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Die Reaktionen zum Artikel «Autonomie und Wohlstand“ des chinesischen Botschafters, Weltwoche (4. April 2019)

Die Gegenrede der GSTF in der WeltwocheReaktion Kelsang GyaltsenReaktion TFOS Wolf Altorfer mit Wort und BildReaktion Brigitte StaubTony Ryf schreibt mehrmals an R. KöppelKatrin Zigerlis Antwort auf unseren Newsletter in Sachen WeltwochePfarrer Roland Wuillemins Reaktion

Reaktion der GSTF

Fassungslos und empört müssen wir zur Kenntnis nehmen, wie sich die Weltwoche zum verlängerten Arm der chinesischen Propaganda macht. Dass in guten demokratischen Gepflogenheiten auch China eine Stimme in unserer freien Presse gegeben wird, begrüssen wir. Jedoch ignoriert China als totalitärer Staat ohne freie Presse dieses Prinzip permanent. Der Artikel von Geng Wenbing strotzt von Schönfärberei und Unwahrheiten, die wir nicht ohne weiteres hinnehmen können.

Wiederholt haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass Land und Bewohner nicht nur in Tibet unter schwersten Menschenrechtsverletzungen leiden; es würde zu weit führen, alles nochmals im Detail aufzuführen. Wir beschränken uns auf wenige Themenbereiche.

Geng Wenbing behauptet, die tibetische Kultur und Sprache stehen unter besonderem Schutz. Realität ist, dass die tibetische Sprache aus dem Bildungswesen verdrängt wird. In Unterricht und Schulbüchern dominiert immer mehr die chinesische Sprache. Kürzlich wurde der komplette Lehrbetrieb in der ältesten tibetischen Universität, der Tibet Minzu University, auf chinesische Sprache umgestellt. Die einzige Ausnahme ist ein Sprachkurs «Tibetisch als Zweitsprache». Ein Aktivist für den Erhalt der tibetischen Sprache, Tashi Wangchuk, verbüsst zurzeit eine willkürliche Haftstrafe von 5 Jahren. Sein einziges «Verbrechen» bestand darin, sich für die Rechte der Tibeter auf ihre eigene Kultur und Sprache einzusetzen, so wie es in der Verfassung der Volksrepublik China niedergelegt ist. Kürzlich hat China auch Kindern verboten, an informell organisiertem Sprachunterricht in lokalen Klöstern teilzunehmen.

Weiter behauptet Geng Wenbing, dass die Religion geschützt werde. Seinen Artikel ziert ein Foto der Klosterstadt Larung Gar, die über die letzten 2 Jahre von einer beispiellosen, von der chinesischen Regierung angeordneten Zerstörungsaktion betroffen war. Wenn Religionsausübung über eine folkloristische Ebene hinausgeht, greift der Staat massiv durch. Larung Gar beherbergte für buddhistische Studien bis zu 20‘000 Gläubige und war auch in China und asiatischen Anrainerstaaten für seine tiefe Wissensvermittlung bekannt. Hier wurden seit 2017 nahezu 5000 Behausungen unter fadenscheinigen Begründungen abgerissen und eine ebenso grosse Zahl an Studierenden weggewiesen. Diesen wurden auch nach der Wegweisung das Abhalten von religiösen Zeremonien oder Belehrungen verboten. Einige Hundert landeten zur „Umerziehung“ erst einmal für mehrere Wochen in speziellen Lagern. Es war schon die zweite Zerstörung in Larung Gar nach einer ähnlichen Aktion 2001.

Alle tibetischen Klöster werden derzeit unter weltliche Verwaltung mit ausgewählten Kadern gestellt, die streng darauf achten, dass sich Mönche und Nonnen nur noch „patriotisch“ benehmen. In den Jahren seit 2008 wurden sie zur „patriotischen Umerziehung“ gezwungen, in der sie sich vom Dalai Lama lossagen und ihn denunzieren müssen. Ausgerechnet die atheistisch-kommunistische Regierung behält es sich nun vor, Wiedergeburten von hohen tibetisch-buddhistischen Gelehrten anzuerkennen.

