China sammelt systematisch DNA-Proben in Tibet

16. September 2022

Human Rights Watch und Citizen Lab berichten, dass die Behörden systematisch DNA-Proben in allen Regionen Tibets sammeln. Die Proben werden offenbar in allen Altersklassen gesammelt, beginnend im Kindergartenalter ab 5 Jahren. Es gibt keine Hinweise, dass die Betroffenen über die Verwendung aufgeklärt werden oder eine reale Möglichkeit hätten, die Probenentnahme abzulehnen. Offiziell wird die Sammlung damit erklärt, dass Verbrechen aufgeklärt, vermisste Personen gefunden werden und die «soziale Stabilität» gestärkt wird.

Das systematische Sammeln von DNA-Proben in China begann 2019 im Rahmen einer Kampagne der «drei Grossen», nämlich «Inspektion, Untersuchung und Vermittlung», um die lokale Polizeiarbeit zu unterstützen. Ein Jahr später wurde eine nationale DNA-Datenbank aufgesetzt, die Daten von mindestens 40 Millionen Bürgerinnen und Bürgern umfasst. Zunächst schien die Sammlung von Proben auf Personen mit kriminellem Hintergrund beschränkt, wurde später aber mit der Begründung es würde der «Verbrechensaufklärung» dienen, auf die generelle Öffentlichkeit ausgedehnt.

Die Sammlung in Tibet begann Citizen Lab zufolge aber offenbar schon vorher, nämlich im Jahr 2016 unter dem damaligen Parteisekretär Chen Quanguo, der später im gleichen Amt in Xinjiang den Kontroll- und Unterdrückungsapparat perfektionierte.

Basierend auf einer systematischen Auswertung von 100 öffentlich zugänglichen Quellen fand Citizen Lab 44 Berichte über DNA-Probensammlungen in 14 Regionen der sogenannten «Autonomen Region Tibet» (TAR), die von der Polizei durchgeführt wurden. Es gibt auch einzelne Hinweise auf Probenentnahmen ausserhalb der TAR. Nach Auswertung aller Quellen schliesst Citizen Lab auf insgesamt zwischen 900’000 und 1.2 Millionen Proben, die entnommen wurden, was etwa einem Viertel bis einem Drittel der gesamten Bevölkerung Tibets entspricht.

Von der US-amerikanischen Firma Thermo Fisher orderten die Behörden gemäss öffentlich zugänglichen Dokumenten Probenbehälter im Wert von US-$ 1.6 Millionen. Die Polizei in Lhasa rüstete ein bereits bestehendes Analysegerät, ebenfalls von Thermo Fisher, für den Preis von US-$ 137’000 auf.

In einem Polizeidokument wurde gefordert, «kein Dorf aus einer Ortschaft, kein Haushalt aus einem Dorf, und keine einzige Person» darf ausgelassen werden. Ein anderes Polizeidokument beschrieb die Probensammlung in einem Kindergarten, ohne Hinweise darauf, ob die Eltern in irgendeiner Weise involviert waren. Ein anderer Polizeibericht über die Probensammlung in einer Schule rühmte, dass die Durchführenden «prompt alle Zweifel und Bedenken der Massen zerstreut und Unterstützung und Verständnis von den Anwesenden erhalten» hätten.

Human Rights Watch, 13.September 2022

Citizen Lab, 13. September 2022 – ausführlicher Bericht: https://citizenlab.ca/2022/09/mass-dna-collection-in-the-tibet-autonomous-region/

Phayul, 14. September 2022 // Dr. Uwe Meya

Foto: Screenshot: WeChat