Behörden haben die Leiche von Drubtse, dem tibetischen Mönch, der sich in Kathmandu angezündet hatte, immer noch nicht herausgegeben

23. Februar 2013

Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org, 18. Februar 2013 –

Der Körper des tibetischen Mönches, der sich am 13. Februar in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, verbrannte, wurde den Vertretern der tibetischen Gemeinschaft immer noch nicht übergeben. Wie aus unseren Quellen verlautet, haben die unter dem Einfluss Chinas handelnden nepalesischen Behörden unnötige Hindernisse für die Übergabe geschaffen.

„Das ist ja genauso wie in dem von China besetzten Tibet, wo die chinesische Polizei die Körper von tibetischen Feueropfern mitnimmt und die Einäscherung dann irgendwo insgeheim durchführt“, sagte ein dort lebender Tibet-Aktivist, der seinen Namen nicht nennen kann.

Ein Augenzeuge berichtete dem TCHRD von dem Selbstverbrennungsprotest von Drubchen Tsering (Drubtse) am dritten Tag des Tibetischen Neujahres, dem 13. Februar, in Boudanath, Kathmandu, Nepal.

Der Augenzeuge, ein ausländischer Tourist, der wegen der heiklen Angelegenheit anonym bleiben möchte, traf Drubtse zufällig, Augenblicke ehe sich dieser zu seinem Feuerprotest gegen die chinesische Herrschaft in Tibet anschickte.

„Etwa um 8.15 morgens betraten wir ein Terrassen-Café in Boudhanath, wo wir frühstücken wollten, als uns ein junger Tibeter, so etwa zwischen 20 und 25 Jahren alt, ansprach. Er sprach dann über Tibet, was für ein wunderschönes Land das sei und dass er es so liebe“.

Der Tourist hatte natürlich keine Ahnung davon, dass Drubtse sich Augenblicke später anzünden würde. Er fuhr fort: „Er zog mich hinter eine Tür im Café, wo er ein Feuerzeug aus seiner Tasche holte und mich bat Bilder zu machen. Alles passierte so schnell, aber er war völlig ruhig. Dann ging er unverzüglich hinaus. Ich ging zurück zu der Terrasse des Cafés und bestellte mein Frühstück. Da hörte ich ein riesiges Getöse, Leute, die kreischten und wegrannten.“

Erstaunt über den Mut des jungen Mannes, der so entsetzliche Schmerzen aushalten kann, fuhr der Augenzeuge fort: „Er rannte nach rechts, von Flammen umtobt. Er schrie nicht einmal. Etwa drei Minuten lang lief er. Nun warfen die Leute ihre Jacken und Pullover auf ihn, um das Feuer zu ersticken“.

Tibetische Nachrichtenportale berichteten später, dass Drubtse seinen Körper mit Watte umwickelt und diese mit einem Metalldraht befestigt und sich dann mit Benzin übergossen habe.

Es dauerte nicht lange, bis die nepalesische Polizei zur Stelle des Feuerprotestes kam und Drubtse in ein Krankenhaus brachte, wo er bald seinen Brandverletzungen erlag.

Drubtse, 25, war ein Mönch, gebürtig aus dem Dorf Gyalchug in der Gemeinde Nupsur im Bezirk Serthar (chin. Seda) in der TAP Kardze (chin. Ganzi), Provinz Sichuan.

Drubtse wird von seiner Mutter Tselha und seinem Vater Sangnag Tenzin, einem reinkarnierten Lama, überlebt.

Drubtse floh erst kürzlich aus Tibet und traf im Januar dieses Jahres in Nepal ein, wo er in dem Tibetan Reception Centre in Kathmandu aufgenommen wurde.

„Früher einmal hatte er seinen Freunden und Verwandten erklärt, dass er bisher noch gar nichts für die Sache Tibets habe tun können, aber in Zukunft wirklich etwas Konstruktives für das tibetische Volk tun wolle“, zitiert das in Dharamsala ansässige Nachrichtenportal Tibet Express Quellen aus Tibet.

Die nepalesische Polizei hat indessen die Restriktionen in den von Tibetern bewohnten Stadtteilen verschärft. Erschwerend wirkt sich ferner aus, dass einen Tag nach dem Protest Spruchbänder im Namen einer obskuren Gruppe, die sich als  „Lokalbewohner und Jugend von Boudha“ bezeichnete, in der Nähe der Proteststelle erschienen, auf denen gewarnt wird, dass solche Akte „das Leben für die Tibeter noch schwieriger machen werden“.