Auch das weltliche Leben wird ebenso rigoros kontrolliert. Seit Oktober 2011 hat die chinesische Regierung Zehntausende von Parteikadern und Regierungsbeamten bis in kleinste tibetische Landgemeinden entsandt, damit sie dort das geringste Zeichen von Dissens oder Kritik im Keim ersticken. Das Dorf-Überwachungs-Programm und ein sogenanntes „Raster-Management-Programm“ teilt die Orte mit ihren Bewohnern in kleinste Einheiten ein und lässt sie durch zugeteilte Kader minutiös überwachen; es kommt sogar so weit, dass sich Kader für mehrere Tage oder Wochen in tibetischen Häusern einquartieren. Ende letzten Jahres wurden in mehreren tibetischen Regionen Programme aufgelegt, die Denunziation von Dissidenten, sogenannten „Kräften der Unterwelt“, fördern und belohnen. Stattdessen lässt sich Geng Wenbing in seinem Beitrag über das verbesserte Speisenangebot und, angeblich «gerührt», über einen flaggennähenden Tibeter aus. Angesichts der brutalen Realität in Tibet wirkt das wie blanker Hohn, und wir haben grosse Zweifel, dass eine so gebildete Person wie der Botschafter selbst an das glaubt, was er hier den Lesern der «Weltwoche» auftischt.

Thomas Büchli, Präsident der GSTF
Lhawang Ngorkhangsar, Vizepräsidentin der GSTF

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Die Gegenrede der GSTF in der aktuellen Weltwoche vom 10. April 2019:

Schönfärberei

Zum Artikel «Autonomie und Wohlstand» in der Weltwoche vom 4. April.

Fassungslos und empört müssen wir zur Kenntnis nehmen, wie sich die Weltwoche zum verlängerten Arm der chinesischen Propaganda macht. Der Artikel von Geng Wenbing über Tibet strotzt von Schönfärberei und Unwahrheiten. Wir akzeptieren, dass im Sinne unserer Presse- und Meinungsfreiheit auch China eine Stimme gegeben wird. China hingegen verletzt als totalitärer Staat ohne freie Presse dieses Prinzip zu 100%.

Geng Wenbing behauptet, die tibetische Kultur und Sprache stehen unter besonderem Schutz. Realität ist, dass die tibetische Sprache immer mehr aus dem Bildungswesen verdrängt wird. Kürzlich wurde der komplette Lehrbetrieb in der ältesten tibetischen Universität, der Tibet Minzu University, auf chinesische Sprache umgestellt. Ein Aktivist für den Erhalt der tibetischen Sprache, Tashi Wangchuk, verbüsst zurzeit eine willkürliche Haftstrafe von 5 Jahren. Sein einziges «Verbrechen» bestand darin, sich für die Rechte der Tibeter auf ihre eigene Kultur und Sprache einzusetzen, so wie es in der Verfassung der VR China festgelegt ist.

Weiter behauptet Geng Wenbing, dass die Religion geschützt werde. Geht aber Religionsausübung über reine Folklore hinaus, greift der Staat massiv durch. Seinen Artikel ziert ein Foto der Klosterstadt Larung Gar, die seit 2017 von einer beispiellosen, von der chinesischen Regierung angeordneten Zerstörungsaktion betroffen war. Das über die Landesgrenzen bekannte Larung Gar beherbergte für buddhistische Studien bis zu 20 000 Gläubige. Hier wurden seit 2017 nahezu 5000 Behausungen unter fadenscheinigen Begründungen abgerissen und eine ebenso grosse Zahl an Studierenden weggewiesen. Einige Hundert landeten zur «Umerziehung» erst einmal für mehrere Wochen in speziellen Lagern. Es war schon die zweite Zerstörung in Larung Gar nach einer ähnlichen Aktion 2001. Seit 2008 werden Mönche und Nonnen zur «patriotischen Umerziehung» gezwungen, in der sie sich vom Dalai Lama lossagen und ihn denunzieren müssen.

Im Wissen um die brutale Realität in Tibet bezweifeln wir, dass der gebildete Botschafter selbst an das glaubt, was er hier den Lesern der «Weltwoche» auftischt.

