Im Juli erliess das chinesische Erziehungsministerium einen Erlass, dass nach den Sommerferien zum 1. September der Unterricht in allen Kindergärten in Mandarin zu erfolgen hat. Dieser Erlass gilt für alle Kindergärten in ländlichen Regionen und solchen mit «ethnischen Minderheiten», betrifft also nicht nur tibetische Regionen. Damit soll ein «starkes Fundament für die Standardsprache» im frühen Lebensalter gelegt und ein «starkes Bewusstsein der Gemeinschaft für die chinesische Nation» erzeugt werden.
Der Plan, der auch Teil des 14. Fünfjahresplans von 2021 bis 2025 ist, führt ein Konzept von «Partnerschaft und Unterstützung» fort, das bereits in anderen Landesteilen in Kraft ist. Reiche chinesische Provinzen etablieren Partnerschaften mit Lehrern und Kindergärten in abgelegenen Regionen und solchen mit «ethnischen Minderheiten», was auch die Entsendung von Lehrkräften in diese Regionen beinhaltet.
Seit 2018 ist dieses Modell bereits als Pilotversuch für Kinder im Alter von 5 bis 6 Jahren in Sichuan etabliert. Die tibetischen Präfekturen Kardze und Ngaba machen etwa die Hälfte des Territoriums dieser Provinz aus. Allein in der Hauptstadt von Sichuan, Chengdu, leben geschätzt etwa 200’000 Tibeter. Laut Staatsmedien wurden in Sichuan 4’884 Zentren gemäss der Vorgabe «ein Kindergarten pro Dorf» etabliert, 16’000 Mandarin-Lehrer ausgebildet, und 278’800 Kinder aus «ethnischen Minderheiten» im Mandarin unterrichtet.
Nun soll der Schwerpunkt der Bemühungen für dieses Modell auf die frühere tibetische Provinz Amdo, heute chinesische Provinz Qinghai, gelegt werden.
Die Implementierung dieses Plans fällt zusammen mit kürzlich erfolgten Schulschliessungen oder Drohungen der Schliessung, sollte die Unterrichts- und Prüfungssprache nicht von Tibetisch auf Chinesisch geändert werden. Im August wurden mehrere Schüler in der Ortschaft Trotzik in Ngaba vorübergehend verhaftet, als sie in einer Petition den Erhalt der tibetischen Sprache im Unterricht forderten. Ebenfalls im August wurde die langjährige Lehrerin Rinchen Kyi in einer Schule in Darlag in der Präfektur Golog im Osten Tibets verhaftet und wegen «Anstiftung zu Separatismus» angeklagt, nachdem sie mit einem Hungerstreik gegen die Schliessung ihrer Schule protestierte. Mehr noch, die von der Schliessung betroffenen Kinder wurden auf diverse andere Schulen mit chinesischem Unterricht verstreut, und Waisenkinder ohne Registrierung eines Wohnsitzes oder Kinder aus sehr abgelegenen Dörfern finden überhaupt keine Aufnahme in Schulen. Ihre bisherige Registrierung in der geschlossenen Schule wird nicht als Wohnsitzregistrierung anerkannt.
Auch die Verhaftungen von 121 Personen in Dza Wonpo, die nach einer Razzia auf Bilder des Dalai Lama erfolgte, betraf mehrere Mitglieder einer Wohltätigkeitsstiftung, die tibetischen Sprach- und Schreibunterricht für erwachsene Analphabeten und Schülerinnen und Schüler in den Ferien durchführte.
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), 17. September 2021, Free Tibet Campaign, 21. September 2021 // Dr. Uwe Meya
Foto: Free Tibet Campaign