Seine Heiligkeit der Dalai Lama und Greta Thunberg im Gespräch mit Wissenschaftlern über die Klimaproblematik

3. März 2021

tibetfocus tf151 – ausführlicher Text zum Klimafocus

Autor Hans Marty

Im Rahmen des Mind and Life Instituts, 1987 mit Beteiligung S. H. des Dalai Lama begründet, fand am 9.1.2021 online ein Gespräch statt, das besonders auf die Problematik der Rückkopplungseffekte (feedback loops) bei der Klimaerwärmung einging. Zu diesem Thema sind im Internet fünf Kurzfilme abrufbar, in welchen mit Richard Gere als Sprecher fünf wesentliche Rückkopplungseffekte auf gut verständliche Weise durch Fachwissenschaftler/-innen erläutert werden. Unter Leitung von Diana Chapman Walsh, Leiterin des Instituts, trafen sich erstmals S. H. der Dalai Lama und die Umweltaktivistin Greta Thunberg virtuell zu einer Diskussion, in deren Verlauf sich zwei der beteiligten Umweltwissenschaftler/-innen, Susan Natali und William Moomaw, zu den entsprechenden Kurzfilmen äusserten. In der Einleitung zur Diskussionsrunde wurde das neueste Buch S. H. des Dalai Lama erwähnt, das unter dem Titel «Our only home – a climate appeal to the world» einen dringlichen Appell zum Handeln an uns alle richtet.

Zunächst richtete S. H. der Dalai Lama das Wort an Greta Thunberg, der er einen Brief geschrieben hatte. Darin hält er fest, dass wir Menschen die Einzigen seien, die unsere Erde zerstören, aber auch schützen können. Dafür habe uns Greta die Augen geöffnet und viele junge Leute aufgerüttelt. Er drückt seine Bewunderung für Greta Thunberg aus, es sei ermutigend, wie sie sich um unsere Zukunft kümmere. Wir Menschen schaffen viel Gutes, aber auch viele Probleme. Wir denken zuerst immer an uns selbst, unsere Nation, unsere Familie. Nun aber sei es notwendig, dass wir als eine einzige menschliche Gesellschaft denken und handeln. In ihrer Antwort bedankt sich Greta Thunberg für den Brief und vor allem für den Einsatz S. H. des Dalai Lama für die Umwelt. Er und sie haben trotz grosser Unterschiede ein gemeinsames Ziel: unseren Planeten und das Leben darauf zu schützen. Darauf antwortet S. H. der Dalai Lama, dass er grosse Hoffnungen auf die junge Generation setze. Mit unserem materialistischen Denken haben wir zu wenig an die Umwelt gedacht. Seine Generation habe viele Probleme geschaffen, die die Jungen nun lösen müssen.

In einem Ausschnitt des Einführungsfilms geht Greta Thunberg auf das aktuelle Diskussionsthema ein, die Rückkopplungseffekte, die zu Umkipppunkten (tipping points) mit irreversiblen Kettenreaktionen führen können. Konkret bedeutet hier ein Rückkopplungseffekt, dass die Erwärmung, bedingt durch den Anstieg der Treibhausgase, zu einer weiteren Zunahme der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit (Abbildung 1) führt. Greta Thunberg ist überzeugt, dass entscheidende Veränderungen immer vom Volk ausgegangen sind, und ein solcher Wechsel sei nun dringend nötig.

Im zweiten Kurzfilm berichtet die Forscherin Susan Natali über ihre Ergebnisse in der Arktis, wo sie einen Temperaturanstieg feststellt, der mehr als doppelt so schnell ist wie auf der übrigen Erde, vor allem wegen der Eis-Albedo-Rückkopplung (siehe unten). Die Folge ist ein massives Auftauen des Permafrosts, der riesige Mengen an Kohlenstoff enthält. Dies verändert einerseits die Landschaft, was durch die Instabilität Gefahren für die darauf bestehende Infrastruktur und die dortigen Bewohner/-innen bringt. Andererseits taut der Kohlenstoff im Boden auf, er wird durch Mikroben abgebaut und in CO2 und Methan umgewandelt, die als Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, was auch auf dem tibetischen Hochplateau wiederum die weitere Erwärmung fördert. Auch der erwärmungsbedingte Wechsel in der Vegetation führt zu vermehrter Methanfreisetzung.

Der Klimaforscher William Moomaw befasst sich im dritten Kurzfilm mit der Rolle der Wälder in der Klimaproblematik. Er führt aus, dass sich mit der Erwärmung der Wälder, der Feuchtgebiete, des Graslands und der landwirtschaftlich genutzten Flächen der Metabolismus von Pflanzen und Bodenmikroben erhöht, so dass sie weniger Kohlenstoff speichern und mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen, auch dies ein bedeutender Rückkopplungsmechanismus. Mit höheren Temperaturen nimmt der Insektenbefall der Bäume zu und Waldbrände, wie letztes Jahr in Australien und im Westen der USA, werden häufiger. Negative Rückkopplungseffekte lassen sich sowohl im Amazonasregenwald wie auch im borealen Gürtel auf der Nordhalbkugel und bei den Wäldern im gemässigten Klima feststellen. Damit besteht die Gefahr, dass die Wälder statt zu einem Kohlenstoffspeicher zu einem Emittenten von CO2 werden. Die Rückkopplungseffekte lassen sich umkehren, indem mit dem Erhalt der Wälder und naturnaher Bewirtschaftung ein Kühlungseffekt erzielt wird, der desto mehr zunimmt, je mehr die Waldfläche vergrössert wird.