Thomas Büchli und Frau Lhawang Ngorkhangsar

Die Autoren besetzen das Präsidium der Gesellschaft -Schweizerisch-Tibetische Freundschaft GSTF


Einer der Kommentare auf weltwoche.ch vom 10. April 2019:

Jürg Brechbühl, 10.04.2019 20:01 Uhr

@Thomas Büchli und Lhawang Ngorkhangsar. Danke vielmals für die klare Beschreibung. Ich bezweifle, dass der chinesische Botschafter überhaupt etwas auftischt oder den Text überhaupt gelesen hat, bevor er den vom Propagandaministerium in Peking verfassten Mist an die Weltwoche weitergeleitet hat. Vermutlich würde man anhand des E-Mail-Header sogar den Weg des Textes, um den Globus nachzeichnen können. Zudem enthält der Text des Botschafters nichts, aber wirklich rein gar überhaupt nichts, was nicht in unseren Tageszeitungen schon vor fünf Jahren von den Chinesen behauptet wurde. Der Text ist retro.


Kelsang Gyaltsen reagiert:

Leserbrief, 6. April 2019

Die «Weltwoche» preist den chinesischen Beitrag «Autonomie und Wohlstand» in Tibet von Botschafter Geng Wenbing, als eine «Weltpremiere» an. In der Tat ist es eine Premiere, dass eine Schweizer Zeitschrift dem chinesischen Botschafter in Bern die Möglichkeit gibt, zum 60. Jahrestag des grossen tibetischen Volksaufstandes und seiner blutigen Niederschlagung durch die chinesische Besatzungsmacht, ihre Rechtfertigungspropaganda zu verbreiten. Die betroffenen Menschen – die Tibeter – selber auch zu Worte kommen zu lassen, ist für Herrn Köppel nicht notwendig. Aber dem chinesischen Botschafter «ein Plattform zu bieten, die chinesische Sicht darzulegen», ist der «neutralen, aussenpolitisch zurückhaltenden Schweiz» ausgesprochen angemessen und soll auch noch zu «Völkerverständigung» beitragen. Das ist eine Form von Zynismus, Verdrehung von Recht und Unrecht und eine schamlose Anbiederung beim Mächtigen, die nicht zu überbieten ist.

Die Weltwoche behauptet, dass China inzwischen im Westen «sehr kritisch und sehr einseitig gesehen wird». Der offizielle chinesische Standpunkt würde oft fehlen. Aber die vorgebliche Bemühung um Ausgewogenheit ist reine Farce. Die chinesische Regierung braucht nicht die Hilfe von Herrn Köppel, um sich Gehör zu verschaffen. Die Tatsache ist, dass die chinesische Regierung seit Jahrzehnten eigene Sender im Ausland betreibt. Laut einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 27. März 2019 fliessen pro Jahr 1,3 Milliarden Euro in die internationalen Netzwerke. Das China Global Television Network (die CGTN) betreibt sechs Kanäle in Englisch, Französisch, Arabisch,Russisch und Chinesisch. Die Programme werden in mehr als 140 Länder ausgestrahlt. Der Radiosender China Radio International sendet in 65 Sprachen in mehr als 70 Länder. Die offiziellen Ziele, denen sich die Kanäle verschrieben haben: «Die Verbreitung der Theorien, Richtungen, Prinzipien und Politiken der Partei» sowie «die China-Story gut erzählen».

Der Chinesischen Kommunistischen Partei, die diktatorisch und freiheitsfeindlich über China herrscht, reicht die totalitäre Kontrolle über die heimische Medien längst nicht mehr. Peking weitet systematisch seinen Einfluss auf ausländische Redaktionen aus, investiert in Verlage und erhöht den Druck auf Medienhäuser und Journalisten, die dem Kurs nicht folgen. Die Organisation «Reporter ohne Grenzen» kommt in einem Bericht von 25. März 2019 zum Schluss, dass der Ausmaß der chinesischen Einflussnahme «eine konkrete Gefahr» für Demokratien weltweit bedeute. «Wenn sich die Demokratien nicht wehren, wird Peking ihnen seine Propaganda aufzwängen», warnt Christophe Deloire, der Generalsekretär der Organisation.

