von Wangpo Tethong –
Mit einer Mischung aus Hoffnung und grosser Sorge haben die Tibeter wie andere Interessensgruppen die Verhandlungen zum Handelsabkommen mit China mitverfolgt und sind gespannt, was die Diskussion im Nationalrat ergeben wird. Das Thema steht – und das ist auch den Tibetern bewusst – im Kontext der voranschreitenden Globalisierung und die Nationalräte haben die schwierige Frage zu beantworten, wie die Schweiz und China dabei ihre Handelsbeziehungen zueinander und letztlich zur restlichen Welt gestalten sollen.
Roland Fischer (Nationalrat Luzern) hat in einer Interpellation dem Bundesrat die Frage nach den Auswirkungen des Handelsabkommens auf das tibetische Hochplateau gestellt. In seiner nicht ausreichenden – ja fast irreführenden – Antwort verweist der Bundesrat auf Studien zu diesem Thema, welche er bei Experten in Auftrag gegeben hat und beschwichtigt, dass der Handel zwischen China und der Schweiz im Grunde sehr gering sei. Die umweltpolitischen Konsequenzen, die sich für ihn daraus ergeben, sind für die Tibeter nicht akzeptabel: Den Vertragspartnern soll es überlassen sein, völlig unverbindlich zu entscheiden, welche Massnahmen sie bei Umweltfragen ins Auge fassen wollen. Ein „Gemischter Ausschuss“, der gemäss Vertragstext für ganz andere Themen verantwortlich ist, soll dann für die Überwachung der Umweltfolgen des Vertrags zuständig sein.
1. Es ist enttäuschend zu sehen, dass andere Fachleute aus der Verwaltung, die eine realistischere Einschätzung der Problematik haben, bei der Ausarbeitung des Vertrages wenig Einfluss hatten. So hält Karine Siegwart von der Abteilung Internationales beim BAFU mutig zum Thema fest: «Angesichts dieses intensiven Warenaustausches tragen wir eine beträchtliche Mitverantwortung für die Herstellungsbedingungen in China»
2. Bei ihrer Aussage mag Frau Siegwart an die beinahe kriminellen Arbeitsbedingungen, die chemieverseuchten Kloaken rund um viele Fabriken oder an die tibetischen Nomaden, die durch eine immer hemmungslosere wirtschaftliche Tätigkeit aus ihren angestammten Lebensräumen vertrieben werden, gedacht haben.
Gerade in den letzten Monaten häufen sich die Proteste gegen illegale wie auch staatliche Minenprojekte. Tibetische Nomaden aus dem Bezirk Dzatoe haben im August 2013 den langen Weg nach Peking auf sich genommen, um einen Stopp der
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Der Hinweis auf den Gemischten Ausschuss betrifft vermutlich den Artikel 1 des Zusatzabkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der technischen Handelshemnisse, Santiäre und Phytosanitären Massnahmen.
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http://www.bafu.admin.ch/dokumentation/umwelt/11907/11946/index.html?lang=de
Minenarbeiten in ihrer Region zu verlangen. Geschehen ist nichts, ausser dass die Verantwortlichen der Mine einen Protest, an dem auch Kinder und ältere Menschen teilnahmen, brutal niederknüppeln liessen. Die Menschen wehren sich zunehmend gegen die Minenprojekte und ihren Folgen. Am 29. März wurde in Gyama in einer Kupfer- und Goldmine rund 83 Minenarbeiter von einem Erdrutsch begraben. Die Einheimischen sind sich sicher, dass der Bergbau schuld ist.3 In Driru gingen am 25. Mai 2013 über 5000 Menschen auf die Strasse, um für die Schliessung eines Minenprojekts zu protestieren.
Was Tibet betrifft, sind der fehlende Schutz der Umwelt (und die damit einhergehende zerstörerische Ausbeutung der Umwelt) das Grundübel dieses Vertrags. Das Ökosystem des tibetischen Hochlands lässt sich in seiner Bedeutung und Schutzwürdigkeit mit der Arktis oder dem Amazonas vergleichen. Es ist wie diese gefährdet. Diese Tatsache wird vom Bundesrat nicht bestritten, allerdings werden keine Konsequenzen daraus gezogen. Dabei sollte er uns mindestens das Recht verschaffen, zu wissen, unter welchen Bedingungen das Kupfer oder das Lithium für unsere Handys abgebaut wird.
Sollten auch die Europäische Union (EU) oder andere Staaten dem Schweizer Beispiel folgen und ihre Handelsverträge mit China mit gar keinen oder nur zahnlosen ökologischen und sozialen Standards ausstatten, sieht es für das „Dach der Welt“ düster aus. Es besteht nämlich ein direkter Zusammenhang zwischen dem Entscheid im Schweizer Parlament und der zukünftigen Entwicklung Tibets: Dieser Vertrag wird als Vorlage für die EU dienen. Die Handelsvolumen werden spätestens dann ein Ausmass erhalten, der den Rohstoffbedarf markant erhöhen wird. Die Ausweitung der zerstörerischen Ausbeutung der natürlichen Vorkommen in Tibet und weltweit wird durch diesen Vertrag begünstigt.
China selber scheint nämlich nicht in der Lage zu sein, die sich widersprechenden Interessen von nationaler Selbstbehauptung, Umwelt und Wirtschaft unter einen Hut zu bringen. Einerseits möchte man sich kosteneffizient, wenn nötig auf den internationalen Märkten, mit Rohstoffen versorgen. Im Zuge einer nationalen Strategie für einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad wurde andererseits die Erkundung der Inland-Vorkommen von strategischen Rohstoffen zum prioritären Ziel deklariert.
Die in Tibet festgestellten Kupfervorkommen (80 Mio. Tonnen) und Lithiumressourcen sind dabei besonders wichtig für China. Die im Weltmassstab gesehen mittelgrossen Vorkommen können gemäss Experten unter normalen Bedingungen nicht wirtschaftlich gefördert werden. Gemäss offiziellen Quellen werden alleine im Rahmen des 12. Fünfjahresplans (2011-2015) 16 Milliarden RMB
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http://www.economist.com/news/china/21575783-‐fatal-‐landslide-‐tibet-‐raises-‐questions-‐
about-‐rush-‐regions-‐resources-‐price
(2,4 Milliarden CHF) an direkten Subventionen in Bergbauprojekte und über 4,8 Milliarden CHF für die benötigte Infrastruktur investiert. Die massive staatliche Förderung von ehrgeizigen Infrastrukturprojekten sowie grosszügige Steuergeschenke führen dazu, dass der Betrieb von Minen in Tibet rentabel wird. Die staatlich gelenkte Investitionstätigkeit hat Tibet grundlegend verändert und den Prozess des kulturellen Genozids beschleunigt: Eine Eisenbahnlinie wurde nach Tibet gelegt, Hunderttausende von Chinesen sind in Tibet angesiedelt worden wodurch die Tibeter und ihre Kultur marginalisiert werden. Zudem wurden eine Vielzahl von Wasserkraftprojekten initiiert und Explorationsarbeiten nach Erzen durchgeführt, die mit Vertreibungen der einheimischen Bewohner aus den nomadischen Gebieten enden. Die ersten dieser Vertriebenen stehen bereits vor der Asylempfangsstelle in Kreuzlingen und Basel und verlangen Einlass in die Schweiz.
Die industrielle Erschliessung Tibets nimmt zudem in Kauf, dass im Quellgebiet der grössten asiatischen Ströme Veränderungen mit nicht absehbaren Konsequenzen für die nachgelagerten Regionen stattfinden. Chinas Traum, die Wassermassen zu kontrollieren und für die Erzeugung von elektrischer Energie zu nutzen und in wasserarme Gegenden Chinas zu leiten, führt bereits jetzt zu Konflikten mit Nachbarländern. Dass sich die Schweiz in diesem brisanten Umfeld an „Wassermanagement“ Projekten beteiligt, muss schon erstaunen! Der Druck auf die Schwächsten und die bereits heute marginalisierten Volksgruppen Tibets wird sich mit diesem und den sich in der Pipeline befindlichen Handelsverträgen vergrössern. Die zerstörerische Ausbeutung ihrer Umwelt wird begünstigt, wenn keine Schutzklauseln (insbesondere in Handelsverträgen) zur Anwendung gebracht werden. Dieser Handelsvertrag darf deshalb in dieser Form nicht das Parlament passieren. Es ist ein Widerspruch, einerseits auf internationale Umweltabkommen zu verweisen, anderseits jeden Rechtsweg diese einzufordern, auszuschliessen. Es braucht verbindliche Regeln, gegenseitige Kontrollmöglichkeiten für die besonders sensiblen Güter und effektive Sanktionsmöglichkeiten. Der Nationalrat muss den Vertrag in der vorliegenden Form zurückweisen.
FHA: Cédric Wermuth «Ist dem Bundesrat das Freihandelsabkommen mit China wichtiger als die Freiheit von Tibet?»
Fragen und Interpellationen im Parlament. Und: Schreiben Sie an Ihre Nationalräten!
11. März 2013
Schneider-Ammann Johann N., Bundesrat: Der Dalai-Lama besucht als Nobelpreisträger und
geistliches Oberhaupt der Tibeterinnen und Tibeter die Schweiz, in der eine grosse und gutintegrierte
tibetische Gemeinschaft lebt, regelmässig. So haben in der Vergangenheit Mitglieder des
Bundesrates, Nationalratspräsidenten sowie weitere Parlamentarier den Dalai-Lama persönlich
getroffen. Bei seinem diesjährigen Besuch wird der Dalai-Lama von Nationalratspräsidentin Maya
Graf im Parlamentsgebäude empfangen. Der Bundesrat hat keine Anfrage für ein Treffen mit dem
Dalai-Lama erhalten. Es besteht also kein Zusammenhang zu den laufenden Verhandlungen über ein
Freihandelsabkommen mit China.
Die Freihandelsabkommen der Schweiz folgen in erster Linie wirtschaftlichen Gesichtspunkten,
tragen aber auch einer kohärenten Politik des Bundesrates bezüglich Menschenrechte und
nachhaltiger Entwicklung Rechnung. Bei der Aushandlung von Freihandelsabkommen setzt sich die
Schweiz für handelsrelevante Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung ein, insbesondere für
Bestimmungen zu Umweltschutz und Arbeitsstandards. In diesem Sinne thematisiert die Schweiz in
den Verhandlungen mit China auch menschenrechtsrelevante Themen. Es sind dies die
Arbeitsstandards, namentlich die ILO-Konventionen, und dann auch die Umweltstandards.
Grundsätzlich sind Bemühungen für die Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte in China,
und damit auch der Rechte der tibetischen Gemeinschaft, ein integraler Bestandteil der bilateralen
Zusammenarbeit der Schweiz mit China. Bereits seit 1991 unterhält die Schweiz als erstes westliches
Land einen bilateralen Menschenrechtsdialog mit China. Zusätzlich lancierten die Schweiz und China
im Juni 2011 einen Arbeitsdialog, und es werden beispielsweise mehrere Projekte zur sozialen
Unternehmensverantwortung in China durchgeführt. Auch auf multilateraler Ebene engagiert sich
die Schweiz für die Einhaltung der Grundrechte in Tibet. Die konkrete Menschenrechtssituation in
Tibet wird mit China in diesen bilateralen sowie multilateralen Foren thematisiert und nicht
spezifisch in den technischen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen.
Wermuth Cédric (S, AG): Herr Bundesrat, bitte korrigieren Sie mich wenn nötig, aber ich wurde
dahingehend informiert, dass Sie respektive der Bundesrat von mehreren Mitgliedern des
Parlamentes, von Mitgliedern der parlamentarischen Gruppe Tibet, eine Aufforderung erhalten
haben, den Dalai Lama zu empfangen, und dass diese negativ beantwortet worden sei, dass also
tatsächliche eine Anfrage gemacht worden sei und nicht, wie Sie gesagt haben, keine.
Schneider-Ammann Johann N., Bundesrat: Eine solche Aufforderung dieser parlamentarischen
Gruppe entzieht sich meiner Kenntnis, und eine direkte Anfrage haben wir nicht erhalten.