In der darauffolgenden Diskussion wird klar, dass die Bedeutung der Rückkopplungseffekte auch in den vorliegenden Modellrechnungen zur Klimaentwicklung noch zu wenig berücksichtigt wird. S. H. der Dalai Lama weist auf die zunehmende Wüstenbildung in Tibet und weltweit hin. Für alle ist klar: Der Bedarf zum raschen Handeln ist gegeben, oder wie es die Tagungsleiterin ausdrückt: «Wir können uns nicht erlauben, zu spät zu sein.»

In der Schlussrunde betont die Gesprächsleiterin den lebenslangen Einsatz S. H. des Dalai Lama für die Umwelt, nicht nur auf dem tibetischen Hochplateau, sondern weltweit, und seine Überzeugung, dass mit dem nötigen Einsatz eine Wende möglich ist. Für Greta Thunberg ist besonders wichtig, dass vor allem die jungen Leute sich der Klimaproblematik bewusstwerden und eine kritische Masse Engagierter erreicht wird, die nicht mehr ignoriert werden kann. Es geht ihr nicht allein um die Klimaproblematik, sondern generell um die Wiederherstellung der Natur, und damit auch der Biodiversität. Für Professor Moomaw ist besonders wichtig, durch Reduktion der Treibhausgase, namentlich CO2 und Methan, unter anderem mit der Waldbewirtschaftung eine Kühlung der Arktis zu erreichen und damit die Rückkopplungseffekte umzukehren (siehe Abbildung 2). S. H. der Dalai Lama spricht die Bedeutung junger Menschen wie Greta Thunberg für das Bewusstwerden der Klima-realität an: «Wir selber haben das Problem der Klimaerwärmung verursacht, da nützt es nichts, Buddha oder Gott anzurufen, sondern wir selber müssen dieses Problem lösen.»

Im Schlusswort führt Diana Chapman Walsh für die Klimaproblematik das Bild eines brennenden Hauses vor Augen. Zwar stehen zum Löschen des Brandes genügend Feuerlöscher zur Verfügung, doch nun gilt: «Let’s do this work together.»

Die Kurzfilme zur Einführung ins Thema Rückkopplungseffekte und deren erste zwei, nämlich über «feedback loops» in der Arktis und in den Wäldern, wurden in der Diskussion bereits ausschnittsweise gezeigt. Zwei weitere bedeutsame Rückkopplungseffekte werden ebenfalls in Kurzfilmen drastisch vor Augen geführt:

Im Bereich der Atmosphäre werden zwei «feedback loops» dargestellt: Zum einen geht es um die Wolkenbildung, die mit steigenden Temperaturen zunimmt. Zwar können Wolken, bestehend aus Wasserdampf – einem ebenfalls wärmespeichernden Gas – sowohl einen kühlenden wie einen wärmenden Effekt zur Folge haben, wobei die Erwärmung überwiegt. Mit steigender Temperatur erwärmen sich die Ozeane, womit mehr Wasserdampf in die Atmosphäre gelangt, was wiederum die Wolkenbildung fördert. Zum anderen wird der Jetstream, der in grosser Höhe von West nach Ost um die Nordhalbkugel strömt, mit steigender Erwärmung vor allem der Polgebiete schwächer, weil er von der Temperaturdifferenz zwischen Äquator und Pol angetrieben wird. Dies führt dazu, dass er mehr nach Norden und Süden ausbricht und hat möglicherweise zur Folge, dass die mit ihm in Verbindung stehenden Wetterlagen länger andauern. Das heisst, dass nasse wie trockene Phasen länger andauern. Dies könnte die lange Hitzewelle miterklären, die in Australien die heftigen Waldbrände 2020 begünstigt hat.

Im letzten Film wird die Eis-Albedo-Rückkopplung erläutert. Mit dem Albedo-Effekt wird die Rückstrahlung der Sonnenstrahlung durch Eis und Schnee bezeichnet, was vor allem an Nord- und Südpol in grossem Mass erfolgt. In der Arktis lässt sich feststellen, dass die dortige Eisdecke über dem Ozean im Sommerhalbjahr früher schmilzt und später wieder zufriert. Der dunkle Ozean nimmt viel mehr Wärme auf. Dadurch treten mehr Wasserdampf und CO2 aus, was die Erwärmung weiter vorantreibt. Derselbe Prozess lässt sich auch in der Antarktis beobachten, was unter anderem einen Anstieg des Meeresspiegels zur Folge hat. Wie in den anderen Kurzfilmen drücken die beteiligten Forscher/-innen die Hoffnung aus, dass es rechtzeitig gelingen könnte, den Ausstoss der Treibhausgase und damit den Temperaturanstieg zu verringern und damit die beschriebenen Rückkopplungseffekte umzukehren.

Hans Marty

Ich danke Heinz Wanner, emeritierter Professor für Klimatologie an der Universität Bern für die kritische Durchsicht.

Hier gelangen Sie zu den Filmen

/https://gstf.org/2021/01/10/s-h-der-dalai-lama-und-greta-thunberg-mit-umweltwissenschaftlern-im-austausch/