Die chinesische Regierung versucht mit politischem Druck und einer aufwendigen Rechtfertigungspropaganda, die Aufmerksamkeit von Regierungen und Öffentlichkeit von der alarmierenden Situation und brutalen Repression in Tibet abzulenken und Verwirrung in der Tibet-Frage zu stiften. Für China ist es bereits ein Erfolg, wenn es gelingt, Verunsicherung zum Thema Tibet zu stiften. So wird verhindert, dass feste Meinungen gebildet und klare Position zu Tibet bezogen werden. Keine Haltung zu den Vorgängen in Tibet zu haben bedeutet, China weiterhin freie Hand in Tibet zu gewähren.
Herr Köppel inszeniert gerne bei seinen öffentlichen Auftritten als der grosse Kämpfer für die Unabhängigkeit, Neutralität und für die direkte Demokratie der Schweiz. Aber kann ein Politiker mit echter Überzeugung in und viel Herzblut für diese Grundwerte gleichzeitig so kalt und herzlos gegenüber politischen Anliegen eines kleinen und unterdrückten Bergvolkes nach Freiheit und Würde reagieren? Herr Köppel ist hier ein faustischer Pakt mit dem Vogt aus Peking eingegangen. Er macht nicht nur klar, wie bedeutungs- und belanglos er politische Anliegen von schwachen, verfolgten und unterdrücken Menschen hält, sondern, dass er auch für eine Auslegung der schweizerischen Neutralität und Außenpolitik steht, die frei von Werten, herz- und seelenlos und nur dem puren Opportunismus verpflichtet ist. So ist die Schweiz nicht, die ich kenne. Ich lebe hier seit über 50 Jahren nach meiner Flucht aus Tibet und habe in der Schweiz eine neue zweite Heimat gefunden. Die Menschen hier haben ein feines Gespür dafür, was Recht und Unrecht ist und ein Herz für Menschen in der Not. Bei den Wahlen in diesem Herbst werden wir sehen, ob das Stimmvolk diese kaltherzige und selbstsüchtige Gesinnung und Haltung politisch goutiert oder nicht.

Kelsang Gyaltsen

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Die TFOS reagiert:

Sehr geehrter Herr Köppel

Ich schreibe Ihnen im Namen der Tibetischen Frauenorganisation Schweiz (TFOS) und möchte Ihnen sagen, dass wir schockiert sind und uns der Artikel sehr traurig und wütend gestimmt hat.

In diesem Artikel schreibt Geng Wenbing, dass die Analphabetenquote fast auf null reduziert wurde. Tatsache ist, dass in den Schulen Mandarin die einzige Unterrichtssprache ist. Diejenigen die sich für die tibetische Sprache einsetzen, werden verfolgt oder eingesperrt. Zum Beispiel Tashi Wangchuk, ein Verteidiger der Tibetischen Sprache, der zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und dies nur weil er sich für das Recht auf einen Unterricht in Tibetisch einsetzte. Dieses Recht ist wohlgemerkt auch in der chinesischen Verfassung verankert. Leider sieht die Realität anders aus. Auch Mönche, die in den Klöstern Tibetisch-Unterricht geben erhalten Strafandrohungen.

Weiter schreibt Geng Wenbing vom stetig wachsenden Wohlstand in Tibet. Tatsache ist, dass tausende Nomaden gegenwärtig zwangsweise in neu erbaute Siedlungen, weit weg von ihren Weidegründen umgesiedelt werden. Trotz der Versprechen der chinesischen Regierung, ihnen beim Aufbau einer neuen Existenz zu helfen, mussten sich die Nomaden verschulden um die neuen Unterkünfte zu bezahlen. Dazu kommt, dass in zahlreichen Fällen diese Siedlungen in abgelegenen, unfruchtbaren Regionen erbaut wurden. China benutzt diese Zwangsumsiedlungen auch als Instrument zu sozialen Kontrolle. Das geräumte Weideland wird oft chinesischen Investoren zur Ausbeutung von Bodenschätzen übergeben. So werden die Nomaden ihres ursprünglichen Lebens und ihres sinnhaften Alltags beraubt.

Weiter behauptet Geng Wenbing, dass die Religion geschützt werde. Das im Artikel gezeigte Foto der Klosterstadt Larung Gar kann wohl nicht als Beispiel für die Religionsfreiheit stehen. Diese Stadt war mehrmals von chinesischen Zerstörungsaktionen betroffen und mehr als 4800 Nonnen und Mönche wurden vertrieben. Einige von ihnen wurden, wie Human Rights Watch (HRW) berichtete, gezwungen, sich so genannten «politischen Umerziehungsmassnahmen» zu unterziehen.
Leider steht im Artikel nichts über die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit in Tibet. Hat Geng Wenbing diese Themen nicht erwähnt, weil er selber weiss, dass es diese im heutigen Tibet schlicht nicht gibt? Der tibetische Filmemacher Dhondub Wangchen sass wegen seines Dokumentarfilms «Leaving Fear Behind», ein Film in Form von Interviews um die Meinungen von Tibetern zur chinesischen Herrschaft, den olympischen Spielen in Peking oder die Rückkehr des Dalai Lama, sechs Jahre im Gefängnis wo er auch gefoltert wurde. Er wurde nun für seinen Mut am diesjährigen «Geneva Summit» mit dem «Courage Award» ausgezeichnet.

