Der Dalai Lama vom 13. bis 15. Oktober 2016 in der Schweiz: Medienspiegel

16. September 2016

Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama weilte vom 12. bis am 15. Oktober 2016 auf Einladung der Stadt Bern, der Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz & Liechtenstein (TGSL) und dem Zürcher Forum der Religionen in der Schweiz. Der Friedensnobelpreisträger und geistliches Oberhaupt der Tibeter hielt im Kursaal Bern, im Hallenstadion  und im Grossmünster Zürich Vorträge zu buddhistischen Themen.

Und so berichteten die Medien über den Besuch der Dalai Lamas in der Schweiz:

SRF 1: Sternstunde Religion, Sonntag, 23. Oktober 2016, 10:30 Uhr

Dalai Lama: «Wir müssen ganzheitlich auf das Menschsein blicken»

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Video des Interreligiösen Gebets im Grossmünster Zürich vom 15.10.2016

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SwissInfo, 18.10.16,  Luigi Jorio (Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

Unvergesslicher Tag für einen tibetischen Flüchtling

Die tibetische Diaspora in der Schweiz gehört zu den grössten der Welt. Für tausende Menschen war der kürzliche Besuch des Dalai Lama in Bern und Zürich ein Moment der Begegnung und des Austauschs. Ein junger tibetischer Flüchtling erzählt über „einen der glücklichsten Tage“ seines Lebens.

Sonam Lhakpa* hatte sich geschworen, nicht zu weinen. Doch dann begann sein Herz rasch zu schlagen, und das Atmen fiel ihm schwer. Mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Auch wenn „Seine Heiligkeit“, der Dalai Lama, nur für einige Sekunden vor ihm stand.

Die Tibetergemeinschaft in der Schweiz hatte sich in einem Hoteleingang in Zürich-Oerlikon getroffen, um Tendzin Gyatsho zu empfangen, den gegenwärtigen Dalai Lama. Der etwas reservierte und unsichere Sonam Lhakpa hatte seine Schüchternheit überwunden und sich ganz vorne in der Menge platziert. „Ich war sehr nervös“, erinnert sich der 23-Jährige, den wir in seiner Wohnung im Kanton Aargau treffen.

Den Dalai Lama hatte er bereits unzählige Male gesehen, aber nur auf einer Foto, die er in einem Anhänger um seinen Hals trug, als er noch mit seinen Eltern in seinem Dorf lebte. „Auf dem Anhänger war das Gesicht eines tibetischen Mönchs zu sehen. Wenn man es aber drehte, war in der Lichtreflektion das Gesicht des Dalai Lama zu sehen. Das war mein Geheimnis“, erzählt er. In Tibet seien Bilder des Dalai Lama verboten. Niemand, auch nicht seine heute alt gewordenen Eltern, habe diesen je persönlich zu Gesicht bekommen.

„Ich bin unschuldig!“

Sonam Lhakpa wurde in einem Dorf der autonomen tibetischen Präfektur Garze geboren, im Westen der chinesischen Provinz Sichuan. Dem Bauernsohn gefiel die Schule nie wirklich. Nicht weil der Lehrer nur Chinesisch sprach, sondern eher, weil er lieber mit seinen Freunden unterwegs war und mit dem Fahrrad in die nächste Stadt fuhr. „Dort gab es ein grosses Basketballfeld“, erinnert er sich.

Als er 20 war, änderte sich sein Leben fundamental. „Sie suchten nach mir. Es hiess, ich hätte etwas Schlimmes verbrochen. Doch ich war unschuldig!“, betont er. „Sie“, das war das chinesische Militär.

Wir fragen ihn, was geschehen sei, doch Lhapka möchte nicht weiter darauf eingehen. „Es tut mir leid, aber es sind Dinge, die ich nicht erzählen kann. Ich will meine Familie nicht gefährden.“ Seine Familie musste der junge Mann von einem Tag auf den anderen verlassen. „Mein Vater sagte mir, es sei besser für mich, wenn ich gehe.“

Zu Fuss, mit einem Auto und wieder zu Fuss floh Lhapka durch die Himalaya-Täler nach Nepal. Nachdem er sich mit Hilfe eines Onkels einen falschen Pass besorgt hatte, sagte ihm dieser, er solle nach Amerika gehen. „Doch nach einigen Monaten des Wartens sagte mein Onkel, dass ich besser in die Schweiz gehen solle. Laut ihm würde ich in der Schweiz eine bessere Zukunft haben“, erzählt er.

Ohne wirklich zu wissen, wo und was genau die Schweiz ist, machte sich der junge Flüchtling auf eine zweite Reise, die ihn über Thailand und einen Golfstaat – „ich weiss nicht mehr, wo genau, ich erinnere mich einzig daran, dass es viele Muslime hatte“ – nach Europa brachte.

Schliesslich sass er allein in einem Zug in Richtung Kreuzlingen, eine Stadt im Kanton Thurgau an der Grenze zu Deutschland. Dort begab er sich zum Empfangszentrum für Asylbewerber und reichte sein Asylgesuch ein. Wenige Monate darauf wurde er als Flüchtling anerkannt. Das war im Februar 2015.

Schweiz und Dalai Lama, eine besondere Beziehung

Heute lebt Sonam Lhakpa in einem kleinen Dorf in der Nähe von Aarau, der Kantonshauptstadt des Aargaus. Dank eines Vereins zur Unterbringung von Flüchtlingen hat er eine Familie gefunden, die ihn bei sich aufgenommen hat.

Der junge Tibeter hat gerade eine lange Behandlung der Tuberkulose hinter sich, eine Infektionskrankheit, die er irgendwo unterwegs aufgelesen hat.

