Pakt statt Paroli: Die Deutsche Welle sucht die Nähe zu Chinas Mächtigen

7. Oktober 2014

Süddeutsche Zeitung, 4.10.14, Christoph Giesen und Kai Strittmatter –
Ein Jahr ist Peter Limbourg nun im Amt als Intendant der Deutschen Welle (DW). Dass der Jahrestag beim steuerfinanzierten Auslandssender auf den 1. Oktober, den chinesischen Nationalfeiertag und Gründungstag der Volksrepublik fällt, ist ein kurioser Zufall. China lässt die Welle und ihren Intendanten seit Monaten nicht los. Der Deutsche Journalistenverband bezeichnet den neuen China-Kurs des ehemaligen Privatfernsehmanns – Limbourg war zuvor bei der Pro Sieben Sat 1-Media AG – als „Kotau“ vor der Führung in Peking, die Journalisten-Vereinigung Reporter ohne Grenzen fordert: „Die Deutsche Welle muss ihre China-Strategie ändern.“ Und die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Tabei Rössner, sagt: „Die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Deutschen Welle stehen auf dem Spiel.“

Der öffentliche Streit begann im Juni dieses Jahres. Limbourg hatte im Februar als neuen Kolumnisten den pekingfreundlichen Frank Sieren angeheuert, dieser sorgte zum 25. Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens für Aufsehen, als er die gewaltsame Niederschlagung der Studentenproteste in seiner Kolumne als „Ausrutscher“ Pekings abtag. Im Juli dann wurde der langjährige Leiter der China-Redaktion entmachtet, im August kündigte die DW der Autorin Su Yutong, die redaktionsinternen Streit öffentlich gemacht hatte. Und vor einem Monat schliesslich verkündete der Sender, künftig mit dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV kooperieren zu wollen. Man wolle „möglichst viel Programm in der Welt verbreiten“, erklärte Limbourg seine Bemühungen. Der Gesprächsfaden mit Peking sei abgerissen, „nun versuche ich ihn wieder zu knüfen“.

Der SZ liegen interne Dokumente der DW vor, die zeigen, dass schon seit Monaten an eben jenem Gesprächsfaden „geknüpft“ wird. Den Veränderungen in der China-Redaktion der DW waren mehrere Treffen mit chinesischen Diplomaten vorausgegangen. Zum Beispiel am 22. April in der Berliner DW-Redaktion. Im Protokoll der Sitzung heisst es: „Im weiteren Verlauf des Gesprächs bezog sich Herr Z. (Name des chinesischen Diplomaten abgekürzt) auf die Treffen zwischen dem Intendanten Limbourg mit dem chinesischen Botschafter mit dem Ziel einer Verbesserung und Entspannung der derzeitigen Beziehungen der DW zu China. Herr Z. sagte, die Botschaft erwarte eine ‚objektivere Berichterstattung’. Die Botschaft beobachte die Webseite der chinesischen DW-Redaktion aufmerksam. Leider sei bisher ‚keine substantielle Verbesserung’ bemerkbar. Erst wenn es in dieser Hinsicht Veränderungen gebe, köne die Zusammenarbeit von chinesischer Seite neu beginnen, etwa bezüglich Akademie, Frequenz-Zuteilung etc.“

Am 14. Mai folgt ein weiteres Treffen, diesmal in Bonn. Knapp vier Monate später konnte Limbourg die angestrebte Kooperation verkünden. Ein Sprecher des Senders dementierte energisch einen Zusammenhang: „Für die DW ist die anhaltende Kritik der chinesischen Botschaft der beste Beleg, dass die DW ihre Berichterstattung nicht nach Wünschen des Botschafters ausrichtet – wie im Übrigen auch unser aktuelles Angebot beweist.“

Bemerkenswert am internen Sitzungsprotokoll vom 22. April ist jedoch auch, dass die DW-Vertreterin die Kritik der chinesischen Botschaftsmitarbeiter mit dem Hinweis auf den neuen Kolumnisten Sieren konterte. Allerdings, schreibt sie: „Die von mir erwähnte Kolumne von Frank Sieren schien der Botschaft noch nicht aufgefallen zu sein.“ Das dürfte spätestens seit Sierens Kommentar zum Tiananmen-Massaker anders sein. Sieren schriebt fünf Kolumnen pro Woche, sie erscheinen auf deutsch, englisch und chinesisch. Niemand im Sender darf so oft kommentieren. Das einflussreiche Pekinger Parteiblatt Global Times lobte schliesslich im August. „In den letzten Monaten hat sich die Kommentierung der Webseite Peking mehr und mehr angenähert.“

In einem Interview mit der Zeit warb DW-Chef Limbourg kürzlich um deutlich mehr Geld für den Sender und begründete dies mit einer hehren Mission: „Unsere Werte in der Welt zu verbreiten ist eine nationale Aufgabe. Wir müssen zum Beispiel Putins Propaganda endlich Paroli bieten.“ Auf die schriftliche Nachfrage, ob das auch für Propaganda von Chinas Staatschef Xi Jinping gelte, und wenn ja, wie sich ein solches Paroli-Bieten mit der angestrebten Kooperation mit Chinas Propagandasender CCTV vereinbaren lasse, antwortete Limbourgs Sprecher ausweichend: Die DW wolle „durch guten Journalismus nach westlichen Standards“ aufklären.

Das wichtigste China-Thema ist derzeit die Lage in Hongkong. Die Demonstrationen dort sind wohl die schärfste Herausforderung für die Kommunistische Partei, seitdem Studenten 1989 den Platz des Himmlischen Friedens besetzten. Kolumnist Sieren befasst sich derweil lieber mit dem Umbau des chinesischen Finanzsystems, auf die Entwicklungen in Hongkong ging er bis Freitag jedenfalls nicht ein. Nur im Archiv findet sich Sierens Meinung: „Im Februar schrieb er über Hongkong: „Wie versprochen“ habe Peking die lokalen Gesetzte „und auch die Meinungsfreiheit bis heute weitgehend unangetastet“ gelassen.