Focus Tibet

Weitere Schritte zur «Sinisierung» Tibets

Eine Vielzahl von kleineren Meldungen zeigt – in ihrer Gesamtheit betrachtet – wie von Regierung und Partei subtil, schrittweise und umfassend die «Sinisierung» Tibets vorangetrieben wird.

  • Mitte September führte die United Front (eine Unterabteilung der Kommunistischen Partei, die sich mit nicht-kommunistischen Vereinigungen und Individuen befasst) zwei Tagungen in Tibet durch, um die «thematische Erziehung» zum «Formen eines Bewusstseins der chinesischen Nation» voranzutreiben. Ziel sei das Verbreiten der «Xi-Jinping-Gedanken» für einen «Sozialismus mit chinesischen Charakteristika in einer neuen Ära». Das gleiche Thema wurde auf einer Zusammenkunft der Kommunistischen Partei am 22. September angesprochen, wo der lokale Parteivorsitzende Wang Jungzheng ebenfalls die «neue Ära», die «Langzeit-Stabilität» und das Gewinnen von jungen «Talenten» zur Stärkung von Partei und Politik beschwor.
  • Im September beendete das Bildungsdepartement der Präfektur Kardze im Osten Tibets offiziell den tibetischen Sprachunterricht in allen Klassen ab Primarschule bis zu höheren Klassen der Sekundarschulen. Bereits im März war der dieser Unterricht schon in allen Mittelschulen beendet worden. Dieser Beschluss machte tibetisches Lehrpersonal, das nicht Mandarin beherrscht, grösstenteils arbeitslos; ein kleinerer Teil von ihnen wanderte in den benachbarten Bezirk Ngaba ab, andere sahen sich nach neuen Berufen um. Schülerinnen und Schüler, die dieses Jahr als letzte die Schule in tibetischer Sprache abschliessen, müssen für ihre Prüfungen schon nach Ngaba reisen.
  • Am 22. September besuchte Drubkhang Thubten Khedup, Vizepräsident der tibetischen Sektion der Buddhistischen Vereinigung, das im Hochland nördlich von Lhasa gelegene Nyainrong für «Erziehung und Progaganda in der Drei-Bewusstsein-Kampagne» [Bewusstsein für die Nation, als Bürger, und für die «Rechtsstaatlichkeit»; UM]. Die Kampange sollte für die dortigen Klöster das «nationale Bewusstsein» verstärken, sie zu «Patriotismus», zum «Folgen der politischen Vorgaben» und des «sozialistischen Pfades» für Tibets «Langzeit-Stabilität» anhalten.
  • Beim «3. Transhimalaya-Forum für Internationale Zusammenarbeit» vom 4.-6. Oktober in der osttibetischen Stadt Nyingchi, das von Delegationen aus mehreren Nachbarländern besucht wurde, verwendete der chinesische Aussenminister Wang Yi in seiner Eröffnungsrede nicht mehr den Begriff «Tibet», sondern sprach nur noch von «Xizang». Gleichwohl lautete der offizielle Titel der Veranstaltung noch «China Tibet Form». Die Kommunistische Partei hatte den Begriff «Tibet» schon vor mehreren Jahren aus ihrem Sprachgebrauch getilgt. Im August hatten sich auch Akademikerinnen und Akademiker bei einer Tagung dafür ausgesprochen, nur noch von «Xizang» zu reden, um «Missverständnissen» im Ausland vorzubeugen, die mit «Tibet» das historische Tibet vor der chinesischen Invasion verbinden.
  • Die Staatliche Kommission für Ethnische Angelegenheiten beschloss bei einer Sitzung am 9. Oktober die Etablierung von «speziellen Kursen in Literatur und Kunst» mit dem Ziel, «ein starkes Gefühl für die Gemeinschaft der chinesischen Nation, [und] den Aufbau einer gemeinsamen geistigen Heimat für die chinesische Nation» zu bilden.
  • Selbst entlegene Regionen im Hochland bleiben von Massnahmen nicht verschont. Ein Propagandateam organisierte Anfang Oktober im Dorf Choechok im Bezirk Nagchu eine Serie von Aktivitäten zur «Etablierung eines Modellbezirks für nationale Einheit und Fortschritt» und drängte die dortigen Hirten dazu, sich künftig in chinesischer Sprache zu verständigen. In Gertse veranstaltete ein Team eine Veranstaltung mit Rezitationen in klassischer chinesischer Literatur und einen Singwettbewerb, um sich «die hervorragende traditionelle Kultur» (von China) anzueignen und «den roten Geist» zu fördern.
  • Im tibetischen Hochland, in Gertse, ist ein weiterer Flughafen geplant, der in das nationale chinesische Liniennetz aufgenommen werden soll. Eine Delegation des Büros für Zivilluftfahrt und des Büros für Flughafenbau inspizierte Mitte September den vorgesehenen Ort. Gemäss dem Anfang 2023 verabschiedeten Entwicklungsplan 2021 – 2035 für die zivile Luftfahrt sind noch weitere Flughäfen für Tibet in Planung.

International Campaign for Tibet (ICT), News Roundup 4. und 17. Oktober 2023 // Dr. Uwe Meya

Foto: Third Pole Environment (TPE)

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