Er besucht Deutschkurse und möchte die kantonale Berufsschule besuchen. Er träumt davon, Krankenpfleger zu werden. Momentan denkt er aber nicht an seine Zukunft. Seine Gedanken sind noch ganz beim Besuch des Dalai Lama vor wenigen Stunden.

Die Schweiz war eine besondere Etappe auf der aktuellen Europareise des geistigen Oberhaupts des tibetischen Buddhismus. Schliesslich lebt in der Eidgenossenschaft die grösste tibetische Gemeinde in Europa (etwa 4000 Personen), und nach jenen in Indien, Nepal, den USA und Kanada eine der grössten weltweit. Auch die Schwester des Dalai Lama, Jetsun Pema, lebt in der Schweiz.

Selbst ein Gott altert

Nach dem Treffen im Oerlikoner Hoteleingang konnte Lhakpa tags darauf „Seine Heiligkeit“ gleich noch einmal sehen, anlässlich der öffentlichen Konferenz in einer Mehrzweckhalle der Stadt, die völlig ausverkauft war.

„Ich traf viele tibetische Freunde, die ich vom Aufnahmezentrum Kreuzlingen her kenne. Und ich lernte viel über den Buddhismus. Die wertvollste Lektion ist, dass es nicht reicht, Glauben zu haben: Man muss auch an sich selber arbeiten, Tag für Tag, um ein besserer Mensch zu werden.“

Sein Herz sei jetzt „in Frieden“, sagt er. „Es war einer der glücklichsten Tage meines Lebens. Ich möchte meine Eltern anrufen und ihnen alles erzählen. Ich bin wirklich glücklich. Für mich ist der Dalai Lama wie ein Gott.“

Lhakpa ist aber auch ein bisschen traurig. In den Filmen, die er in seinem Dorf heimlich sehen konnte, wirkte der Dalai Lama, heute 81 Jahre alt, noch relativ fit. „Heute habe ich gesehen, dass er die Hilfe von zwei Personen braucht, um auf seinen Thron zu steigen. Er ist alt geworden.“

Wenn er die Möglichkeit hätte, den Dalai Lama noch einmal zu sehen und vielleicht mit ihm sprechen könnte, würde er ihm „ein langes Leben“ wünschen. Und er würde ihm wünschen, eines Tages nach Tibet zurückkehren zu können.

* Name von der Redaktion geändert

Tibeter in der Schweiz

Am 7. Oktober 1950, ein Jahr nach der Gründung der Volksrepublik China durch Mao Zedong, dringen 40’000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee in die östliche Region von Tibet ein und beenden dessen Autonomie.

Eine Woche nach dem blutigen Volksaufstand von 1959 flüchtet der damals 24-jährige Dalai Lama von Lhasa nach Indien, wo er eine Exilregierung bildet. Mehr als 80’000 Tibeterinnen und Tibeter folgen ihm durch die schneebedeckten Berge des Himalayas ins Exil.

Im Herbst 1960 kommt die erste Gruppe von Flüchtlingen in der Schweiz an, im Kinderdorf Pestalozzi in Trogen, Kanton Appenzell Ausserrhoden.

1963 bewilligt der Bundesrat (Landesregierung) die Aufnahme von maximal tausend Tibeterinnen und Tibetern in der Schweiz. Ein Jahr später nimmt er den Wunsch des Dalai Lama auf, in Genf ein Büro für seinen persönlichen Vertreter in der Schweiz zu eröffnen, was eine wütende Reaktion von China provoziert.

Heute leben rund 4000 Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz, die grösste Exilgemeinde in Europa. Dreh- und Angelpunkt des geistigen und kulturellen Lebens der Tibeter in der Schweiz ist das Klösterliche Tibet-Institut Rikon im Kanton Zürich.

 

Der Landbote, 17.10.16, Thomas Schraner

Buddhistisches Oberhaupt zu Besuch

Juden, Moslems, Hindus, Buddhisten und Christen setzten im Grossmünster Zürich mit einem gemeinsamen Gebet ein Zeichen für den Frieden. Stargast war der Dalai Lama. Über 1000 Personen wohnten dem Anlass bei.

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Das Grossmünster war vollbesetzt am Samstag Vormittag. Hunderte harrten trotz nasskaltem Wetter draussen auf dem Zwingliplatz aus und verfolgten das Zeremoniell – das interreligiöse Friedengebet – auf der Grossleinwand. Es wurde mäuschenstill in der Kirche, als der Stargast um 10.20 Uhr nach einiger Verspätung auftauchte: Der Dalai Lama im buddhistischen Mönchsgewand, das religiöse Oberhaupt der Tibeter. Sie verehren ihn als Heiligen und sprechen ihn mit «Eure Heiligkeit» an.

Der 81-Jährige wirkte gebrechlich. Helfer mussten ihm unter die Arme greifen, damit er die Stufe zum Podest erklimmen und sich auf seinen Stuhl vor dem Taufstein setzen konnte. Dort sassen im Halbkreis, dem Publikum zugewandt, die übrigen Religionsvertreter, die sich auf Einladung des reformierten Grossmünsterpfarrers Christoph Siegrist eingefunden hatten: Ein Rabbiner, ein Imam, eine Hinduvertreterin sowie zwei christliche Vertreterinnen.

«Die Menschen erwarten, dass wir gewaltlosen Widerstand leisten gegen Rassismus und Gewalt», sagte Siegrist und verwies auf die «grauenhaften Bilder aus Aleppo» und die Leute, die kein Dach über dem Kopf haben. Nach einer Gesangseinlage von buddhistischen Mönchen richteten sich die Religionsvertreter teils sprechend, teils singend ans Publikum. «Unsere Brüder und Schwestern machen in Syrien den Holocaust durch», donnerte etwa der Rabbiner.

