Allgemein Focus

Schweizer «Gwerbler» im Reich der Mitte

NZZ am Sonntag, 20.12.2020
Der Schweizerische Gewerbeverband ist eng vernetzt mit China. Es geht um Geschäfte – aber auch um Propaganda der Kommunistischen Partei

Lukas Häuptli

Der Schweizerische Gewerbeverband gilt als Hort des Bewährten und der Bewahrer: Seine Geschichte reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, und zum grössten Wirtschaftsdachverband des Landes ist er in stetigen Schritten gewachsen: Heute vertritt er fast 500 000 kleine und mittlere Unternehmen. Dazu passt, dass an seiner Spitze auffallend oft bürgerliche bis rechtsbürgerliche Politiker standen: Heute ist es CVP-Nationalrat Fabio Regazzi, davor waren es SVP-Nationalrat Jean-François Rime (2012 bis im letzten Herbst) und Bruno Zuppiger (2010 bis 2011).

Was vor diesem konservativen, ja nationalkonservativen Hintergrund erstaunt – und was in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Der Schweizerische Gewerbeverband, sein Präsidium und sein Direktorium pflegen seit Jahren enge Beziehungen zu China und seinem Regime.

Bereits der ehemalige (und mittlerweile verstorbene) Verbandspräsident Bruno Zuppiger war Besitzer einer Beratungsfirma namens Swiss China Management Group und stand der Parlamentarischen Gruppe Schweiz – China vor, einer Interessengruppierung von National- und Ständeräten.

Der heutige Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler wiederum ist Präsident der Swiss China Investment Platform Association und wird im Internet als COO des Swiss China Center Zurich aufgeführt. 2015 war er ­zusammen mit Jean-François Rime nach Peking gereist und dort von hochrangigen Vertretern der chinesischen Wirtschaft und des chinesischen Regimes empfangen worden. 2017 schliesslich sass Bigler mit am Bankett, als Quan Zhezhu, ein Mitglied des innersten Zirkels von Chinas Kommunistischer Partei, in Bern zu Gast war. Bigler fand nur lobende Worte für ihn und sein Land.

Chinesischer Spin-Doctor

Eigentlicher Spin-Doctor der Verflechtung zwischen höchsten «Gewerblern» der Schweiz und Exponenten der Kommunistischen Partei Chinas ist ein Mann, den in der Öffentlichkeit kaum ­jemand kennt: Er heisst Yuming Yang, stammt aus China und lebt in der Westschweiz. Sein Einfluss ist bemerkenswert: Mal soll er das Sekretariat der Parlamentarischen Gruppe Schweiz – China ­geführt haben, mal war er offizieller China-Delegierter des ­Gewerbeverbands, mal organisierte er Reisen nach China. Und heute sitzt er zusammen mit Bigler im Vorstand der China Investment Platform Association.

Selbstverständlich haftet der Förderung wirtschaftlicher Beziehungen – auch derjenigen zu China – nichts Ehrenrühriges an. Aber: Yuming Yang hat eine auffallende Nähe zum autoritären chinesischen Regime. Auf diese Nähe verweist der Basler Universitätsprofessor Ralph Weber in einer am Freitag erschienenen Studie. Diese ist auf der Internetseite des Wissenschaftsprojekts «Sinopsis» abrufbar und trägt den Titel: «Einheitliche Botschaft, rhizomatische Übermittlung: Eine Analyse des Einflusses des chinesischen Parteistaats und der Einheitsfront in der Schweiz». Die Einheitsfront ist eine Art Propaganda-Einrichtung Chinas.

In der Studie ist beschrieben, wie Yuming Yang 2015 zum Vizepräsidenten der Federation of Overseas Chinese Associations in Switzerland (Focas) gewählt worden war. «Die Focas ist letztlich ein Instrument der chinesischen Einheitsfront», sagt Ralph Weber. Es sei kein Zufall, dass sie gerade damals gegründet worden sei. «Genau zu dieser Zeit verstärkte Chinas Staatschef Xi Jinping die Mittel und Massnahmen der Einheitsfront.»

Ziel: Vereinnahmung

Was aber ist das Ziel von China, seiner Propaganda und seiner Einflussnahme in der Schweiz? «Die Kommunistische Partei will wichtige Entscheidungsträger in der Schweiz für sich vereinnahmen und sie zu Propagandazwecken einspannen», erklärt Weber. «Die Entscheidungsträger sollen dann Ideologie und Aktivitäten des offiziellen Chinas verteidigen – oder diese zumindest nicht grundsätzlich kritisieren.»

Auf diese Weise wolle der chinesische Staat das Bild über sich im Westen ändern, sagt er weiter. «Entstehen soll ein Bild der Normalität, das die ideologischen Differenzen zwischen der Schweiz und China überdeckt.» Zu diesem Bild gehöre beispielsweise, dass es nur ein China gebe und dass Taiwan zu ebendiesem einen China zähle. «Dazu gehören aber auch die Armutsbekämpfung oder die Covid-19-Eindämmung in China, die einzig auf die Leistung der Partei zurückzuführen seien.»

Der Gewerbeverband will von dieser Propaganda und Einflussnahme nichts wissen. «Es ist nicht an uns, zu beurteilen, wie China oder chinesische Organisationen die Kooperation einschätzen oder in ihrer Kommunikation einsetzen, genauso wie es nicht Sache unserer Partner ist, unsere Kommunikation einzuschätzen», sagt Henrique Schneider, Vize-Direktor des Gewerbeverbands. «Solange die Schweizerische Eidgenossenschaft den zweitgrössten Handelspartner als strategischen Partner behandelt, ist China auch für den grössten Dachverband der Schweizer Wirtschaft ein Partner.»

Fest steht allerdings, dass sich Exponenten des Schweizerischen Gewerbeverbands immer wieder für das offizielle China einsetzen und etwa dessen Ein-Staat-Politik verteidigen. So weibelte im letzten Herbst der damalige Verbandspräsident und SVP-Nationalrat Jean-François Rime dafür, dass seine Fraktion einen Vorstoss von FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann für engere Beziehungen zwischen der Schweiz und Taiwan ablehne. Zur Erinnerung: China setzt alles daran, dass Taiwan nicht als eigenständiger Staat anerkannt wird.

Aus dem NZZ-E-Paper vom 20.12.2020

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