Revision: Angelika Oppenheimer

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  1. Walde Peter

    China betreibt weltweit Massenmord speziell in Tibet und die Schweizer Regierung unterstützt das voll und ganz. Die Schweiz muss sich schämen.

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