Hier: Schreiben Sie an Ihre Nationalräte!
Interpellation von Roland Fischer zu den Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und China auf das Ökosystem des Hochplateaus von Tibet
20. November 2013
Eingereichter Text
Im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen Schweiz-China stellen sich folgende Fragen:
1. Welche Massnahmen hat der Bundesrat bisher zum Schutz des tibetischen Hochplateaus und
anderer Gebiete von ähnlicher Bedeutung in China ergriffen
2. Was gedenkt er in Zukunft zu unternehmen, um zusätzliche Belastungen, die sich durch das
Freihandelsabkommen ergeben könnten, zu verhindern?
3. Welche fachlichen Abklärungen hat er vorgenommen, um die Auswirkungen des
Freihandelsabkommens auf die betroffenen Ökosysteme zu klären?
Begründung
Die Schweiz ist der erste kontinentaleuropäische Staat mit dem China ein Freihandelsabkommen
abschliessen könnte. In diesem Zusammenhang stellen sich auch verschiedene ökologische Fragen.
Das fragile Ökosystem des tibetischen Hochplateaus, welches ähnlich dem Amazonas oder der
Antarktis eine herausragende globale Bedeutung hat, ist gemäss Experten stark gefährdet. Im Fokus
stehen dabei die kontinentale Bedeutung der Wassersysteme, welche im Himalaya ihre Quellen
haben und für Millionen von Menschen am Unterlauf die Lebensgrundlage darstellen. Zudem stellt
dieses Gebiet eine einzigartige Biosphäre mit einzigartiger Biodiversität dar. Waldrodungen bedrohen
trotz neuen Regelungen weiterhin diese Region und sind Ursache von Überschwemmungen und
Hangrutschen. Schliesslich hat das glaziale System im Hochland als „dritter Pol“ eine wichtige
klimatische und meteorologische Funktion (Albedo-Effekt und Monsun-System).
Antwort des Bundesrates vom 20.11.2013
1. Die Schweiz und China führen seit vielen Jahren Kooperationsprojekte im Umweltbereich durch.
Das mit China abgeschlossene Freihandelsabkommen (FHA) fördert eine Intensivierung dieser
Tätigkeiten, die sich nicht nur auf das tibetische Hochplateau beschränken. Die beiden Länder haben
ihre Zusammenarbeit kürzlich verstärkt und ausgeweitet, insbesondere was den sparsameren
Umgang mit Ressourcen (Energie, Wasser) und die Anwendung moderner Technologien (für die
Luftreinhaltung, die Prävention von Naturgefahren, die Abfallbewirtschaftung und den Klimaschutz)
anbelangt. Zu den chinesisch-schweizerischen Kooperationsprojekten gehören beispielsweise der
Aufbau eines Frühwarnsystems sowie einer Überwachung der Gletscher und der mit der
Klimaerwärmung verbundenen Gletscherrisiken in der Provinz Xinjiang. Ausserdem findet ein
Wissensaustausch zur Ermittlung und Steuerung von Risiken im Einzugsgebiet des Flusses Yangtse
und zur Überwachung und Sicherheit der Staudämme statt. Für nächstes Jahr ist eine Erweiterung
der Kooperationstätigkeiten im Zusammenhang mit dem Yangtse auf das Einzugsgebiet des Flusses
Jinsha geplant – ein Nebenfluss, der bis zum tibetischen Hochplateau reicht. Dieses Projekt wird sich
auch mit Fragen zur Hochwasservorhersage und zum Hochwasserschutz sowie zur nachhaltigen
Wassernutzung und Staudammsicherheit befassen. Die Schweiz unterstützt weiter den weltweiten
Wissensaufbau zur Entwicklung der Gletscher und leistet einen Beitrag an das Verständnis der
Bedeutung des Hochlands, insbesondere auch der Gletscher des Karakorum.