Bevor der Dalai Lama zu Wort kam, überbrachte Regierungspräsident Mario Fehr (SP) die Grüsse der Regierung. «Es gibt zwischen den Religionen viel mehr Gemeinsames als Trennendes», sagte er. Unterdrückung und Gewalt lasse sich durch keine Religion rechtfertigen. Fehr sprach von einem «wundervollen Anlass». Er engagiert sich seit über 20 Jahren für die Sache der Tibeter und hat den Dalai Lama schon mehrfach getroffen. Bis 2011 präsidierte er als Nationalrat die Parlamentarische Gruppe Tibet.

Fehr gehörte zu den Gästen in der ersten Reihe. Dort sassen auch Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP)

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Bild: Stadtpräsidentin Corine Mauch mit GSTF-Präsident Thomas Büchli

und Stadtrat Richard Wolff (AL). Um chinesische Repräsentanten nicht zu verärgern, wollten sie zunächst dem Anlass fernbleiben, entschieden sich dann aber auf Druck des Parlamentes um.

Verschiedenheit als Ressource

Der Dalai Lama sprach zunächst mit schwacher Stimme, redete sich dann aber – lebhaft gestikulierende – mehr und mehr ins Feuer. Auch er lobte die «wundervolle Atmosphäre» im Grossmünster, erinnerte aber sogleich an die vielen Menschen, die Krieg und Tod erleben. «Das Schlimmste ist, dass Kriege im Namen der Religionen geführt werden.» Erschreckend sei, dass Meldungen von Kriegstoten zur Normalität geworden seien. Weiter pries er die Verschiedenheit der Menschen und ihrer Religionen. Sie sei eine Ressource. Werde sie gelebt, mache sie die Menschen glücklicher und friedfertiger.

Immer wieder blitzte auch der Humor des Dalai Lama auf. Gleich mehrfach zeigte er sein legendäres kindliches Lachen. Plötzlich umarmte er spontan den Grossmünsterpfarrer. Und als die Zeit gegen Mittag vorrückte, kicherte seine Heiligkeit und sagte ohne falsche Hemmungen ins Mikrophon, dass er jetzt langsam Hunger habe. Es gab Zürich Geschnetzeltes, gekocht von einem Flüchtling.

Vor dem glorreichen Abgang, umarmte der Dalai Lama – diesmal ausserhalb des Drehbuches – einen jungen Mann im Rollstuhl und dessen Schwester. Es sind die Kinder des Fotografen, der ihn seit Jahren begleitet. Da und dort zückten Menschen ihre Taschentücher und wischen sich im Gebrause der Orgel verstohlen eine Träne ab.

 

Handelszeitung, 17.10.16, GABRIEL KNUPFER

Dalai Lama: Sieben Lehren für ein glückliches Leben

Lebenshilfe

Der Dalai Lama hat bei seinem Schweiz-Besuch Tausenden Anhängern eine Unterweisung in drei wichtigen Schriften des Buddhismus erteilt. Seine Empfehlungen sind nicht nur für Buddhisten interessant.

 

In Zürich ist der Dalai Lama vor rund 9000 Anhängern aufgetreten. Das mehrheitlich tibetischstämmige Publikum erhielt dabei eine Unterweisung in buddhistischer Theorie und Praxis. Doch die Lehren des Dalai Lama sind nicht nur für Eingeweihte gedacht. Viele Ideen lassen sich unabhängig von der religiösen Überzeugung anwenden. Das sind die wichtigsten:

  1. Selbständig denken

Reines Auswendiglernen führt nicht zum Ziel, so argumentiert der Dalai Lama. Es ist wichtiger, die Dinge richtig zu verstehen. Das gilt für den Glauben: Religiösen Lehren sollte man nicht aus Hingabe folgen, sondern weil man Gründe und Aussagen gründlich an der Realität geprüft hat. Wenn eine Aussage im Widerspruch steht zur Realität, muss sie neu interpretiert werden. Diese Herangehensweise lässt sich auf andere Lebensbereiche übertragen. Wenn sich eine Theorie nicht bestätigen lässt, muss sie weiterentwickelt werden.

  1. Von der Wissenschaft lernen

Wissenschaft und Religion stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Vielmehr liefert die Wissenschaft dem Dalai Lama zufolge wichtige Erkenntnisse für die religiöse Praxis. So helfen die Neurowissenschaften zu verstehen, was bei der Meditation passiert. Und die Relativität in der Physik ist ein Pendant zur Leere des Geistes, die von Buddhisten angestrebt wird. Denn so wie ein Objekt in der Quantenphysik erst durch die Beobachtung definiert wird, entstehen Dinge nach buddhistischer Auffassung erst durch die Zuschreibung, die wir ihnen geben.

  1. Keine überzogenen Erwartungen

Wut, Ärger, Hass und das Leiden im Allgemeinen entstehen mehrheitlich durch falsche Bilder und Fabrikationen im eigenen Kopf. Sie sind grösstenteils Projektionen eigener Wünsche und Probleme. Nur wer seinen Geist vom Begehren befreit, kann Gelassenheit und Zufriedenheit erlangen. Selbst für ihn sei das ein langer Weg gewesen, sagt der Dalai Lama. Aber nach 60 Jahren Meditation und Beschäftigung mit der Leere empfinde er kaum mehr Wut oder ungesunde Bindung.

