Focus Tibet

Tibeter müssen einander ausspionieren

Am 1. Januar 2021 traten die «Regeln über Sicherheits-Gegenspionage in der Autonomen Region Tibet» in Kraft. Diese nehmen diverse Regeln aus der VR China auf, sind aber spezifisch auf Tibet zugeschnitten, indem sie z.B. als Ziele für «Gegenspionage» auch «ethnischen Separatismus», «ethnische Streitigkeiten» und «Gebrauch der Religion zur Gefährdung der nationalen Sicherheit» nennen.

Das Dokument mit seinen 32 Bestimmungen verpflichtet jeden Tibeter und jede Tibeterin dazu, proaktiv «Gegenspionage» hinsichtlich aller Tatbestände durchzuführen und Erkenntnisse den Sicherheitsbehörden prompt zu melden. Der Druck auf alle Betroffenen wird noch durch die Hinzunahme von Überwachungstechnologien wie Kameras und Gesichtserkennungs-Software intensiviert. Wenn Auffälligkeiten nicht sofort berichtet werden, kommen auch die Überwacher wegen Unterlassung von Berichten in den Verdacht der «Spionage» und könnten verhört werden.

Problematisch wird es für alle Betroffenen, die bereits ein Dossier über «schlechtes Verhalten» haben. Wenn sie aus der Haft entlassen werden, müssen sie sich verpflichten ihre Nachbarn, Verwandten und Freunde auszuspionieren, ansonsten könnten sie wiederum verhaftet werden. Da diese Verpflichtung den anderen bekannt ist, werden solche Betroffenen häufig sozial isoliert.

Mehrere Artikel der Regeln fordern zu intensiver Erziehung zu «Gegenspionage» auf. Schon Schulkinder müssen darin ausgebildet werden. Print- und elektronische Massenmedien werden verpflichtet, mit Annoncen, Videos und anderen Propaganda-Materialien dementsprechend an die Leserschaft zu treten. Die Dorf-Komitees werden ebenfalls verpflichtet, alle Bewohner entsprechend zu instruieren.

Ein chinesischer Dissident, Wang Tiancheng, der früher an der Juristischen Fakultät der Universität Beijing lehrte, weist auf die Implikationen dieser Regeln hin. Sicherheitsbehörden sind vollkommen frei darin, jegliche Aktivitäten mit allen Mitteln zu untersuchen, wie Abhöraktionen, willkürliche Anklagen und Verhaftungen, und unterliegen darin keiner legalen Kontrolle. «Spionage» ist nicht näher als Zweck und Ziel der «Gegenspionage» definiert, so dass Sicherheitsbehörden ihre Ziele willkürlich auswählen können. Es ist hinlänglich bekannt, dass Aktivitäten zur Wahrung der Menschenrechte und Demokratie als «Gefährdung der nationalen Sicherheit» ausgelegt werden, so dass alle, sowohl Tibeter als auch Ausländer, dafür belangt werden können.

International Campaign for Tibet, 15. März 2021 // Dr. Uwe Meya

Foto: Screenshot Regierung der VR China (www.gov.cn)

Please follow and like us:
  1. Regula Schütz

    Diese neuen Regeln sind einfach nur zu verabscheuen und machen mich tief betroffen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert