Huawei testete Software für «Uiguren-Alarm»

15. Dezember 2020

Ein internes Dokument von Huawei, das der Washington Post zugänglich gemacht wurde, zeigt, wie der chinesische IT-Konzern vor 2 Jahren ein System zur Gesichtserkennung gemeinsam mit der ebenfalls chinesischen Software-Firma Megvii entwickelte. Das System lässt Überwachungskameras mittels Künstlicher Intelligenz verschiedene Ethnien identifizieren und kann gegebenenfalls einen «Alarm» auslösen.

Das Dokument auf der Huawei-Homepage wurde von der in Pennsylvannia beheimateten Firma IPVM entdeckt, die auf Analysen zu Videokontrollsystemen spezialisiert ist, und der Washington Post übermittelt. Huawei steuerte für dieses Projekt die Hardware-Infrastruktur wie Kameras, Server und Cloud Computing bei, während Megvii auf Software zur Gesichtserkennung spezialiert ist. Kurz nachdem die Washington Post Huawei zu einer Stellungnahme anfragte, verschwand dieses Dokument von der Homepage.

Das System wird mit einer grossen Zahl von Gesichtsfotos «trainiert» und identifiziert mittels von chinesischen Forschern bereits entwickelten Algorithmen typische Muster in Gesichtszügen ethnischer Gruppen wie Uiguren, Tibetern oder Mongolen. Bei Erkennung spezifischer, vorab definierter Merkmale kann ein «Alarm» ausgelöst werden. Im Bericht wird auf die «Interoperabilität» hingewiesen, die getestet wird, um die nahtlose Integration in Systeme von Behörden zur Überwachung der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Jederzeit könne das System in Echtzeit Momentaufnahmen von Fussgängern machen und Videosequenzen bis zu 10 Sekunden vor und nach Auslösen etwa eines «Uigurenalarms» abspielen.

Huawei und Megvii haben insgesamt drei Überwachungssysteme gemeinsam entwickelt; es ist unklar, ob dieses dazu gehört. Ein Sprecher von Huawei wies hin, im besagten Fall habe es sich lediglich um einen «Test» gehandelt, und das System sei noch nicht eingesetzt worden. Megvii dementierte, dass ihre Software ethnische Gruppen identifizieren könne. Beobachter wiesen darauf hin, dass derartige Anwendungen für autokratische Staaten sehr attraktiv sein dürften. Huawei hat bereits Uganda mit Kameras zur Gesichtserkennung ausgerüstet.

Nach Bekanntwerden dieser Zusammenarbeit kündigte der französische Fussballstar Antoine Griezmann (derzeit FC Barcelona) seinen Sponsorenvertrag mit Huawei. In der Schweiz ist Huawei unter anderem Sponsor von Swiss Ski.

China arbeitet bereits seit vielen Jahren an der Perfektionierung von Überwachungstechniken. Unter Leitung des Sicherheitsministeriums wurde 2015 damit begonnen, ein System zu entwickeln, das innerhalb von 3 Minuten Gesichter mit 90% Treffsicherheit den Fotos auf den Identitätskarten der Bürger zuordnen kann. Landesweit wurden zahlreiche grosse Datenspeicher erstellt, damit Überwachungskameras die aufgenommenen Gesichter den Fotos auf den Identitätskarten aller Chinesen zuordnen können.

Ganz ähnlich ist ein Projekt des Sicherheitsministeriums aufgesetzt, das mit hoher Präzision aufgenommene Stimmen solchen in einer Datenbank zuordnen kann. Ein Pilotprogramm startete bereits 2012 in der Provinz Xinjiang, wo bis 2015 insgesamt 70‘000 Stimmen erfasst wurden. Seit 2016 sind dort alle Bürger, die einen Pass beantragen, verpflichtet, eine Sprachprobe aufnehmen zu lassen. Die Firma iFlytech, die dieses System aufbaute, bewirbt ihr Produkt nicht nur als „automatisierte, intelligente Spracherkennungstechnologie“, sondern behauptet auch, dass diese inzwischen ebenso „Minoritätensprachen“ wie Uigur und Tibetisch erkennen kann.

Washington Post, 8. Dezember 2020 // Dr. Uwe Meya

Foto: Reuters