  1. Gutes tun

Die 80 oder bestenfalls 100 Jahre, die dem Menschen gegeben sind, sollte er nutzen, um anderen Menschen zu helfen. Leiden, Krieg und Zerstörung wird vom Streben nach Selbstverwirklichung hervorgerufen. Wenn die Menschen jedoch eine altruistische Geisteshaltung an den Tag legen, kann die Welt als Ganzes zu einem besseren Ort werden. Aber natürlich nur, wenn das Mitgefühl nicht graue Theorie bleibt, sondern sich auch in konkreten Taten ausdrückt.

  1. Nicht nur Freunden helfen

Mitgefühl und Liebe sind häufig mit Begehren verbunden. So helfen wir denjenigen Menschen, die wir lieben und brauchen, während uns alle anderen egal sind. Viel wichtiger wäre es, auch denjenigen Menschen zu helfen, die uns nichts bringen oder sogar schaden wollen. Wahres Mitgefühl kommt aus der Erkenntnis, dass alle Menschen das Recht auf Glück und die Überwindung des Leidens haben, unabhängig davon, wie wir persönlich zu ihnen stehen.

  1. Der Weg ist das Ziel

Jeder Tag, der mit der richtigen Geisteshaltung verbracht wurde, ist ein sinnvoller Tag. Auch wenn der Pfad zur Erleuchtung unzählige Wiedergeburten braucht und sehr lange dauert, ist das kein Problem. Wer ernsthaft nach Erkenntnis strebt und dem Wohl aller Lebewesen dienen will, profitiert selber auch davon. Das bedeutet, dass wir uns nicht in erster Linie auf das Ziel fokussieren dürfen. Auch der Weg dahin kann erfüllend sein.

  1. Den inneren Frieden finden

Wer seine Leidenschaften überwindet, wird selber glücklicher. Und ein positiver Mensch ist auch ein angenehmerer Zeitgenosse für seine Mitmenschen. Gerade jüngere Leute würden besonders profitieren, sagt das geistliche Oberhaupt der Tibeter mit einem Augenzwinkern: «Kümmert euch um den Frieden eures Geistes und ihr werdet sogar besser aussehen.»

 

Tagesanzeiger, 17.10.16, Martin Sturzenegger

Dalai Lama ehren, China besänftigen

Chinas Druckversuchen zum Trotz empfingen Politiker den Dalai Lama. Ein diplomatischer Hochseilakt

Die Politik sollte keine Rolle spielen. Nicht am letzten Samstag, als der Dalai Lama zum Abschluss seiner dreitägigen Schweizer Reise im Zürcher Grossmünster erschien. Die Kirchenglocken läuteten für das Gemeinsame, das Sinnstiftende, das Barmherzige – Werte, die im politischen Diskurs oft keinen Platz haben. Schon gar nicht in der Tibetfrage. Jenem Konflikt, in dem seit Jahrzehnten über die Autonomierechte der Tibeter gestritten wird.

Verhärtete Fronten lassen sich auch mit einem interreligiösen Friedensgebet nicht aufweichen. Folglich wurde unter der Anleitung von Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist auf kritische Voten verzichtet. Die Politik fand draussen statt. Auf dem Vorplatz, wo eine Grossleinwand die Friedensbotschaften aus der Kirche trug, prangte ein riesiges Transparent: «Wir heissen Seine Heiligkeit, den 14. Dalai Lama, willkommen, während unsere Regierung kein Rückgrat hat.» Der Verein Tibeter Jugend Europa formierte sich zu einer Protestaktion.

Ziel der Kritik war der Bundesrat. «Wir sind beunruhigt, dass der Druck der chinesischen Regierung die neutralen Werte der Schweiz angreifen kann», sagte Vizepräsidentin Namtso Reichlin. «Der Anlass wird bewusst entpolitisiert, um China nicht zu verärgern.» Von der Landesregierung wünsche sich der Verein ein klares Bekenntnis: Der Bundesrat solle den Dalai Lama persönlich begrüssen – wie dies früher der Fall war.

Zurzeit stehen die Chancen schlecht, dass diese Forderung erfüllt wird. Weltweit scheuen sich Regierungen, dem Dalai Lama einen offiziellen Staatsempfang zu bereiten – zu gross ist die Angst vor möglichen Sanktionen Chinas, zu umstritten die Frage, inwiefern dem asiatischen Hochland Autonomie zugestanden werden soll. Also versucht sich die Schweiz in einem diplomatischen Spagat: Offiziell begrüsst sie den Dalai Lama nicht. Doch hochrangige Politiker machen ihm dennoch die Aufwartung.

Grusswort von Mario Fehr

So auch am Samstag, als mit Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP), Sicherheitsvorsteher Richard Wolff (AL) und Regierungsratspräsident Mario Fehr (SP) hochrangige Politiker von Stadt und Kanton auf den vordersten Bänken Platz nahmen. Letzterer sprach das Grusswort: «Die Regierung und die Bevölkerung des Kantons Zürich fühlen sich ­geehrt, Sie – Eure Heiligkeit – in Zürich willkommen zu heissen.» Die Geste war keineswegs selbstverständlich.

Im Vorfeld der Veranstaltung gab der Stadtrat chinesische Druckversuche ­bekannt. Das Konsulat in Zürich habe mehrfach geäussert, dass Mitglieder des Stadtrates auf persönliche Treffen mit dem Dalai Lama verzichten sollen. Ähnliche Druckversuche erreichten den Kanton, wie TeleZüri gestern bekannt gab. Für Fehr kam eine Absage jedoch nicht infrage: «Den Regierungsrat kann man nicht unter Druck setzen.» Protestant Fehr pflegt seit Jahren eine persönliche Verbindung zum tibetischen Buddhismus. Schon rund 15-mal reiste er in die Region und nahm an Zeremonien teil. «Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, dass wir an diesem interreligiösen Dialog teilnehmen.»

