8.12. – GSTF-Adventskalender

8. Dezember 2024

8.12. Das Lebensrad

Das Lebensrad stellt die sechs Daseinsbereiche der bedingten Existenz dar.

Kurz zum Aufbau des Lebensrads: Die Interpretation des Rads beginnt im Zentrum mit den drei spirituellen Giften. Anschliessend folgt ein halb dunkler, halb weisser Kreis. Diese deuten den karmischen Auf- oder Abstieg an. Im dritten Kreis werden die sechs Welten und im äussersten Kreis die Lebensabschnitte dargestellt.

Auf der Darstellung wird das Lebensrad von Yama, dem Totengott, fest umschlungen. Das bedeutet, dass die Welt, in der wir leben, als Lebensrad dargestellt, uns immer wieder vor Herausforderungen stellt, an denen wir leiden oder wachsen können. Im tibetischen Buddhismus geht man davon aus, dass in jedem Buddha-Natur steckt und somit ein erhobenes Bewusstsein. Ein Bewusstsein darüber, dass jede Handlung, jeder Gedanke und jede Emotion darüber entscheiden, ob man tiefer in das Lebensrad hineinsinkt oder sich daraus erhebt.

Zu den Kreisen und ihrer Bedeutung

Im Zentrum, also in der Radnabe, sieht man die Ursache für den Fall in die Welt des Yama. Im tibetischen Buddhismus spricht man von drei Geistesgiften. Die Schlange symbolisiert Hass, der Hahn die Gier und das Schwein die Verblendung, welche uns immer tiefer in das Rad des Lebens (Samsara) verstricken.

Der Hahn in dir (Gier) wird im Lebensrad durch die Hungergeister dargestellt. Sie haben weite Bäuche, jedoch schmale Hälse und Münder. Symbolisch kann so ihre Gier nie gestillt werden. Es ist ein Leben mit unstillbarem Durst nach mehr. Der Hahn symbolisiert die Gier: Das Tier durchsucht einen kleinen Flecken Erde immer gierig nach Würmern und richtet selten den Blick nach oben. Der Gier liegt eine anhaftende Geisteshaltung zugrunde. So möchte man rasch den nächsten Kick oder ein Like. Letztendlich ist Gier auf eine Form des Mangels zurückzuführen.

Was hilft: Die vergängliche Natur jeder äusseren Befriedigung sich vor Augen führen. Mit Achtsamkeit können wir erkennen, dass viele Wünsche keine dauerhafte Befriedigung schaffen, sondern neue Wünsche. Und mit Bewusstsein sind wir in der Lage zu wählen, welchen Wunsch wir unmittelbar erfüllen wollen. Heilbar gegen die Gier kann sein: Nicht jedem Impuls nachgehen und die Wünsche auf etwas höheres richten, im Sinne von «was kann ich Gutes für andere tun». Dies schmälert die eigene Gier.

Die Schlange in dir stellt den Hass dar. Diese Welt wird als Hölle dargestellt. Eine Welt des Kampfes gegeneinander, der Ablehnung und des Hasses, angefüllt mit giftigen Emotionen. Das sind Lebensphasen, in welchen wir Gefangene unserer eigenen Ängste und Neidgefühle sind und damit anderen und uns selbst schaden. Hass wird durch eine ablehnende Geisteshaltung charakterisiert. Man denkt, man kann etwas loswerden, indem man das Objekt, das Abneigung erzeugt, loswird. Doch was, wenn ich das, was ich ablehne, gar nicht loswerden kann, z.B. meinen Nachbarn?

Was hilft: Akzeptanz, man kann Hasslosigkeit üben, indem man loslässt, sich in Mitgefühl übt und die Ursache des Hasses ergründet. Im Buddhismus nennt sich dies die analytische Meditation.

Das Schwein in dir steht für Verblendung. Die Welt der Tiere im Lebensrad ist ein Leben in Unbewusstheit. Ein Leben, das den Instinkten folgt, ohne nachzudenken oder zu hinterfragen. In den Lehren Buddhas wird die Verblendung «Moha» genannt und gilt als das Grundübel, aus dem auch Hass und Gier entstehen. Oft erkennen wir die Verblendung erst später. Die Ursache der Verblendung ist mangelndes Denken. In der östlichen Philosophie werden zwei Arten von Denken unterschieden: Das eine ist das automatische Denken, ähnlich wie ein Affe, hastig und unstetig, von einem Baum zum anderen springend. Das Denken kreist hauptsächlich um sich selbst. Das höhere Denken wird mit einem Elefanten in Verbindung gebracht: stabil, stark, ruhig und gelehrig. Dies Art zu Denken gilt es zu üben. Subtilere Formen der Unwissenheit zeigen sich durch Fanatismus, Verwirrung, Vorurteile oder Stumpfsinn. Es geht immer um die Welt der Meinungen; sich ein Urteil zu bilden, ohne tiefer darüber zu reflektieren.

Was hilft: Über das Gehörte nachdenken, die eigene Meinung und das Wissen überprüfen.

Im zweiten Kreis wird meist ein Mönch dargestellt, der auf der lichten Seite empor- und auf der dunklen Seite herabsteigt. Dies deutet auf die permanente Möglichkeit des Auf- und Abstiegs des Bewusstseins hin.

Die Darstellung der sechs Welten im dritten Kreis symbolisieren sechs Lebensphasen oder auch Daseinsbereiche, in denen wir ab und an leben und wiedergeboren werden, je nach unseren Taten (Karma). Es ist die Welt der Götter, Halbgötter, Menschen und Tiere sowie Hungergeister und der Hölle. Es gibt z.B. Phasen, in denen wir in der Welt der Götter leben, mit einem Gefühl des Glücks und alles passt. Es geht jedoch nicht lange und wir fühlen uns gestresst, streben nach mehr und befinden uns in der Welt der Halbgötter.

Im äussersten Kreis werden die 12 Nidānas dargestellt. Sie stellen die Verkettung des Leidens dar, den Prozess von Ursache und Wirkung.

Zusammenfassend und gemäss der buddhistischen Philosophie haben wir unser Schicksal selbst in der Hand. Wir entscheiden selbst, ob wir uns täglich tiefer in die Welt von Yama hineinziehen lassen. Jeder Gedanke, jede Handlung und Emotion prägen uns und die Welt. Das Ziel ist Bewusstsein als die Macht unserer eigenen Buddha-Natur, mit welcher wir unsere Zukunft gestalten können.

Quelle: Claude B.Levenson (2000). Symbole des Buddhismus. Der Tibetische Weg. Verlag: Bechtermünz.

Bild: Kathrin Fürst