Die Schweiz will die Zusammenarbeit mit China im Rahmen der Neuen Seidenstrasse ausweiten – dass diese Koooperation ihren Preis hat, zeigt der Auftritt des Schweizer Bundespräsidenten Ueli Maurer am Montag in Peking. Er sprach nicht offen die Lage der Menschenrechte im Land an, die sich rapide verschlechtert hat. Er übte sich in Ausflüchten, die man sonst nur von der KP selbst kennt. Ja, das Land habe «einen gewissen Nachholbedarf», sagte er, doch sei China auch ein Entwicklungsland, und er selbst könne gar nicht beurteilen, ob sich die Lage wirklich derart verschlechtert hätte, wie berichtet würde.
Dabei gibt es da ziemlich eindeutige Berichte, zum Beispiel über die Arbeitslager in Xinjiang, wo China den Vereinten Nationen zufolge eine Million Menschen festhält. Maurer schwieg dazu. Mundhalten ist das Erste, was China seinen Partnern beibringt. Es folgen: wegschauen, schweigen, mitmachen.
Dass die Schweiz bei so etwas mitspielt, ist ein Armutszeugnis. Viele Länder aus Afrika, Zentralasien und Südostasien beteiligen sich an der Neuen Seidenstrassé, weil sie hoffen, mit chinesischem Geld dringend notwendige Infrastrukturprojekte finanzieren zu können. Die Schweiz hat das nicht nötig. Sie knickt vor den Interessen der heimischen Wirtschaft ein. Dass Maurer dies als Entwicklungshilfe verkauft und auf die «lange humanitäre Tradition» der Schweiz verweist, ist schlicht perfide. Die humanitäre Tradition, auf die das Land zu Recht stolz ist, hat er an diesem Tag über Bord geworfen.
Leittartikel der Süddeutschen Zeitung, 30. April 2019 // von Lea Deuber (recherchiert von Jan T. Andersson)