Die Analyse der DNA der uighurischen und tibetischen Bevölkerung war allein schon für den Gebrauch durch die Polizei kritisiert worden, da das massenhafte Speichern von Daten «auf Vorrat» ohne konkreten Fall erfolgte. Werden DNA-Tests für wissenschaftliche Publikationen verwendet, muss nach allgemeinen ethischen Massstäben die «Declaration of Helsinki» beachtet werden. Gemäss diesem weltweit anerkannten ethischen Standards für Forschung an Menschen müssen unter anderem die Freiwilligkeit der Probenabgabe, die umfassende Aufklärung der Betroffenen über den Verwendungszweck der von ihnen erhobenen Daten, das Recht auf Verweigerung der Entnahme, und die Aufklärung über die Datenspeicherung sichergestellt sein. Thermo Fisher beruft sich in ihren eigenen internen ethischen Richtlinien explizit auf die «Declaration of Helsinki».
Bereits 2019 hatten die renommierten Verlage «Nature» und «Wiley» Publikationen zurückgezogen, da erhebliche Zweifel bestanden, ob die geltenden ethischen Richtlinien eingehalten wurden. Im Juni 2023 wurden vom Verlagshaus «Elsevier» und vom Journal «Forensic Sciences Research FSR» (das vom chinesischen Justizministerium gesponsert wird) zwei weitere Publikationen zurückgezogen. Auch hier konnte nicht die Einhaltung der Prinzipien der «Declaration of Helsinki» belegt werden. Einer der Co-Autoren in beiden Publikationen hat Verbindungen zur Polizeihochschule von Xinjiang (Ost-Turkestan). Thermo Fisher hatte bereits 2019 die Verkäufe von DNA-Testmaterial nach Xinjiang eingestellt.
Die tibetische Bevölkerung zeigt eine genetische Variante, die als Adaptation auf die Höhenlage einen besseren Sauerstoff-Transport im Blut ermöglicht – was auf ein mögliches militärisches Interesse Chinas an DNA-Daten hindeuten könnte.
Nature News, 6. Dezember 2019
The Guardian, 29. Dezember 2023 // Dr. Uwe Meya