Ein weiteres Beispiel: Die mittlerweile seit 13 Jahren in der Schweiz lebende Phuntsog Nyidron wurde 1989 zu 9 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie zusammen mit acht Nonnen in Lhasa «Lang lebe seine Heiligkeit, der Dalai Lama» und «Freiheit in Tibet» ausrief. Begründung: Aufhetzung zum Separatismus. Während ihres Gefängnisaufenthaltes schrieb sie zusammen mit anderen Insassinnen ein politisches Lied über die prekären Verhältnisse in Tibet woraufhin sie zu weiteren 8 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Die Situation in Tibet hat sich in den letzten 30 Jahren nicht verbessert, im Gegenteil es ist schlimmer denn je. Der Genozid geht weiter!
Da Geng Wenbing noch weitere Gelegenheiten bekommt, in der Weltwoche Propaganda betreiben zu können, würden wir uns freuen, wenn Sie ihn auf die Themen Menschenrechte und Meinungsfreiheit in Tibet ansprechen könnten und er dazu Stellung nimmt.

Vielen Dank und freundliche Grüsse
Dekyi Santamaria, Präsidentin TFOS

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Wolf Altorfer reagiert mit Wort und Bild:

An die Redaktion der Weltwoche

Sehr geehrter Herr Koeppel

Auf Grund des Textes des chinesischen Botschafters vom 4.4.19, welcher sowohl die Geschichtsschreibung der zivilisierten Welt als auch die heutige Situation in Tibet in krasser Weise verzerrt und verleugnet, muss ich eine Gegendarstellung in Ihrem Blatt oder einen unzensierten Leserbrief verlangen. Sollten Sie diesem Anliegen nicht nachkommen, werde ich mich mit einer Klage an den Presserat wegen Falschinformation und Lügen wenden. Ich bitte Sie, mir innert 14 Tagen eine Antwort zukommen zu lassen. Dass dies nicht nur die Meinung des chinesischen Botschafters widerspiegelt, zeigt sich daran, dass Sie bereits weitere «Propagandabotschaften» angekündigt haben.Es ist beschämend, dass sich ein Blatt, welches so fest den Patriotismus hochjubelt, ausgerechnet Falschinformationen eines Landes zulässt, welches alles daran setzt, die halbe Welt auszuspionieren und aufzukaufen. Passen Sie auf, dass Sie nicht selbst am Schluss derjenige sind, welche wie im untenstehenden Bild auf die eigenen Leute schiessen muss!

Wolf Altorfer dipl. Arch. ETH

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Brigitte Staub reagiert:

Guten Tag Herr Köppel

Machen Sie sich nicht zum verlängerten Arm der chinesischen Propaganda!!!

Fassungslos und empört müssen wir zur Kenntnis nehmen, wie sich die Weltwoche zum Sprachrohr der chinesischen Regierung macht. Dass in guten demokratischen Gepflogenheiten auch China eine Stimme in unserer freien Presse gegeben wird, begrüssen wir. Haben Sie vergessen, dass China als totalitärer Staat ohne freie Presse dieses Prinzip permanent ignoriert? Der Artikel von Geng Wenbing über Tibet strotzt von Schönfärberei und Unwahrheiten, die wir nicht ohne weiteres hinnehmen können.

Wiederholt haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass Land und Bewohner nicht nur in Tibet unter schwersten Menschenrechtsverletzungen leiden.

Geng Wenbing sagt schlicht die Unwahrheit, wenn er behauptet, die tibetische Kultur, Sprache und Religion stehen unter besonderem Schutz. In allen Bildungseinrichtungen wird die tibetische Sprache verdrängt. Es wird Kindern verboten, an informell organisiertem Unterricht in tibetischer Kultur und Sprache in lokalen Klöstern teilzunehmen.

