Lodoe Gyatso, ein bekannter ehemaliger politischer Gefangener, wurde Ende letzten Monats festgenommen, als er in Lhasa einen Soloprotest gegen die chinesische Regierung veranstaltete. Inzwischen wurde er dem Public Security Bureau des Bezirks Sog in der Präfektur Nagchu, TAR, überstellt. Dies ist Lodoe Gyatsos zweite Festnahme seit seiner Freilassung 2013, nachdem er 21 Jahre im Gefängnis gewesen war.
Am 28. Januar dieses Jahr protestierte Lodoe Gyatso ganz alleine vor dem historischen Potala Palast, der traditionellen Winterresidenz der Dalai Lamas, in der tibetischen Hauptstadt Lhasa. Wie aus einer Quelle hervorgeht, reiste Lodoe Gyatso von seiner Heimat im Bezirk Sog nach Lhasa, absolvierte den gesamten Umrundungsweg um den Potala Palast, blieb dann vor dem historischen Bauwerk stehen und rief Protestslogans gegen die chinesische Regierung. Nur vier Minuten dauerte der Protest, dann nahm ihn die Lokalpolizei fest. Was für Slogans genau er rief, ist unbekannt, doch gab es einige Zeugen bei seiner Festnahme. Am folgenden Tag wurde er den Bezirksbehörden von Sog überstellt, und vermutlich werden diese sowie die Behörden der Präfektur Nagchu gegen ihn ermitteln.
In einer Videobotschaft vom Anfang des Jahres sprach Lodoe Gyatso von seinem Plan, am 28. Januar in Lhasa zu protestieren. In dem kurzen Video von etwas mehr als einer Minute nennt er die Gründe und die Motivation für seine wiederholten Proteste gegen die chinesische Regierung. Er sagt, Tibet sei eine Zone des Friedens und Tausende von Jahren hätten sich die Tibeter mittels des Prinzips der gegenseitigen Abhängigkeit, der Gewaltlosigkeit und der Philosophie des Mittleren Weges, entsprechend der Vision des Dalai Lama, zur Förderung des Weltfriedens um den Frieden in der Welt bemüht. Für den Frieden in der Welt hätten sich über einhundert Tibeter selbst verbrannt, und er selbst habe seit elf Jahren seinen Geist, Körper und seine Rede eingesetzt, um den Weltfrieden zu fördern. Er beendete seine Botschaft mit der Ankündigung seines Protestes am 28. Januar in Lhasa als Start seiner Kampagne für den Weltfrieden.
Seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis 2013 hat Lodoe Gyatso mehrmals offen die chinesischen Behörden wegen ihrer repressiven Politik in Tibet kritisiert. 2016 wurde er über zwei Monate lang im Haftzentrum Tsamda im Bezirk Driru eingesperrt, weil er gegen die Ausweisung von Mönchen und Nonnen aus den religiösen Institutionen in tibetischen Gebieten außerhalb der TAR protestiert hatte. Die chinesischen Behörden hatten angeordnet, daß die Mönche und Nonnen aus der Präfektur Nagchu, die in Larung Gar, Yachen Gar und dem Kloster Sershul studierten, nach Hause zurückkehrten. Falls sie der Anweisung nicht Folge leisteten, würden ihre Angehörigen von der Ernte des Yartsa Gunbhu Pilzes ausgeschlossen, der die Haupteinnahmequelle der meisten Familien in Tibet darstellt.
Seit 2013 haben die chinesischen Behörden Mönche und Nonnen, die im Besitz von TAR-Residenzscheinen waren, daran gehindert, in den Provinzen Sichuan, Gansu, Qinghai oder Yunnan gelegene monastische Institutionen aufzusuchen, um dort zu studieren. Lodoe Gyatso tadelte die Art und Weise, wie die chinesische Regierung die Mönche und Nonnen behandelte als eine schwere Verletzung ihrer Rechte, wie sie sowohl im chinesischen als auch im internationalen Recht verankert sind. Er klagte die Behörden an, weil sie den Mönchen und Nonnen ihr Recht auf die Freiheit der religiösen Ausbildung wegnahmen und sie behandelten als seien sie Verbrecher. 2015 kritisierte Lodoe Gyatso offen die chinesischen Behörden, weil sie die in den Bezirken Drachen, Sog und Driru wohnenden Tibeter zwangen, mit Tiger- und Leopardenfellen besetzte Chubas zu tragen und zur Feier des Gründungstages der Volksbefreiungsarmee am 1. August (in China als der „Army Day“ bekannt) Lieder und Tänze darzubieten.
Das TCHRD verurteilt auf das Heftigste die Festhaltung von Lodoe Gyatso an einem unbekannten Ort und ruft die chinesische Regierung auf, ihn sofort und bedingungslos freizulassen. Das Zentrum ist tief besorgt, dass er wegen seiner Festsetzung in Isolationshaft und dem ungezügelten Einsatz von Folter in chinesischen Haftzentren in ganz Tibet in Gefahr steht, gefoltert oder anderen grausamen, unmenschlichen und herabwürdigenden Behandlungen oder Bestrafungen ausgesetzt zu sein.
Es ist inakzeptabel, dass Lodoe Gyatso 2016 über zwei Monate lang ohne Rechtsverfahren festgehalten wurde. Die einzige Erklärung der Vollzugsbehörden war, daß das Haftzentrum, in dem er festgehalten wurde, ein „Zentrum für Rechtslehre“ sei. Es war schon lange ein offenes Geheimnis, dass viele Haftzentren seit der Abschaffung der berüchtigten Einrichtungen zur „Umerziehung durch Arbeit“ jetzt als „Zentren für Rechtslehre“ genutzt werden. Die derzeitige Festhaltung von Lodoe Gyatso auf seinen friedlichen Protest in Lhasa hin ist eine Verletzung seines Rechts auf Versammlungs- und Redefreiheit, das sowohl in der chinesischen Verfassung als auch im internationalen Menschenrecht garantiert wird.
Lodoe Gyatso, 51, war am 2. Mai 2013 entlassen worden, nachdem er 21 Jahre im Gefängnis Chushur bei Lhasa verbracht hatte. Er wurde 1962 im Dorf Sogkhar in der Gemeinde Tsadog im Bezirk Sog, tibetische Provinz Kham, geboren.
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD), www.tchrd.org
13. Februar 2018
Übersetzung: Adelheid Dönges, Revision: Angelika Oppenheimer