Weniger Entschlossenheit zeigte der Stadtrat. Zunächst liess er sich gar vom Anlass entschuldigen, da der Termin in die Herbstferien falle. Die Begründung kam schlecht an, wurde als seltsam oder gar faule Ausrede taxiert. Dass mit Mauch und Wolff doch zwei Mitglieder zum Gebet erschienen, freut Reichlin vom Verein Tibeter Jugend in Europa.

Chinas Druckversuche reicen bis in die Kantone. Das ist neu, aber nicht überraschend. Die hiesige Wirtschaft setzt auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Asiaten. Chinesische Banken werden in Zürich mit offenen Armen empfangen – gleich zwei Institute eröffneten in diesem Jahr eine Filiale. Das Geschäft mit dem Renminbi hilft Zürich, seinen Finanzplatz als wichtiges, wirtschaftliches Standbein zu erhalten.

Inzwischen sind chinesische Investoren nicht nur an Schweizer Grossfirmen interessiert, sondern vermehrt auch an KMU – darunter Zürcher Firmen, wie die «SonntagsZeitung» gestern schrieb. Seit 1982 pflegt Zürich eine Städtepartnerschaft mit der chinesischen Millionenstadt Kunming. Was als einfache Kooperation begann, birgt heute auch wirtschaftliche Synergien. Zürcher Politiker sind in weiteren Regionen Chinas präsent. Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) reiste mehrfach nach Chongqing – eine der grössten Städte Chinas. Immer mit dabei sind Wirtschaftsvertreter auf der Suche nach dem guten Geschäft.

Friedensbotschafter überzeugt

Es gibt mehrere Gründe, weshalb die Politik darauf bedacht ist, China nicht zu verärgern. Auf ein gemeinsames Friedensgebet mit dem Dalai Lama wollen jedoch einige Exponenten nicht verzichten. Am Samstag wurde klar, wieso: Dem geistlichen Vertreter der Tibeter gelingt es auch mit 81 Jahren, als Friedensbotschafter zu überzeugen. Die Art, wie er auf Menschen zugeht – ob reich oder arm, jung oder alt, Muslim oder Jude –, ist stets die gleiche: warmherzig, voller Güte und zumeist humorvoll. Ganz am Schluss ermahnte er die Anwesenden: Für den Frieden beten sei das eine, doch es liege nicht an Gott oder Christus oder Mohammed, Frieden zu bringen.

 

NZZ, 15.10.16, Brigitte Hürlimann

Dalai Lama in Zürich: Für den Frieden sind nicht nur die Götter da

Weit über tausend Menschen aller Glaubensrichtungen, jeden Alters und jeder Hautfarbe sind am Samstagmorgen ins Grossmünster geströmt. Sie haben einen humorvollen, aufmunternden Dalai Lama erlebt – friedlich vereint mit Geistlichen anderer Religionen.

Eine überfüllte Grosskirche in der Zürcher Altstadt, Menschen, die am frühen Samstagmorgen stundenlang bei Regen und Kälte vor der verschlossenen Pforte ausharren, um auch bestimmt Einlass zu finden – der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter, findet die Aufmerksamkeit und die Verehrung der Massen. Längst nicht alle, die vor dem Grossmünster angestanden sind, und zwar bis weit ins Niederdorf hinein, schaffen es ins Innere der Kirche. Sie verfolgen die Worte und Gesänge der buddhistischen, muslimischen, jüdischen, hinduistischen und christlichen Würdenträgerinnen und Würdenträger draussen mit, über Lautsprecher und eine Leinwand.

Drinnen und draussen

Manche der Sprechenden wenden sich direkt an sie, also an jene, die im Regen stehen müssen, und nicht bequem an der Wärme sitzen dürfen. Die Situation ist sinnbildlich für den Zustand der Welt. Christoph Sigrist, der Grossmünster-Pfarrer und Initiant des Anlasses, erwähnt Aleppo, der Rabbiner spricht sich gegen Hass und Blutvergiessen aus, der Imam bittet um Liebe und Erbarmen, die Hindu-Vertreterin singt für den Frieden. Dann steht der Dalai Lama auf und lächelt aufmunternd ins Publikum.

Seine Worte, Botschaften und Anweisungen sind einfach und klar, er trägt sie seit vielen Jahrzehnten in die Welt hinaus. 81 Jahre alt und mit einem Monster-Programm befrachtet, steht er einmal mehr da, vor einem grossen, breit gemischten Publikum, und sagt, was wir längst wissen sollten und doch immer wieder grandios verdrängen.

Grenzen werden lächerlich

Werden wir je in der Lage sein, das Naheliegende zu befolgen, in Taten umzusetzen? Also nicht zu vergessen, dass unter den Menschen die Gemeinsamkeiten überwiegen, dass nicht das Trennende die Menschheit ausmacht? Geografische, religiöse oder philosophische Grenzen werden lächerlich, wenn man die Welt aus der Ferne betrachtet, diesen winzigen Planeten im Universum, auf dem viel zu viele blutige Konflikte ausgetragen werden. Der Dalai Lama betet gerne und häufig mit Vertretern der anderen Religionen, im Zürcher Grossmünster und überall auf der Welt. Dabei ermahnt er die Menschen, die Friedensmission selber anzupacken, diese nicht einfach an die Götter zu delegieren. Der Mensch habe durchaus die Möglichkeit, Frieden zu kreieren, es sei ja auch der Mensch, der die Konflikte schaffe, sagt der Dalai Lama.

