Neue Zürcher Zeitung, 12.12.13, Markus Ackeret –
Die Kommunistische Partei Chinas wehrt sich gegen das Aufbrechen ihres Meinungsmonopols. Immer stärker versucht sie auch die Aussenwahrnehmung Chinas zu beeinflussen.
Die Konfuzius-Institute an Universitäten in der ganzen Welt sind zu einem gängigen Beispiel dafür geworden, wie China seine Kultur und Sprache, aber auch seine Weltsicht verbreitet. Dass diese Institute sich, im Unterschied zu vergleichbaren Einrichtungen aus Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien, an Universitäten ihrer Gastländer niederlassen und von diesen mitfinanziert werden, stösst immer wieder auf Unbehagen. Am Wochenende tagte ihre Trägervereinigung unter dem Vorsitz der Vizeministerpräsidentin Liu Yandong. Sie lobte den Erfolg der Einrichtungen und mahnte dazu, der Welt das «reale Bild Chinas» zu zeigen und das gegenseitige Verständnis der Zivilisationen zu fördern.
Keine Visa mehr
Je mächtiger China wirtschaftlich und zunehmend auch politisch und militärisch wird, desto mehr sucht es seinen Blick auf die Welt zu verbreiten. Das ist nachvollziehbar, und angesichts des oft geringen Wissens über China füllt es dabei auch eine Lücke. Sowenig aber die Volksrepublik intern Meinungspluralismus über wichtige politische und historische Fragen zulässt, so wenig kann sie damit umgehen, dass in freiheitlich organisierten Staaten Ansichten und Forschungen zu China verbreitet werden, die dem offiziellen Bild widersprechen. Die aussenpolitische Maxime, dass zu ächten sei, wer etwa mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, ins Gespräch komme, gilt schon jahrzehntelang. Neuer ist der Versuch, generell zu beeinflussen,wie die Welt über China denkt, und vor Sanktionen nicht zurückzuschrecken.
Die Vereinigung der Auslandkorrespondenten in China machte zu Wochenbeginn darauf aufmerksam, dass zwei Dutzend Korrespondenten der «New York Times» und der Nachrichtenagentur Bloomberg faktisch die Ausweisung droht, sollte sich die chinesische Regierung nicht in letzter Minute doch noch eines Besseren besinnen. Wie die Visa aller in China akkreditierten Korrespondenten laufen auch jene dieser Journalisten jeweils zum Jahresende aus. Mit Recherchen zu Reichtum und geschäftlichen Beziehungen von Verwandten höchsterkommunistischer Funktionäre hatten «New York Times» und Bloomberg den Zorn der Führung erregt. Die Websites der beiden Medienhäuser sind seit den ersten Veröffentlichungen im vergangenen Jahr in China gesperrt. Bloomberg hat Mühe, seine Terminals für Wirtschaftsdaten in China abzusetzen. Wer «objektiv» berichte und keine Gesetze verletze, habe nichts zu befürchten, sagt das Aussenministerium.
Was «objektiv» ist, entscheiden die Behörden nach ihren ideologisch festgelegten Kriterien. Das betrifft auch Wissenschafter. Aus der westlichen China-Forschung gibt es immer öfter Berichte darüber, dass Historiker, Politologen, Soziologen oder Ethnologen vor Themen zurückschrecken, die in China als «heikel» gelten. Einige, die sich keiner Selbstzensur unterworfen haben, bekamen ihre freie wissenschaftliche Entscheidung bereits zu spüren, indem sie seit entsprechenden Veröffentlichungen keine Visa mehr für China erhalten. Für Wissenschafter, deren Lebensinhalt von Feld- und Archivforschungen abhängt, ist das gravierend.
Fragliche «soft power»
Auch guter Journalismus ist auf die Arbeit im Land selbst angewiesen. Selbst wenn am Ende die nun wartenden Auslandkorrespondenten ihre Visa nochmals bekommen sollten, könnte die durch die Verzögerungen und Schikanen erzeugte Unsicherheit künftig die Themenwahl beeinflussen. Chinesische Zensur und Propaganda sickern so auch in die westliche Darstellung Chinas ein. Das Dilemma kennen die chinesischen Journalisten seit langem. Der Druck auf die einheimischen Medien, auf freigeistige Internet-Kommentatoren und deren Plattformen hat seit dem Amtsantritt der neuen Parteiführung noch zugenommen. Wirtschaftliche Überlegungen ausländischer Medienhäuser, die um ihre Präsenz in China fürchten, spielen ebenfalls eine Rolle bei der Selbstzensur. Für grosse Diskussionen sorgte vor kurzem die – je nach Sichtweise – Verschiebung oder Versenkung einer anscheinend brisanten Recherche durch Bloomberg-Verantwortliche, die bei einer Veröffentlichung noch mehr Probleme im chinesischen Markt befürchteten.
Konfuzius-Institute und der Expansionskurs der chinesischen Staatsmedien hätten eigentlich die Stärkung einer «soft power» zum Ziel. Zunehmend mag das auch gelingen, indem dissidente Ansichten zu China über diese Kanäle nicht verbreitet werden und dadurch ein der Propaganda entsprechendes Bild entsteht. Die rüde Art, Pluralismus über die Visavergabe zu unterdrücken, zeugt sowohl von Kleingeist in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden als auch von Unsicherheit über die eigene Macht, die durch die Aufdeckung der herrschenden Kleptokratie offenbar in Gefahr ist. Freiheit und Pluralismus gegen Knebelung und Propaganda zu verteidigen, scheint allerdings mit zunehmendem Einfluss Chinas auf die Welt schwieriger zu werden.