Nahm die «Weltwoche» Geld von China für Artikelserie?

25. Dezember 2019

Seit März dieses Jahrs erhielt der chinesische Botschafter in der Schweiz, Geng Wenbing, die Gelegenheit, jeden Monat eine persönliche Kolumne in der «Weltwoche» zu schreiben. Laut Chefredakteur Roger Köppel würde in der westlichen Presse allzu oft die chinesische Sichtweise zu kurz kommen. Durch Kolumnen, die die Sichtweise der Regierung der Volksrepublik China aufzeigen, könne zur «Völkerverständigung» beigetragen werden. Der erste Beitrag des Botschafters am 4. April befasste sich mit Tibet. Er schrieb unter anderem, unter chinesischer Herrschaft» «…regeln sie [die Tibeter; UM] selbständig ihr Leben in Bezug auf lokale und ethnische Angelegenheiten. Unter der speziellen Fürsorge der Zentralregierung und mit der Unterstützung des ganzen Landes arbeitet das tibetische Volk derart hart und fleissig, dass sich die Wirtschaft rasant entwickelt. …dazu steht die traditionelle Kultur des tibetischen Volkes unter speziellem Schutz, und die Bewohner geniessen die Religionsfreiheit in vollem Umfang.»

Nun berichtet die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), dass es einen auffallenden – zumindest zeitlichen – Zusammenhang mit Inseraten von in der Schweiz ansässigen chinesischen Firmen in der «Weltwoche» gibt. Parallel zu den Kolumnen erschienen acht ganzseitige Inserate im Wert von jeweils 10’000 Franken. Der NZZ liegen angeblich Mails vor, die zeigen, dass die chinesische Botschaft diese Inserate nicht nur koordinierte, sondern auch bezahlte. 

Mehr noch, im Herbst 2018 veröffentlichte die Weltwoche ein Sonderheft mit dem Titel «China verstehen». Hier soll die chinesische Botschaft vorab die Gelegenheit erhalten haben, die Texte zu redigieren. Als Resultat soll es sich bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens nur noch um ein «Ereignis» gehandelt haben.

Roger Köppel dementierte die Zahlungen für die Inserate nicht, sondern fügte lediglich an, dass die «redaktionelle Letztverantwortung» jederzeit bei ihm persönlich gelegen habe.

Tagesanzeiger, 17. Dezember 2019 // Dr. Uwe Meya