Er sitzt und steht im Halbkreis neben dem Imam, dem Rabbi, dem Hindu-Prediger, neben den reformierten und den katholischen Seelsorgerinnen und den Pfarrern. Er nimmt den Blumenschmuck aus dem Publikum und die Geschenke des Grossmünster-Pfarrers entgegen und bedankt sich herzlich. Er spricht leise, aber eindringlich, er lacht viel und verbirgt seinen Witz nicht, auch nicht bei einer Rede vor Hunderten oder Tausenden von Anhängern.

Der Dalai Lama hat eine wichtige Botschaft und ist unermüdlich auf einer dringenden Mission. Am Samstagmorgen freut er sich auch auf das bevorstehende Mittagessen. Das geistige Oberhaupt weiss, dass nicht nur gemeinsames Beten, sondern auch das gemeinsame Mahl am runden Tisch die Menschen näher bringt. In Zürich etwa hat ein syrisch-kurdischer Flüchtling das Essen zubereitet; auf den Wunsch Seiner Heiligkeit wird es auch Zürcher Geschnetzeltes geben.

Politik gut vertreten

Den vorangegangenen Unstimmigkeiten und Unklarheiten zum Trotz versammeln sich auch die höchsten Spitzen der kommunalen und kantonalen Politik im Grossmünster, um am interreligiösen Gebet mit dem Dalai Lama teilzunehmen. In der ersten Zuschauerreihe sitzen Regierungsratspräsident Mario Fehr, Kantonsratspräsident Rolf Steiner, Gemeinderatspräsident Roger Bartholdi, Stadtpräsidentin Corine Mauch sowie Stadtrat Richard Wolff. Fehr betont in seinem Grusswort an den Dalai Lama die Bedeutung eines friedlichen Zusammenlebens der Religionen, in der Stadt und dem Kanton Zürich wie in der ganzen Welt.

Mindestens zwei Stunden lang geht dieser Wunsch im Grossmünster in Erfüllung: Ein Blick durch die Sitzreihen zeigt, wie Junge und Alte, Weisse und Dunkelhäutige, Frauen und Männer, Menschen mit oder ohne Turban, Kopftuch, Kippa oder Mönchskutte Schulter an Schulter friedlich nebeneinander sitzen, beten, singen und aufmerksam zuhören: den Vertretern ihrer Religion und allen anderen.

 

Katholisches Medienzentrum (CH), 15.10.16, Charles Martig

Christoph Sigrist zum Dalai Lama: «Darf ich Sie als Bruder ansprechen?»

Zürich, 15.10.16 (kath.ch) «Sie alle haben die Verantwortung, Frieden in die Welt zu bringen!» Der Dalai Lama rief in seiner Predigt im Grossmünster in Zürich die über tausend Anwesenden auf, mit ihm für den Frieden zu beten. Mit dabei waren Vertreterinnen und Vertreter aller wichtigen Religionen in der Schweiz. Der Zürcher Stadtrat war mit Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) und Polizeivorsteher Richard Wolff (AL) in der vordersten Kirchenbank vertreten, zusammen mit dem Präsidenten des Regierungsrates Mario Fehr (SP) und Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP).

So viele Menschen und Gläubige hat das Grossmünster Zürich lange nicht mehr gesehen. Der Dalai Lama sorgte für Andrang: Die tausend Plätze genügten nicht. Beim Public Viewing auf dem Zwingliplatz versammelten sich viele Neugierige mit Smartphone und Betende mit andächtigen Gesichtern. Während Regierungspräsident Mario Fehr (SP) im Innern der Kirche den Dalai Lama empfing, hielten draussen junge Tibeter bedruckte Kartonschilder über ihre Köpfe und formten damit ein riesiges Mosaik. Von oben gesehen ergaben sie ein Bild des Dalai Lama und den Slogan: «Wir heissen seine Heiligkeit den 14. Dalai Lama willkommen, während unsere Regierung kein Rückgrat hat», wie die «Schweiz am Sonntag» berichtet.

Vielfältiger, farbiger, herzlicher

Christoph Sigrist, reformierter Pfarrer des Grossmünsters, eröffnete den Anlass mit warmen Worten und sprach «Seine Heiligkeit» zuerst mit dem offiziellen Titel an. Dann fügte er hinzu: «Oder darf ich Sie als unseren Bruder ansprechen?» Diese Wärme und Herzlichkeit sorgte für Applaus, eine ungewöhnliche Reaktion in diesem Gotteshaus, das dem Geist von Zwingli huldigt und sonst nur das Wort der Bibel und die Musik von Bach zulässt. An diesem Samstagmorgen war alles etwas anders: vielfältiger, farbiger und herzlicher.

Sigrist, der den Dalai Lama nach Zürich eingeladen hate, war es ein grosses Anliegen, dass der Anlass nicht nur einen Event darstellte. Er forderte die Anwesenden deshalb auf, aus der Zuschauerhaltung in die innere Haltung des Gebets zu wechseln. Fotografen und Videojournalisten bat er, während des Gebets keine Bilder zu schiessen. Dieser Versuch, ein authentisches Gebet durchzuführen, gelang über weite Strecken, trotz des grossen Medienandrangs.

Bob Dylan der Religion

Der Dalai Lama sei so etwas wie der Bob Dylan der Religion, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt: «Er macht Tiefgründiges populär, ohne oberflächlich zu werden.» Als religiöses Oberhaupt spielt er im heutigen Mediensystem nach den Regeln der Superstars. Ähnlich wie Papst Franziskus löst er grosse Aufmerksamkeit aus und nutzt diese nicht nur für die religiöse Unterweisung, sondern auch für seine Botschaft der Barmherzigkeit.

