Focus Tibet

Nach DNA-Proben nun auch Iris-Scanning: China weitet biometrische Totalerfassung aus

Nach dem Sammeln von DNA-Proben, die mittlerweile von etwa 69% der tibetischen Bevölkerung erhoben wurden, scheint die chinesische Polizei die biometrische Erfassung um Iris-Scans zu erweitern. Schon im Februar 2020 hatte das Online-Magazin Bitter Winter auf Iris-Scans aufmerksam gemacht, die von der Bevölkerung im Norden Tibets in der chinesischen Provinz Qinghai gesammelt werden. Die International Campaign for Tibet (ICT) schliesst nach weiteren Recherchen, dass zwischen März 2019 und Juli 2022 Scans von insgesamt etwa 1.2 bis 1.4 Millionen Einwohnern von Qinghai, darunter auch von Kindern, erhoben und in Datenbanken der Polizei gespeichert sind. Das macht etwa 21% bis 25% der 5.9 Millionen umfassenden Bevölkerung von Qinghai aus. Genau die Hälfte der Bevölkerung besteht aus Tibetern und Hui-Muslimen, die andere Hälfte aus Han-Chinesen.

Die Zahlen basieren auf einer Auswertung öffentlich zugänglicher Regierungsdokumente. Die Betroffenen hatten keine Möglichkeit, die Scans abzulesen, wie eine Mitteilung der Polizei an die Ortschaft Haidong im Bezirk Ledu zeigt: «Alle Dorfbewohner müssen vor Juni [2020] zur Polizeistation kommen, um Iris-Scans durchzuführen. Ansonsten werden wir Sie zur Verantwortung ziehen». Und weiter, Verweigerung der Scans mache es für sie in der Zukunft «schwierig, Tickets für Reisen zu kaufen oder Bargeld zu beziehen.»

Hintergrund: Iris-Scans

Iris-Scans werden mit einer Infrarot-Kamera durchgeführt, die 200 Merkmale der Iris (Regenbogenhaus des Auges) erfasst. Diese werden digitalisiert und zum Abruf in einer Datenbank gespeichert. Grenzwachen, Einwanderungsbehörden und auch das Militär haben schon lange Iris-Scans zur Identifikation von Personen verwendet. Auch werden diese teilweise zur Legitimierung im Zahlungsverkehr verwendet. Die Identifikation einzelner Personen wird umso treffsicherer, je mehr Individuen sich scannen und ihre Daten zum Abruf speichern lassen.

China hat Iris-Scans seit etwa 2015 verwendet, zunächst zur Auffindung vermisster Kinder. Seit 2017 werden massenhaft Iris-Scans in Ost-Turkestan (chin. Xinjiang) durchgeführt, zusammen mit DNA-Proben, Fingerabdrücken und Gesichts-Scans und in einer Datenbank in der Hauptstadt Urumqi gespeichert. Laut lokalen Polizeibehörden dienen die Daten zur Identifikation von «Zielpersonen». Diese sind unter anderem solche, die “Separatismus, Terrorismus, Extremismus oder andere Gefahren für die soziale Stabilität» fördern.

Bitter Winter, 25. Februar 2020 // International Campaign for Tibet, 17. Dezember 2022 // Dr. Uwe Meya

Fotos: Bitter Winter

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