Focus Tibet

Tibetische Kindergartenkinder werden in Internat-System gezwungen

Ein Bericht von Dr. Gyal Lo, veröffentlicht durch das Tibet Action Institute (https://tibetaction.net/2022/05/24/eyewitness-confirms-mandatory-boarding-preschools-operating-across-tibet/) enthüllt Details eines Systems, das tibetische Kinder im Kindergartenalter in ein Internats-System zwingt. Ein früherer Bericht vom Dezember 2021 hatte bereits gezeigt, dass etwa 800’000 tibetische Kinder im Alter von 6, in Einzelfällen ab 4 Jahren, und bis zum Alter von 18 Jahren in Internaten leben müssen. Das sind 78 % der tibetischen Schülerinnen und Schüler [vergl. Tibet-Information vom 16. Dezember 2021; UM].

Neu ist nach Recherchen, die Gyal Lo vor seiner Flucht nach Kanada im letzten Jahr in Tibet durchführte, die Betroffenheit von kleinen Kindern im Alter von 4 bis 6 Jahren. In etwa 50 Internaten in allen Regionen Tibets sollen wenigstens 100’000 der Kinder interniert sein. Offizielle Angaben über diese Institutionen gibt es nicht.

Die Kinder verbringen 5 Tage pro Woche in diesen Internaten und dürfen über das Wochenende zu ihren Eltern heimreisen. Während der Zeit des Unterrichts werden die Kinder in chinesischer Sprache unterrichtet und offenbar systematisch zur Annahme einer chinesischen Identität indoktriniert. Der Bericht zeigt dafür mehrere Beispiele.

In einer Unterrichtseinheit werden die Kinder angehalten, ihre Augen zu schliessen, sich ein chinesisches Kulturobjekt vorzustellen, und wie sie es gebrauchen würden. In Aufführungen werden die Kinder in chinesische Armeeuniformen gekleidet und sollen Szenen aus dem Bürgerkrieg im letzten Jahrhundert darstellen. In Lehrbüchern sind Bilder von radikalisierten japanischen Soldaten mit Schwertern und Bajonetten zu sehen, die chinesische Zivilisten misshandeln, und wie die Rote Armee auf die Japaner feuert.

Der Unterricht führt nach Angaben von Eltern dazu, dass sich viele Kinder bei Wochenendbesuchen im Elternhaus zurückziehen und «wie Gäste» verhalten. Schon nach drei Monaten im Internat begännen sie, miteinander in chinesischer Sprache zu reden. Im Internat wären die Kinder anfangs nicht fähig gewesen, ihre Grundbedürfnisse in chinesischer Sprache auszudrücken, so dass Tibeterinnen eingestellt werden mussten, die ihnen beim Zähneputzen und Waschen helfen sollten. Später wurde diese Praxis wieder eingestellt, weil sich das chinesische Lehrpersonal darüber beschwerte, dass die Tibeterinnen mit den Kindern in tibetischer Sprache kommunizieren. In manchen dieser Internate waren noch Bilder von historischen tibetischen Figuren zu sehen. Die Behörden hätten diese Schulen gezwungen, die Bilder abzuhängen und gegen Bilder von kommunistischen Führern auszutauschen.

Ein Augenzeuge berichtete Gyal Lo, dass einige tibetische Eltern über weite Distanzen in die Nähe dieser Internate fahren und dort während der Woche im Auto übernachten, um ihren Kindern nahe zu sein.

Gyal Lo ist in Amdo im Osten Tibets geboren und absolvierte seine universitäre Ausbildung im Fachbereich für Kultur und Sprache an der Hochschule für Nationalitäten in Lanzhou. Dort lehrte er auch als Assistent ab 1985 für 10 Jahre. Später promovierte er in Erziehungs-Soziologie an der Universität Toronto. Nach seiner Rückkehr nach China lehrte er als Professor in Erziehungswissenschaften an der Universität von Yunnan. Seit seiner Flucht im letzten Jahr lebt er in Toronto.

Tibet Action Institute, 24. Mai 2022 // Dr. Uwe Meya

Gyal Lo (Foto: Tibet Action Institute)

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