Die Ansprache des Dalai Lama im Grossmünster dauerte rund eine Stunde und war geprägt von Aussagen wie «God is infinite Love – Gott ist unendliche Liebe» und «Compassion – Mitgefühl». Es waren klassische Aussagen aus dem tibetischen Buddhismus, die der Dalai Lama in einfachen Sätzen formulierte. Die Betenden im Grossmünster verfolgten diese andächtig und wurden zwischendurch auch vom Humor des Dalai Lama überrascht; wenn er anschauliche Anekdoten erzählte oder sich während der Übersetzung ostentativ hinsetzte.

Interreligiöser Geist

Beim interreligiösen Friedensgebet wurden Pfarrer Sigrist und der Dalai Lama unterstützt von Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Religionen. Rabbiner Tovia Ben-Chorin (St. Gallen), Imam Bilal Yildiz (Zürich), Rahel Walker Fröhlich, Pastoralassistentin der römisch-katholischen Kirche im Kanton Zürich, Hanna Kandal, reformierte Pfarrerin (Zürich) und die junge Jegantathan Periyathambi von der hinduistischen Gemeinschaft Adliswil (ZH) brachten ihre Gesänge und Gebete zum Frieden ein. Eingeladen hatte das Zürcher «Forum der Religionen», das den interreligiösen Geist dieser Begegnung in der Mutterkirche der Reformation prägte.

 

Tagesanzeiger (CH), 13.10.16, Mirjam Fuchs

«Zürich sehnt sich nach einer religiösen Autoritätsfigur»

Am Samstag besucht der Dalai Lama das Grossmünster. Sein Gastgeber, Grossmünster-Pfarrer Christoph Sigrist, über die Anziehungskraft religiöser Autoritäten und die Macht des Gebets.

Der Dalai Lama kommt für ein interreligiöses Friedensgebet in das Grossmünster. Wie viele Besucher erwarten Sie?

Viele. Das Interesse ist gross. In der Kirche hat es Plätze für 1000 Personen, aber nicht alle haben Sicht auf den Taufstein, darum haben wir auf dem Zwingliplatz ein «Public Viewing»-Areal organisiert. Aber wie viele Besucher kommen, ist für mich nicht so wichtig.

Sondern?

Wichtig ist, dass ein interreligiöses Gebet möglich wird. Die Leute werden am Anfang wohl etwas angespannt und aufgeregt sein. Die Gesänge der tibetischen Mönche aus Rikon und des Grossmünster-Chors werden ihnen helfen, in eine spirituelle Stimmung zu kommen. Gemeinsam werden wir für Frieden und Gewaltlosigkeit beten. Wenn alles klappt, wird das Grossmünster am Samstag zu einem mächtigen Kraftort.

Braucht es den Dalai Lama, damit das Grossmünster zu einem solchen Kraftort wird?

Nein, dafür braucht es den heiligen Geist (lacht).

Der Anlass ist ungewohnt gross für das Grossmünster. Haben Sie deswegen ein mulmiges Gefühl?

Nun, wir haben ja immer wieder viele Besucher, zum Beispiel an Heilig Abend. Ich bin sicher gespannt, wie es wird. Was mir auffällt: Die Erwartungen sind gross. Ich erhalte viele Anrufe, E-Mails oder werde direkt angesprochen auf den Besuch des Dalai Lama. Zürich sehnt sich nach einer religiösen Autoritätsfigur, die eine hoffnungsvolle Geschichte erzählt.

Die tibetischen Buddhisten haben den Dalai Lama, die Katholiken den Papst – fehlt der reformierten Kirche eine solche Figur?

Nein, unsere Spiritualität wendet sich gegen eine solche Verehrung. Heiligkeit ist im reformierten Glauben nicht einzelnen Personen oder Gruppen vorbehalten. Wir haben da eine kritische Distanz – die bleibt auch beim Dalai Lama. Ich habe vor ihm genau den gleichen Respekt wie vor einem Pensionär in der Herberge zur Heimat, einem Obdachlosenheim.

Das Friedensgebet am Samstag ist interreligiös – was heisst das?

Interreligiosität bedeutet nicht etwa, eine Einheitsreligion zu bilden, sondern einen respektvollen Umgang mit Differenzen zwischen den Religionen zu finden. Im Grossmünster beten neben dem Dalai Lama eine reformierte Pfarrerin, ein hinduistischer Geistlicher, ein Rabbiner, ein Imam und eine römisch-katholische Seelsorgerin. Die Gebete ergeben einen Teppich, aus dem etwas Drittes entsteht, eine Atmosphäre des Friedens. Um Verantwortung zu übernehmen, können wir im eigenen Glauben bleiben.

 

NZZ, 15.9.16: Interreligiöses Friedensgebet, Regierungsrat beehrt Dalai Lama

Der Dalai Lama wird am 15. Oktober ein Friedensgebet im Grossmünster abhalten. Ebenfalls eingeladen ist Regierungspräsident Mario Fehr, der Stadtrat lässt sich entschuldigen.

Seit Jahren hängt in der Sakristei der Sigristen des Grossmünsters ein Foto des Dalai Lamas an der Wand. Dieses entstand im Jahr 1990, als das buddhistische Oberhaupt die Zürcher Kirche zum letzten Mal besuchte, um bei einer Produktion des Schweizer Fernsehens mitzuwirken. Diesem Foto ist es mitunter zu verdanken, dass der Dalai Lama dem Grossmünster am 15. Oktober erneut einen Besuch abstattet, lieferte es dem Pfarrer Christoph Sigrist doch den Denkanstoss, die geistige Persönlichkeit einzuladen.

