Focus Tibet

Alle privaten tibetischen Schulen im Bezirk Sershul wurden geschlossen

Auf Anordnung der Behörden in Sershul in der Präfektur Kardze im Osten Tibets wurden per 20. April alle privaten tibetischen Schulen geschlossen. Ab dann müssen die Schülerinnen und Schüler die offiziellen Schulen besuchen, in denen in chinesischer Sprache unterrichtet wird. Widerstand der Eltern werde nicht toleriert und mit Haft bedroht, teilten Informanten mit.

Die Anordnung betrifft Primarschulen in vorwiegend nomadisch besiedelten Gebieten. Sechs dieser Schulen sind namentlich bekannt; insgesamt gibt es nach Schätzungen etwa ein Dutzend über den Bezirk verstreute Schulen. Die betroffenen Eltern haben eine Petition eingereicht, in der sie die Bedeutung dieser Schulen für die tibetische Kultur und Identität betonen, aber ihr wird keine Chance auf Berücksichtigung eingeräumt.

In einem ausführlichen Bericht von TCHRD (https://tchrd.org/ch/sucked-our-marrow-tibetan-language-and-education-rights-under-xi-jinping/) wird das Beispiel einer Schule angeführt, deren Autonomie über mehrere Jahre bis zur kürzlichen Schliessung immer mehr eingeschränkt wurde. Die Schule mit etwa 130 Schülerinnen und Schülern operierte anfänglich vollkommen autonom. Sie war bekannt für sehr gute Noten besonders in Fächern für tibetische Sprache und Geschichte für die insgesamt etwa 500 Kinder, die danach weiterführende Schulen besuchten.

Die Schule verlor einen Teil ihrer Autonomie bereits 2013, als ein neuer Direktor und mehrere Lehrkräfte von den Behörden ernannt wurden. Vier Jahre später wurde der Lehrbetrieb nur noch bis Klasse 4 erlaubt, Lehrkräfte der Klassen 5 und 6 verloren ihre Arbeit, und die betroffenen Schülerinnen und Schüler mussten regierungsoffizielle Schulen besuchen. Bis 2020 hatte die Schule dennoch eine gewisse Autonomie, tibetische Kultur und Geschichte in ihrem Curriculum zu priorisieren und unterrichtete dazu chinesische und englische Sprache. Dann wurden die Lehrbücher gegen die landesweit offiziellen chinesischen Bücher ausgetauscht, die laut Betroffenen die chinesische Nation und Partei «glorifizieren».

Parallel zum Regelunterricht bot die Schule seit 2012 einen Extra-Unterricht während der Winterferien an, in denen die Kinder Lektionen in tibetischer Sprache, Kultur und Geschichte erhielten. Nahezu alle 200 Schülerinnen und Schüler im Bezirk Sershul hätten diesen freiwilligen Unterricht besucht. Mehr und mehr werden diese privaten Initiativen in Tibet verboten.

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), 18. Mai 2022 // Dr. Uwe Meya

Foto: TCHRD

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