Seinen Artikel ziert ein Foto der Klosterstadt Larung Gar, die über die letzten zwei Jahre von einer beispiellosen, von der chinesischen Regierung angeordneten Zerstörungsaktion betroffen war. Alle tibetischen Klöster werden derzeit unter weltliche Verwaltung mit ausgewählten Kadern gestellt, die streng darauf achten, dass sich Mönche und Nonnen nur noch «patriotisch» benehmen. In den Jahren seit 2008 wurden sie zur «patriotischen Umerziehung» gezwungen, in der sie sich vom Dalai Lama lossagen und ihn denunzieren müssen.

Auch das weltliche Leben wird ebenso rigoros kontrolliert. Seit Oktober 2011 hat die chinesische Regierung Zehntausende von Parteikadern und Regierungsbeamten bis in kleinste tibetische Landgemeinden entsandt, damit sie dort das geringste Zeichen von Dissens oder Kritik im Keim ersticken. Ende letzten Jahres wurden in mehreren tibetischen Regionen Programme aufgelegt, die Denunziation von Dissidenten, sogenannten «Kräften der Unterwelt», fördern und belohnen.

Angesichts der brutalen Realität in Tibet wirkt dieser Artikel wie blanker Hohn.

Sehr geehrter Herr Köppel – Pressefreiheit ja, aber keine Propaganda eines totalitären Staates!

Brigitte Staub

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Tony Ryf schreibt mehrmals an R. Köppel – mit Antworten eines Unbelehrbaren …

Von Tony Ryf:

Sehr geehrter Herr Köppel

Als regelmässiger Weltwoche-Leser war ich schockiert, ja brüskiert über den Bericht «Autonomie und Wohlstand» von Geng Wenbing. Ich glaube, ich habe noch nie einen so verlogenen und falschen Artikel in meinem Leben, und ich werde dieses Jahr 55 Jahre alt, gelesen. Eine Unwahrheit reiht sich an die andere. Nur ein paar Anmerkungen zur Realität in Tibet:

  • Seit dem Aufstand von 1959 wurden ca 1 Million Tibeter getötet.
  • Die tibetische Sprache darf nicht mehr in Tibet unterrichtet werden.
  • Tashi Wangchuk wurde gefoltert und bestraft als er sich für die tibetische Sprache einsetzte.
  • Es leben mittlerweile fast 3 Millionen Han Chinesen in Tibet. Die Tibeter werden Fremde im eigenen Land.
  • Es hat in Tibet 154 Selbstverbrennungen gegeben, alles verzweifelte Tibeter, die auf sich aufmerksam machen wollen.
  • Kein Tibeter darf ein Bild S.H dem 14. Dalai Lama in Tibet auf sich tragen sonst wird er verhaftet.
  • Das Bild von Larung Gar ist ein Hohn. China zerstört bewusst Larung Gar und hat die Anzahl der Bewohner halbiert (hier der Bericht von BBC: https://www.bbc.com/news/world-asia-china-368638889
  • Wir haben 8000 Tibeter in der Schweiz, alle geflüchtet vom «schönen chinesischen Tibet»?

Nun frage ich mich: Ist die Weltwoche-Redaktion, die Schweiz, Europa und fast die ganze Welt so naiv, dass sie immer noch glauben, was China uns erzählt? Ist der einzige der dies realisiert Donald Trump, und ich bin weiss Gott kein Fan von Ihm?

Die Chinesen führen uns nach Strich und Faden vor, kaufen sich Firmen in der westlichen Welt und bauen sich die neue Seidenstrasse mitsamt den Häfen. Wie auch Sie wissen, hat China den Hafen in Sri Lanka für die nächsten hundert Jahre aufgekauft und bringt auch gleich noch die Arbeiter mit, so wie sie es überall tun. Und mit dem Hafen Genua wird es ähnlich verlaufen.

Und nicht zu guter Letzt überschwemmen Aliexpress und andere chinesischen Online-Shops den Markt. Bestellen Sie mal was für $150 und lassen Sie es sich in die Schweiz liefern. Sie erhalten dann ca. 5 Pakete, jedes falsch deklariert, damit sie weder Mehrwertsteuer noch Zollgebühren bezahlen. Und das Porto? Genau SFr 1.50, die Chinesen sind ja Entwicklungsland und die Schweizer Post subventioniert dies noch.