Offiziell sei die Einladung bereits im Februar vergangenen Jahres ausgesprochen worden, erzählt Sigrist. Nachdem einige Monate vergangen waren, habe er schliesslich die Bestätigung des Dalai Lamas erhalten. Dieser stimmte zu, im Zuge eines interreligiösen Friedensgebets ein Referat zu halten mit dem Titel «A peaceful society through global responsibility and non-violence» (Eine friedliche Gesellschaft durch globale Verantwortung nicht Nicht-Gewalt).

Religion in der urbanen Gesellschaft

Bereits in der Vergangenheit sprach der Dalai Lama offen von der Notwendigkeit, Religionen friedlich neben anderen Religionen existieren zu lassen. So sagte er in einer Rede bei einem Inter-Faith Seminar bereits vor 10 Jahren: «Wenn in der heutigen multi-ethnischen, multi-religiösen und multikulturellen Welt ein harmonisches Verhältnis zwischen Gesellschaften und religiösen Glaubensrichtungen herrscht, wird dies sicherlich ein gutes Exemple für andere setzen.»

Ein solches Exempel möchte auch Sigrist statuieren: «Ich will mit dem Anlass im Grossmünster, das neben der Mutterkirche der Reformation auch ein öffentliches Zeichen der Symbol für Religion in einer urbanen Gesellschaft darstellt, eine Hoffnungsgeschichte in der sich transformierenden Gesellschaft setzen.» Indikatoren für diese Transformation gibt es laut dem Pfarrer genügend: die Zusammenlegung von Kirchgemeinden in der Schweiz, die Migrationsthematik, sowie die Burka- und Minarettdebatten. «Mir ist es wichtig, dass Beten und Religion, Glaube und Vernunft in Schwingung miteinander hin zur Friedensarbeit in der Welt geraten.»

Nebst den christlichen Gebeten sollen bei der Veranstaltung im Grossmünster auch muslimische, jüdische und hinduistische Gebete gelesen werden. Das Mittagessen wird neben anderen auch von einem Flüchtling, einem muslimischen Kurden, zubereitet, der zuvor ein halbes Jahr lang in der Notwohnung der Helferei Heimat des Grossmünsters gewohnt hat. «Durch das Kochen hat er bei uns Integration erlebt und er freut sich nun sehr, seine Kunst auch bei diesem Anlass unter Beweis stellen zu dürfen», sagt Sigrist.

Regierungsrat spricht Grusswort

Ein weiterer Gast des Anlasses ist Regierungspräsident Mario Fehr, der ein Grusswort an die Versammelten richten wird. Bis 2011 war er während seiner Tätigkeit als Nationalrat Präsident der parlamentarischen Gruppe für Tibet. Sigrist freut sich auf seine Teilnahme, denn das Zusammenspiel von Kirche und Politik gehöre zur reformierten Profil des Grossmünsters.

Ein politischer Anlass sei es aber trotzdem nicht. «Natürlich hat die Kirche immer auch einen politischen Auftrag, dieser ist aber verankert im gemeinsamen Gebet für den Frieden», sagt Sigrist. Fehr nehme die Rolle des Gasts ein. Er sei eingeladen worden, weil gerade in Zürich Staat und Kirche immer gemeinsam das gesellschaftliche Leben mitgestalten würden.

Mario Fehr ist dem Anlass gegenüber sehr positiv eingestellt: «Der Dalai Lama repräsentiert eine weltweit wichtige Religionsgemeinschaft. Ich freue mich darauf, ihn im Namen des Regierungsrates bei uns im Kanton Zürich willkommen zu heissen.» Diplomatisch sieht er kein Problem, die Zürcher Regierung entscheide immer eigenständig, wen sie treffe.

Nebst ihm wurde auch der Stadtrat eingeladen, welcher sich allerdings mit der Begründung entschuldigt, die Mitglieder des Stadtrats seinen am betroffenen Termin bereits anderweitig engagiert. Die Terminprüfung sei aber noch nicht vollständig abgeschlossen.  Von Dominique Zeier

 

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Am 14. Oktober 2016 wird eine Lang-Lebe-Zeremonie für Seine Heiligkeit den 14. Dalai Lama stattfinden. Danach folgen Unterweisungen von Seiner Heiligkeit zu folgenden Texten:

  • Die mittleren Stufen der Meditation von Kamalashila
  • Die 37 Übungen eines Bodhisattvas von Thokmay Sangpo
  • Die Juwelenkette von Nagarjuna

Die Veranstaltung findet im Hallenstadion in Zürich statt.
Eintrittskarten können online unter www.dalailama2016.ch oder via www.ticketcorner.ch bezogen werden. Auch bei vielen Vorverkaufsstellen in der Schweiz sind die Karten erhältlich.

Veranstalterin ist die Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz & Liechtenstein (TGSL), welche mit ihren rund 6‘500 Mitgliedern die grösste tibetische Exilgemeinschaft in Europa darstellt.
Die TGSL wurde 1973 gegründet und setzt sich ein für ein verstärktes politisches Engagement, die Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit über die Tibet-Frage, die Fortsetzung der Demokratisierungsprozesse innerhalb der tibetischen Exilgemeinschaften und die Förderung und Erhaltung des tibetischen Kulturgutes.

Weitere Informationen zum Programm und Ticketverkauf finden Sie unter:
www.dalailama2016.ch

http://www.hallenstadion.ch/events-tickets/2405/dalai-lama

Pressekontakt:
Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz & Liechtenstein (TGSL)
Frau Diky Garne
E-Mail: press@dalailama2016.ch