Erdbeben in Tibet: «Eine Gelegenheit für die Mächtigen und Gierigen»

16. Januar 2025

Nur 2 Wochen vor dem starken Erdbeben in Dingri im Süden Tibets mit Stärke 7.1 am 7. Januar und dem Nachbeben mit Stärke 6.8 und weiteren Nachbeben kurz darauf wurde ein Video eines ehemaligen tibetischen Parteikaders mit Namen Lobsang Dorjee bekannt. Dieser prangerte den Missbrauch von Erdbebenhilfe nach dem verheerenden Erdbeben in Yushu (auch Yulshul geschrieben) im Jahr 2010 an.

Das Video des Kaders erschien zunächst etwa Mitte Dezember 2024 in chinesischen Sozialen Medien und wurde am 17. Dezember 2024 unter seinem Nutzernamen Sakar Tashi auf der Plattform X gepostet. In diesem Video zeigt er seine Identitätskarte, die ihn als früheren Regierungsmitarbeiter und Mitglied der Kommunistischen Partei ausweist. Es ist bereits das zweite Mal in kurzer Zeit, dass ein Tibeter offen über Soziale Medien mit Enthüllen seiner vollen Identität Missstände beklagt. Ein junger Tibeter mit Namen Tsongon Tsering hatte im Oktober Umweltschäden durch rücksichtlosen Abbau von Sand und Kies beklagt. Er wurde zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt.

Lobsang Dorjee alias Sakar Tashi sagt, dass nach dem Erdbeben 2010 Gelder für Nothilfe und zum Wiederaufbau in den Taschen korrupter Funktionäre verschwanden, so dass viele Betroffene ohne Hilfsmittel blieben. Protestierende wurden durch Drohungen, dass sie als „Terroristen“ der Polizei gemeldet würden, eingeschüchtert. Er betont ausdrücklich, dass alle betroffenen Personen ein Recht auf Anhörung und Petitionen haben und die Kommunistische Partei zum Wohle der Menschen arbeiten müsse.

Aus dem Erdbebengebiet von Dingri berichten Informanten, dass Mönchen und anderen Freiwilligen der Zutritt verweigert wird, angeblich um „Aufräumarbeiten und Sicherheitsmassnahmen“ nicht zu behindern. Auch wird über ausbleibende Hilfslieferungen geklagt. Fotos der Zerstörungen werden von Sozialen Medien gelöscht und Kinder müssen für die Medien chinesische Flaggen schwenken.

Hintergrund: Erdbeben in Yushu 2010

Beim Erdbeben in Yushu, das im April 2010 bis zu 10‘000 Todesopfer gefordert hatte, wurden lokale Freiwillige, die zum Teil mit blossen Händen in den Trümmern nach Überlebenden suchten, weggewiesen. Stattdessen wurden eilends aus dem chinesischen Festland eingeflogene Kräfte ausführlich von staatlichen TV-Crews gefilmt. Den Helfern wurde vorgeworfen, sie konzentrierten sich auf Rettungsarbeiten für hohe Partei- und Regierungskader. Sie waren meist höhenkrank und konnten kaum effizient arbeiten. Den Medien wurde befohlen, nur „Positives“ zu berichten. Private Hilfsgelder und Spenden aus dem Ausland wurden nicht angenommen, und bereits gesammelte Gelder mussten der Bezirksverwaltung übergeben werden. Auffallend war, dass fast ausschliesslich chinesische Regierungs- und Geschäftsgebäude unversehrt waren. Dagegen sind waren vor allem die qualitativ schlechten Siedlungen dem Erdboden gleichgemacht, die im Rahmen der Sesshaftmachung von Nomaden errichtet wurden. Später wurden Enteignungen von tibetischem Land und Gebäuden vorgenommen, um dort chinesisch geprägte Geschäftszentren zu bauen.

International Campaign for Tibet, 20. Dezember 2024 // Radio Free Asia, 13. Januar 2025 // Dr. Uwe Meya