Im Mai 1995 verschwand der damals 6-jährige Junge Gendun Choekyi Nyima mitsamt seiner Familie spurlos und wurde bis heute nicht mehr gesehen. Einen Tag vorher war er vom Dalai Lama als 11. Inkarnation des Panchen Lama anerkannt worden. Sein Vorgänger, der in Tibet lebte und China mitunter explizit kritisierte, war unter mysteriösen Umständen nach einem kritischen Statement verstorben. Auf Anfragen ausländischer Medien, Diplomaten und internationaler Organisationen nach dem Verbleib und Wohlergehen von Gendun Choekyi Nyima antwortete die chinesische Regierung zuerst gar nicht, um später angesichts der Beharrlichkeit von Nachfragen jahrelang stereotyp die gleiche Antwort zu geben: er «führe ein normales Leben, es gehe ihm gut, und er wünsche nicht gestört zu werden.»
In diesem Jahr, in dem Gendun Choekyi Nyima seinen 30. Geburtstag hatte, gab es eine neue Nuance in Chinas Antwort. Während der diesjährigen Session der UN-Arbeitsgruppe über willkürliches und unfreiwilliges Verschwinden in Genf erklärte der chinesische Vertreter, Gendun Choekyi Nyima habe «studiert und einen Job gefunden.» Weitere Details wurden nicht genannt, und wie bisher schweigt China eisern über den Ort, an dem er lebt, sowie über Details seiner Familienangehörigen. Die UN-Arbeitsgruppe zeigte sich über die knappe Antwort unzufrieden und will mit weiteren Nachfragen insistieren.
Phayul, 22. November 2019 // Dr. Uwe Meya
Bild: Foto und Visualisierung des heute 30-jährigen Panchen Lama, wie er aussehen könnte: Free Tibet Campaign