Studie: China trägt Schuld an historischer Dürre entlang des Mekong
Das ist passiert: Lange hatte man es befürchtet, nun liefert eine neue Studie der US-Beratungsfirma Eyes on Earth den Beweis: Die in den vergangenen Jahrzehnten errichteten Staudämme im chinesischen Teil des Mekong-Flusses halten das Wasser zurück, das in den südostasiatischen Staaten so lebensnotwendig ist.
Darum ist es wichtig: China – genauer gesagt das tibetische Hochplateau – ist der Ursprung der grossen Flüsse Asiens und damit das Wasserschloss der Region. Der Ganges, der Brahmaputra oder der Mekong sind für die Menschen in Indien, Vietnam, Laos, Kambodscha oder Thailand zentrale Lebensadern und gerade für die Land- und Fischereiwirtschaft überlebenswichtig.
Doch die Dürreperioden nehmen seit Jahren kräftig zu. Im vergangenen Jahr vermeldeten die Mekong-Messstationen in Nordthailand Rekord-Niedrigstände. Erst war der Regen während der Monsunzeit wegen des Wetterphänomens El Niño ausgeblieben, dann auch das Wasser aus dem Norden. Viele Medien sprachen von der schlimmsten Dürre in der Geschichte der Region. Der 4350 km lange Mekong versorgt bis zu 60 Mio. Menschen mit Wasser und Nahrung.
Schuld an der Misere trägt auch China, das in den vergangenen 70 Jahren im ganzen Land mehr als 87 000 Staudämme gebaut hat. In den nuller Jahren begannen Pekings Ingenieure auch, den in China als Lancang bekannten Mekong für die Stromproduktion zu erschliessen. Heute zieren 11 Mega-Staudämme den oberen Lauf des Flusses.
Peking weist die Vorwürfe zurück. Noch im Februar reiste der chinesische Aussenminister Wang Yi in die Region und bekräftigte, auch China leide wegen ausbleibenden Regens unter der Dürre. Man bemühe sich trotz der eigenen misslichen Lage, die südlichen Nachbarn mit Wasser zu versorgen.
Die Satellitenbilder von Eyes on Earth zeigen nun, dass Südwestchina zwischen Mai und Oktober 2019 überdurchschnittlich viel Niederschlag bekam. Hätte China also das Wasser nicht zurückgehalten, hätte es im Süden keine Dürre gegeben, so die Logik. «Die Satellitenbilder lügen nicht», sagt Alan Basist, Co-Autor der Studie. Im Plateau habe es genügend Wasser gegeben.
Ja, aber: In einer Reaktion auf die Studie weist die Mekong River Commission, eine Organisation der Mekong-Anrainerstaaten in Südostasien, jedoch darauf hin, dass diese Daten nicht mit den Beobachtungen vor Ort übereinstimmten. Gerade für den unteren Lauf des Flusses seien Zuflüsse sowie der Niederschlag wesentlich wichtiger als das Wasser aus China. Insofern sei somit höchstwahrscheinlich der ausgebliebene Niederschlag für die Dürre verantwortlich, so die Kommission.
Das meinen wir: Das Wasserschloss Tibet ist für China von grosser strategischer Bedeutung. Peking hat mit den Mekong-Staudämmen Fakten geschaffen und besitzt mit Blick auf die Nachbarn in Südostasien ein wirksames Druckmittel. Für Chinas Industrie und Landwirtschaft ist die Wasserversorgung von zentraler Bedeutung. Darum will China Reserven aufbauen, die Gletscher im Himalaja schmelzen schliesslich.
Doch gleichzeitig rühmen Pekings Politiker ihr Land als verantwortungsvollen Akteur, man strebe überall «Win-win»-Lösungen an, heisst es allenthalben. Nach den Vorstellungen der chinesischen Regierung sind die bestehenden internationalen Organisationen dazu ungeeignet. Die 2016 von China ins Leben gerufene Lancang-Mekong Cooperation (LMC) mit den Mekong-Anrainern wird in den Augen von Kritikern als Versuch gewertet, die lange Zeit tonangebende Mekong River Commission auszuhebeln.
Seinen zunehmenden Einfluss in den südostasiatischen Nachbarstaaten erkauft sich China auch mit der Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Doch stimmen die Anschuldigungen in der neuen Studie, muss sich Peking einmal mehr den Vorwurf gefallen lassen, seinen schönen Worten keine Taten folgen zu lassen. Wichtig wäre jetzt wie bei Covid-19: Transparenz und Zusammenarbeit.
Lesen Sie den original Beitrag von Michael Settelen und Martin Kölling hier (erschienen in der NZZ am 28.04.2020)
Foto: Phoonsab Thevongsa / Reuters (aus NZZ Originalbericht). Bildunterschrift: Dürre am Mekong: ein eigentlich schwimmendes Restaurant ausserhalb der laotischen Hauptstadt Vientiane im Januar 2020