Auf einem der Spruchbänder wird die Selbstverbrennung als eine „hässliche und sündige“ Tat bezeichnet, motiviert von „schmutziger Politik“, und gewarnt: „Kein Free Tibet mehr in unserem heiligen Land“. Und die Aufschrift droh weiter: „Die Seele des Opfers wird in der Hölle schmoren – Ihr wollt Blut, wir antworten mit Krieg“.

 

tibetfocus.com, 15.02.2013

Der tibetische Mönch, der sich in Bodnath, Kathmandu, angezündet hatte, ist tot.

Nach seiner Selbstverbrennung wurde der schwerverletzte tibetische Mönch noch in einer Intensivstation eines Regierungsspitals in Kathmandu behandelt. Gestern ist er jedoch seinen schweren Verbrennungen erlegen.

In der Folge dieser Selbstverbrennung haben die Behörden Nepals die Sicherheitskontrollen für die tibetische Bevölkerung Kathmandus drastisch erhöht. Die Siedlungen werden konstant überwacht und die Taschen der Tibeter werden jederzeit von der Polizei durchsucht.

Unter dem grossen Druck der chinesischen Regierung, die Nepals Regierung mit grosszügigen Zahlungen am Gängelband führt, verschärfen die hiesigen Behörden speziell in Kathmandu die Einschränkungen für die tibetische Exilgemeinschaft und auch für tibetischstämmige Nepalesinnen und Nepalesen (z.B. Sherpas) drastisch.

So werden keine Geschäftsnamen, die „Tibet“ oder klar tibetische Begriffe beinhalten, nicht mehr geduldet. Die Firmen müssen sich in der Folge umbenennen. Tibetische Flaggen dürfen schon seit geraumer Zeit offiziell nicht mehr verkauft werden. Jetzt droht bei Besitz oder Vertrieb der Flagge gar eine Gefängnisstrafe!

Die „Ein-China-Politik“ wird ja weltweit von den Regierungen im Kotau vor der chinesischen Macht-Elite proklamiert und in vorauseilendem Gehorsam immer und immer wieder repetiert (s. Verlautbarungen des schweizerischen Bundesrates im Zusammenhang mit der Absage eines Empfanges des Dalai Lamas). Dass aber nun sogar in einem „unabhängigen“ Land der Besitz der tibetischen Nationalflagge bestraft wird, ist eine weitere Eskalation der Akzeptanz eines Unrechtsregimes und seiner Drohgebärden!

tibetfocus.com vor Ort

 

 

Kronen-Zeitung (A), 14.2.13:

Lebende Fackeln gegen chinesische Herrschaft in Tibet

Über Jahrzehnte protestierten Tibeter auf den Strassen, sassen im Hungerstreik und baten die Welt um Hilfe. Nun sehen viele jedoch keine andere Lösung mehr, als sich anzuzünden. Sie rufen aus den Flammen, um auf das Schicksal ihres Volkes aufmerksam zu machen. Seit 2009 wählten genau 100 Menschen die Selbstverbrennung, um auf die Ungerechtigkeit der chinesischen Herrschaft über ihr Land hinzuweisen.

Alles begann mit einem tibetischen Mönch, der sich vor vier Jahren mit Benzin übergoss und anzündete. Bald darauf verbrannte sich eine junge Mutter von drei Kindern, es folgten ein 15- Jähriger aus dem Kloster Ngoshul und der Grossvater eines spirituellen Lehrers. Mit dem Selbstmordversuch eines jungen Mannes in Nepals Hauptstadt Kathmandu, der am Mittwoch in ein Restaurant lief, sich mit Benzin übergoss und in Brand steckte, umfasst die Liste der Selbstanzündungen mittlerweile exakt 100 Namen, teilte das Büro des Dalai Lama, des geistlichen Oberhaupts der Tibeter, am Donnerstag mit.

Die Botschaft der letzten Worte: „Beschützt Tibet“

Immer wieder taucht dieselbe Forderung in den letzten Worten der Sterbenden auf: „Beschützt unsere tibetische Sprache, Kultur und Religion – unsere Identität.“ „Wir brauchen Freiheit und Unabhängigkeit für Tibet“, rief laut der Internationalen Tibetkampagne etwa der 19- jährige Norbu Damdrul, während er brennend durch die Strasse in Ngaba rannte. Die 33 Jahre alte Rikyo wiederum hinterliess einen Abschiedsbrief, in dem sie wie viele andere Tibeter die Rückkehr des Dalai Lama aus dem Exil forderte. Und sie schrieb: „Wehrt euch nicht durch Kämpfe. Steht zusammen, lernt die tibetische Kultur.“

Seit Jahrzehnten fühlen sich die Tibeter von den Chinesen unterdrückt. Sie beklagen, dass ihnen die chinesische Sprache aufgezwungen wird, sie ihren Bezirk nicht ohne Genehmigung verlassen dürfen und schlechter bezahlt werden als Chinesen. Mittlerweile, berichten Exiltibeter, habe die Regierung so viele Chinesen in tibetische Gebiete umgesiedelt, dass die Tibeter in ihrer Heimat sogar eine Minderheit bildeten.