Und was dürfen wir in China?

  • Es ist nicht erlaubt die Mehrheit einer Firma zu besitzen
  • Freies Reisen in Tibet ist verboten
  • Tibet ist sehr oft nicht zugänglich für Touristen
  • Falls es dann doch mal erlaubt ist, werden sie begleitet
  • Das Internet ist zensuriert
  • Pressefreiheit gibt es nicht
  • Es herrscht keine Meinungsfreiheit
  • Sie werden überwacht

Aber Sie, Herr Köppel, lassen es zu, dass der chinesische Botschafter Geng Wenbing Propaganda für China macht. Sind Sie auch naiv?

Pressefreiheit ja, aber wenn ich in der Weltwoche einen Bericht lese, gehe ich davon aus, dass die Sache stimmt, Meinungen können immer verschieden sein, aber Facts sind Facts.

Und in dieser Propaganda ist alles falsch was falsch sein kann.

Ich bin fast sicher, dass der nächste Bericht von Herrn Botschafter Wenbing über die Uiguren ist. Da sind doch 1 Million in einem von China bezahlten «Ferienlager» damit sie «es schön haben», oder Herr Botschafter?

Beste Grüsse von einem sehr enttäuschten Leser

Tony Ryf

Von Roger Köppel:

Sehr geehrter Herr Ryf 

Grosses Bedauern, das tut mir sehr leid. Ich kann nur betonen, dass ich hier als neutraler Schweizer gehandelt habe. Audiatur et altera pars. Ich habe keine Aktien in China, ich habe keine Sympathie für Maos Regime oder für den Kommunismus, aber finde es legitim, dass wir einem Staat, mit dessen Firmen unsere Wirtschaft grossen Handel treibt, auch die Möglichkeit geben, seine Sicht darzulegen. Was einen ja nicht daran hindert, die wie bisher in der Weltwoche ausschliesslich vertretene kritische Sicht zu publizieren. Aber ich kann nicht eine Haltung einnehmen, die in China gleichsam einen Verbrecherstaat erblickt, dessen Ansichten gleichsam unterdrückt werden müssen. Im Gegenteil: Ich möchte einen Beitrag zur besseren Verständigung unterschiedlicher Völker bieten. Wählen müssen Sie mich auf keinen Fall, aber es wäre so schade, Sie als Leserinnen und Leser zu verlieren. 

Mit herzlichen Grüssen und meinen besten Wünschen für Ostern 
Ihr Roger Köppel 

Von Tony Ryf:

Sehr geehrter Herr Köppel

Besten Dank für Ihre prompte Antwort. Die chinesische Sicht der Dinge wird ja von China mit Milliarden unterstützt, und das wissen Sie bestimmt besser als ich. Ein ausführlicher Bericht dazu wurde ja kürzlich von der NZZ publiziert: https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/china-investiert-in-die-staatlichen-medien-um-die-liebe-der-welt-zu-gewinnen-ld.1432206. Die kritische Sicht gegenüber China sehe ich aber nicht in der Presse.

Dafür sehe ich grosse Artikel, Fernsehberichte und Radiosendungen über die neue Seidenstrasse. Deshalb wäre meines Erachtens die “andere” Sicht nicht die des chinesischen Botschafters gewesen, sondern die Sicht von Betroffenen. Sie erwähnen, dass Sie sich das Geschriebene nicht zu eigen machen. Im Gegenteil…  Weltwoche-Leser, die sich in der Sache nicht auskennen, glauben aber an das Gedruckte. In diesem Fall ist das Gedruckte völlig gelogen.  Guter Journalismus heisst für mich, zu recherchieren und der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. In diesem Falle wäre es doch auch vertretbar gewesen, wenn eine fachkundige Person zu diesem Thema einen ebensolangen Bericht geschrieben hätte.  

Und bitte lesen Sie auch diesen Bericht von Reuters (und bitte bis zum Ende). Hier sehen Sie, zu was China fähig ist (Ich habe dies selbst in Hamburg mitverfolgt) https://www.reuters.com/investigates/special-report/china-dalailama/ 
Und Sie sind immer noch der Meinung, dass es nötig ist die chinesische Propaganda in der Weltwoche zu publizieren? Bitte überdenken Sie sich das gründlich. 

