«Archäologie der Grenzregionen»: China bemüht neue Argumente für Herrschaftsansprüche

5. Februar 2024

Um seinen Herrschaftsanspruch nicht nur über Tibet, sondern auch über Ost-Turkestan (chin. Xinjiang) und die Südmongolei – also Regionen, die «schon immer zu China gehörten – zu rechtfertigen, hat die Volkrepublik China schon seit Langem historische Argumente vorgebracht. Neu ist nun, dass sogar die Archäologie herangezogen wird.

Im Januar publizierte die Global Times, Sprachrohr der Kommunistischen Partei, einen Artikel mit dem Titel «Ein halbes Jahrzehnt Grenzarchäologie bringt bedeutende Entdeckungen hervor und offenbart eine vielfältige und doch geeinte chinesische Zivilisation».

Der Artikel beschreibt zwei archäologische Fundstätten in Tibet. Die eine liegt in der Präfektur Nagchu im Norden Tibets, die andere nahe Lhasa. Die gefundenen Artefakte sollen Beleg sein für eine menschliche Besiedlung bereits vor 30’000 bis 40’000 Jahren und auf eine frühe «Migration und Adaptation an die Höhenlage» sein. Offengelassen wird, von wo diese «Migration» erfolgte, aber der Kontext im Artikel suggeriert, dass es von China aus geschah.

Ähnliche Funde aus Ost-Turkestan (Xinjiang) und der Südmongolei, also weit ausserhalb der historischen Grenzen von China, sollen laut einem führenden Archäologen «lebendige Belege für Chinas Austausch mit anderen Kulturen» sein und die im chinesischen Kernland erhobenen Befunde ergänzen.

Der Bericht der Global Times rief indische Sorgen hervor, damit könne die Volksrepublik China auch territoriale Ansprüche auf die tibetisch geprägten Regionen im Norden von Indien anmelden. Die Times of India zitiert eine Studie aus Ladakh, die zeigt, dass die dortige Bevölkerung eine starke genetische Verwandtschaft mit der tibetischen und indischen Ethnie aufweist, aber keine mit China. Weiter werden archäologische Studien aus Ladakh und Zanskar angeführt. Die noch wenig erforschten Fundstätten aus der Bronzezeit sollen auf einen intensiven Austausch mit Indien hinweisen, während derjenige mit China minimal sei.

Firstpost, 27. Januar 2024 // Dr. Uwe Meya

Foto: Screenshot von Sichuan University