„Tragischste Form des Protests“

Vor mehr als 50 Jahren verliess der Dalai Lama mit Zehntausenden Begleitern das grösste Hochland der Erde. Heute leben etwa 128.000 Tibeter in der Diaspora, ihren Sitz hat die Regierung im nordindischen Dharamsala. Der tibetische Premierminister Lobsang Sangay hält die Selbstverbrennungen für die „tragischste Form des Protests“. „Dass sie den Tod dem Leben vorziehen, zeigt, wie sehr die Tibeter unterdrückt werden und wie sehr sie leiden“, sagt Sangay. Das seien grelle Stimmen gegen die Herrschaft der Chinesen.

Die Behörden in Peking hingegen machen den Dalai Lama und die exiltibetische Gemeinde für die Selbstverbrennungen verantwortlich. Die Protestakte seien aus dem Ausland sorgfältig vorbereitet und orchestriert, heisst es in offiziellen Erklärungen. Heftig kritisiert wird auch, dass die Tibeter, die sich selbst verbrennen, als „Helden“ verehrt werden.

„Sie sind unsere Helden“, betont Tenzin Chokey, Generalsekretärin des Tibetischen Jugendkongresses. „Sie haben es verdient, so genannt zu werden, also nennen wir sie auch so.“ Die Tibeter in Tibet bräuchten allerdings niemanden, der sie anstifte. „Wir ermutigen sie nicht. Im Gegenteil: Sie ermutigen uns.“

„Es gibt keine Foltermethode, die nicht angewendet wird“

Die chinesischen Behörden reagieren auf die Selbstverbrennungen meist mit einer Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen und noch mehr Soldaten. Häufig wird die Kommunikation in der Gegend unterbrochen – in Rebkong in der Provinz Qinghai wurden gerade Hunderte von Satellitenschüsseln konfisziert und zerstört, mit denen ausländische Fernsehsender empfangen werden konnten. Auch das Internet wird gekappt, Telefone werden abgehört. Tibeter werden festgenommen und oft jahrelang nicht mehr freigelassen.

„Sie kommen dann in die Militärbasen, werden auf einen Stuhl gefesselt, und Soldaten laufen tagelang um sie herum und lassen sie nicht schlafen“, berichtet der Mönch Kanyang Tsering. „Und wenn sie doch einschlafen, benutzen sie elektrische Stäbe, um sie aufzuwecken.“ Tsering sammelt im Kirti- Kloster in Dharamsala Informationen aus seiner alten Heimat, der Region Ngaba, in der sich besonders viele Menschen anzünden.

Tsering holt weit aus mit seinen Armen, die in einer dunkelroten Robe stecken, wenn er die Schläge beschreibt, die den Gefangenen beim Spiessrutenlauf drohen. „Manche werden auch an Kaminrohre gebunden, die das Haus erwärmen“, sagt er. Andere, die sich vor Schmerzen nicht mehr bewegen könnten, würden auf Metallbleche gelegt, unter denen ein Feuer brennt. „Es gibt keine Foltermethode, die nicht angewendet wird“, sagt er niedergeschlagen.

Kampfgeist bis in den Tod

„Die Chinesen kennen nur Stärke“, sagt der Repräsentant des Dalai Lama in der indischen Hauptstadt Neu- Delhi, Tempa Tsering. Und doch seien sie seit drei Generationen in Tibet nicht erfolgreich. Denn sein Volk habe immer neue Wege gefunden, um für seine Rechte zu kämpfen. „Sie versuchten alle friedlichen Wege, etwa Proteste und Hungerstreik – und dafür wurden sie unterdrückt, gefoltert, getötet.“ Nun seien die Tibeter so verzweifelt, dass sie mit ihrem eigenen Tod kämpften. Ein 21 Jahre alter Mönch, der seinen Zimmerkameraden durch eine Selbstverbrennung verlor, ergänzt: „Normalerweise zünden wir eine Lampe an, um etwas zu sehen. Mein Freund zündete sich an, um die Situation der sechs Millionen Tibeter zu beleuchten.“