Massenproteste in Lhasa wegen Covid-Lockdown

28. Oktober 2022

Am 26. Oktober kam es in Lhasa an mehreren Orten zu Massenprotesten wegen der rigiden Covid-Massnahmen. Es handelt sich um die grössten öffentlichen Proteste seit dem Aufstand von 2008.

Mehrere Fotos und Videos der Proteste erschienen auf chinesischen sozialen Medienplattformen wie Douyin, wurden zwar rasch durch die Zensur gelöscht, verbreiteten sich aber dennoch auf anderen Plattformen weiter. Die Videos, von denen zumindest die meisten eindeutig Lhasa zugeordnet werden konnten, zeigen am Nachmittag und Abend des 26. Oktober an mehreren Orten in Lhasa hunderte von Personen auf den Strassen. Polizei und Personen in weissen Schutzanzügen versuchen, die Menge aufzuhalten und zurückzudrängen. Auch wurden Strassen durch Fahrzeuge blockiert. Es sind Lautsprecherdurchsagen zu hören, die die Protestierenden auffordern, «Verständnis zu zeigen» und wegzugehen.

Offenbar handelt es sich bei den Protestierenden mehrheitlich um Han-chinesische Arbeitsmigranten, die unter dem rigiden Lockdown in Lhasa leiden. In Sprechchören fordern sie, zurück nach Hause gehen zu dürfen. Auch sind tibetische Parolen zu hören. Obwohl nicht alle Parolen verständlich sind, wird von mehreren Quellen berichtet, dass die Drohung ertönte, man würde «ein Feuer entfachen». Es ist unklar, ob darauf auf Selbstverbrennungen angespielt wird.

Zahlreiche Beiträge in sozialen Medien seit August beklagen, dass sich die Bevölkerung nicht rechtzeitig auf den radikalen und langdauernden Lockdown vorbereiten konnte, die Lebensmittelvorräte zur Neige gingen und medizinische Behandlung fehle. Mehrere Beiträge berichten von ununterbrochener Isolation über nahezu 80 Tage. Es seien kaum noch Lebensmittel zu erhalten, und die Preise seien enorm gestiegen. Arbeitsmigranten klagen, dass sie während der Isolation keinen Lohn erhielten und daher das Geld ausgehe, um Lebensmittel zu kaufen.

In Lhasa kam es wegen der Zustände zu mindestens 5 Selbstmorden. Aus der Stadt Ghulja in Ost-Turkestan (chin. Xinjiang) wurden im September 22 Todesfälle wegen unzureichender medizinischer Behandlung und durch Verhungern gemeldet.

Video auf Youtube: https://youtu.be/tf1P00j4JxA

Radio Free Asia, 26. Oktober 2022 // BBC, 27. Oktober 2022 // Dr. Uwe Meya

Foto: Radio Free Asia