Beste Grüsse
Tony Ryf    

Von Roger Köppel:

Sehr geehrter Herr Ryf  

Ich danke Ihnen sehr! Bitte verzeihen Sie die von uns verursachte Enttäuschung. Das war gewiss nicht die Absicht. Um gleich ins Zentrum zu kommen: Ich finde es berechtigt, die chinesische Sicht zu Wort kommen zu lassen. Aus den Gründen, die ich in Intern letzte Woche geschrieben habe. Die kritische Sicht von aussen ist in den Medien sehr präsent. Der Standpunkt Pekings kommt zu wenig. Wir machen uns das ja nicht zu eigen deswegen. Im Gegenteil.  Es werden auch andere Sichtweisen kommen, aber eben nicht nur die, sondern auch die andere Sicht, eben die Pekings, möge gehört werden. Für mich ist das Weltwoche. Die andere Sicht. Nun hoffe ich aber, dass wir Sie dadurch nicht zu sehr verärgert haben. Das wäre gar nicht gut und sicher nicht erwünscht. Bitte bleiben Sie uns als wohlwollender und kritischer Abonnent erhalten!

Sehr herzlich  Roger Köppel 

Von Tony Ryf:

Sehr geehrter Herr Köppel

Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie 4 Leser und 4 Wähler verloren haben. Wenn ich und meine Familie eine andere Sicht lesen möchten, dann lese ich in diesem Fall lieber ein Märchen. Dieser Beitrag hat mit seriöser Berichterstattung nichts zu tun.

Beste Grüsse
Tony Ryf   

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Katrin Zigerlis Antwort auf unseren Newsletter

Ich bin auch zutiefst erschrocken über die falsche Darstellung des chinesischen Botschafters vor kurzem in der Zeitung «Weltwoche». Gleichzeitig hat mich die Rede von Kelsang Gyaltsen berührt und ermutigt. Es wäre schön, wenn eine Zusammenfassung dieser Rede in vielen Schweizer Zeitungen erscheinen würde. Ich hoffe, die Redaktionen nehmen diese Beiträge an!
Wir sind hier in der Region Bern auf privater Basis und für Einzelpersonen aktiv, in einem für uns möglichen kleinen Rahmen und wir bleiben dran.

Herzlichen Dank für Ihre Arbeit und liebe Grüsse
Katrin Zigerli

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Pfarrer Roland Wuillemin reagiert:

Ich bin konsterniert, dass die Weltwoche einem Vertreter eines kommunistischen Regimes eine solche Plattform bietet. Die Verharmlosung kommunistischer Verbrechen hat eine gewisse Tradition – vor allem bei Linksextremisten. Dass die Weltwoche hier mitmacht, finde ich höchst erstaunlich. Ja, die chinesische Zentralregierung hat dem tibetischen Volk eine „spezielle Fürsorge“ angedeihen lassen, wie der Herr Botschafter schreibt. Diese „spezielle Fürsorge“ hat über 100‘000 Tibetern das Leben gekostet! Will die Weltwoche wirklich eine ganze Serie solcher Unsäglichkeiten abdrucken? Als nächsten kommt dann vielleicht Nordkorea zu Wort: Dass dort Menschen hungern ist dann wohl eine böswillige Unterstellung des Westens. In Wahrheit sorgt der väterliche Herrscher nur dafür, die seine lieben Untertanen nicht übergewichtig werden.

Roland Wuillemin, Pfarrer Dr. theol
Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Zürich

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  1. Schoch Astrid

    Es ist unglaublich, wie oberflächlich, uninformiert heute im Jounalismus gearbeitet wird! Wer hätte das noch vor wenigen Jahren gedacht – gerade von einem Medium, wie der Weltwoche. Sich „vor den Karren spannen lassen“ und „propagandistische Halbwahrheiten verbreiten“ war das, was die Journalisten den Public Relations-Beratern vorwarfen. Nun, heute ist die Weltwoche offenbar nicht mehr weit vom journalistischen Niveau von Blättern, wie dem Blick u 20-Minuten entfernt! Schade, bedenklich unglaublich unwürdig!!… Astrid Schoch u.a. eidg dipl Public Relations-Beraterin

  2. Bruno Gyger

    Ein rechtsgerichteter Politiker biedert sich mit Kommunisten an. Sehr speziell!!

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