Am 7. Juli, dem letzten Tag der offiziellen Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag Seiner Heiligkeit des Dalai Lama im kalifornischen Orange County, wurden von den Vertretern seines Büros („Office of His Holiness the Dalai Lama“, OHHDL) die Mitglieder der Internationalen Shugden-Gemeinschaft („International Shugden Community, ISC) zu einem Treffen eingeladen, um zu erklären, welche Lügen sie Seiner Heiligkeit vorwerfen. Das Büro ist in Sorge, dass es unter den Shugden-Anhängern, die gegen den Dalai Lama protestieren, viele gibt, die über die Shugden-Thematik und die Haltung, die das geistige Oberhaupts der Tibeter dazu einnimmt, ungenügend informiert sind. Die Absicht des Büros ist dabei weniger, jene zu überzeugen, die die Problematik um den Shugden-Kult bereits kennen, aber weiterhin an den Demonstrationen gegen Seine Heiligkeit teilnehmen, als vielmehr jene zu erreichen, die darüber fehlinformiert sind. Zu dem Gespräch erschienen drei führende Mitglieder der ISC. Sie wiederholten ihre Anschuldigungen, die auf der Behauptung gründen, dass Seine Heiligkeit den Shugden-Kult verboten habe. Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen. Die Vertreter des Büros erläuterten, dass Seine Heiligkeit zwar schon seit vierzig Jahren von der Shugden-Verehrung abrät, aber ebenso unmissverständlich klargestellt hat, dass es letztlich in der individuellen Entscheidung der Shugden-Anhänger liegt, ob sie seinem Rat folgen möchten oder nicht.
Und tatsächlich haben bereits einige Mönche aus zwei Geluk-Klöstern in Südindien beschlossen, den Shugden-Kult fortzuführen und mit Shar Ganden Ling und Serpom Dratsang ihre eigenen Klöster zu gründen. Diese neuen Klöster sind Teil ihrer jeweiligen Siedlung im südindischen Exil und somit haben ihre Mitglieder die gleichen Rechte und Anspruch auf die gleichen Einrichtungen wie sie allen Bewohnern der Siedlungen zustehen.
Ein Hauptgrund, warum Seine Heiligkeit von der Ausübung der Shugden-Verehrung abrät, ist das mit dem Kult verbundene Sektierertum, das in der Geschichte dieses Kults gut dokumentiert ist. Denn in der Vergangenheit hat der Shugden-Kult ein weit verbreitetes Misstrauen zwischen verschiedenen Klöstern hervorgerufen. Das gilt besonders für Ost-Tibet. So hinderte der Kult Mitglieder der Geluk-Schule daran, spirituelle Unterweisungen aus der Nyingma-Tradition zu erhalten, und er führte sogar zu Entweihungen von sakralen Bildnissen und von religiösen Texten. Seine Heiligkeit empfindet tiefes Bedauern angesichts solcher Spaltung und Disharmonie in der buddhistischen Tradition Tibets. Als jemand, der sich aktiv für Harmonie und Verständnis zwischen den Religionen einsetzt, wendet er sich gegen jede Form von Diskriminierung aufgrund von Glaubenszugehörigkeit.
Ein genaues Verständnis der Shugden-Thematik erfordert eine unvoreingenommene Erforschung der beinahe 400 Jahre alten Geschichte dieses Kults mit all den Kontroversen, die er ausgelöst hat. Das betrifft besonders die Entwicklung in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts. Seine Heiligkeit der Dalai Lama betrachtet es als seine moralische Pflicht, seinen Schülern von der Ausübung des Shugden-Kults abzuraten. Damit folgt er dem Beispiel seiner bedeutenden Vorgänger, insbesondere dem Grossen Fünften und dem Dreizehnten Dalai Lama.
Quelle:
Office of the Special Representative of H. H. the Dalai Lama to Europe
Zurich