2. Ein Kapitel des FHA mit China befasst sich mit handelsbezogenen Umweltfragen. Die
Vertragsparteien verpflichten sich darin, ihre innerstaatlichen Gesetzgebungen und die
Verpflichtungen aus den von ihnen unterzeichneten multilateralen Umweltabkommen wirksam
umzusetzen. Zudem erlauben die Bestimmungen des FHA den Parteien ausdrücklich, die
notwendigen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und
Pflanzen sowie zur Erhaltung nicht erneuerbarer natürlicher Ressourcen zu treffen. Die Parteien
verpflichten sich zudem zu einer kontinuierlichen Verbesserung des Umweltschutzes und zur
Zusammenarbeit im Hinblick auf die Erleichterung und Förderung von Investitionen in und die
Verbreitung von umweltfreundlichen Produkten, Dienstleistungen und Technologien. Für die
Umsetzung und Überwachung der Bestimmungen dieses Kapitels ist der vom FHA eingesetzte
Gemischte Ausschuss zuständig. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass im Jahr 2012
die chinesischen Exporte in die Schweiz 0,17 % der gesamten chinesischen Exporte ausmachten und
die Importe aus der Schweiz 0,55 % sämtlicher chinesischen Importe. Die möglichen Auswirkungen
auf die Umwelt müssen vor diesem Hintergrund beurteilt werden.
3. Das BAFU hat zur Vorbereitung der Positionen der Schweiz in den FHA-Verhandlungen mit China in
Bezug auf die handelsbezogenen Umweltaspekte zwei Studien in Auftrag gegeben. Im Rahmen der
ersten Studie, die das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung durchführte, wurde eine
vergleichende Analyse des Umweltrechts der beiden Parteien erstellt. Die zweite, vom International
Center for Trade and Sustainable Development erarbeitete Studie diente dazu, die Handelsströme
zwischen der Schweiz und China und ihren Bezug zur Umwelt sowie die Verpflichtungen der Schweiz
und Chinas aus den multilateralen Umweltabkommen zu untersuchen. Diese Studien sind auf der
Internetseite des BAFU verfügbar.
Interpellation von Cédric Wermuth zu Menschenrechte in Tibet und Freihandelsabkommen mit China
20. November 2013
Eingereichter Text
Der Bundesrat hat in den vergangenen zwei Jahren praktisch keine strategisch-koordinierten
Bemühungen zum Schutz der Menschenrechte für die Menschen in Tibet und in anderen Teilen
Chinas erkennen lassen. Sowohl an der letztjährigen wie auch an der diesjährigen Uno
Menschenrechtsratssitzung hat die Schweizer Delegation im Gegensatz zu anderen europäischen
Ländern in ihren Berichten zu Menschenrechtsverletzungen in China Tibet nicht explizit erwähnt. Der
bilaterale Menschenrechtsdialog mit China hat bisher noch keine greifbaren Ergebnisse
hervorgebracht. In Kürze werden sich die Eidgenössischen Räte mit dem Freihandelsabkommen
zwischen der Schweiz und China befassen. Ich bitte den Bundesrat im Hinblick auf dieses Geschäft
um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Hat die Schweiz im Laufe der Verhandlungen versucht konkrete Klauseln oder Standards zur Frage
der Menschen- und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerrechte im Vertragstext zum
Freihandelsabkommen zu verankern? Wenn ja, wann? Wenn ja, welche? Wenn ja, warum wurden
diese Klauseln wieder fallen gelassen?
2. Wie schätzt der Bundesrat die effektive Wirkung eines „Menschenrechtsdialogs“ ein? Teilt er die
Kritik aus der Zivilgesellschaft, dass die Ergebnislosigkeit absehbar ist?
Antwort des Bundesrates vom 20.11.2013
1. Während der Verhandlungen des Freihandelsabkommens (FHA) mit China hat sich die Schweiz
sowohl bei Kontakten auf politischer Ebene als auch bei den einzelnen Verhandlungsrunden für die
Aufnahme von den Handel und die nachhaltige Entwicklung, einschliesslich der Menschenrechte,
betreffenden Bestimmungen ausgesprochen. Diesbezügliche Gespräche erwiesen sich indes als
schwierig, da China den direkten Zusammenhang zwischen Handel und Sozial- bzw. Umweltstandards
oder Menschenrechten nicht anerkennt. Damit vertritt China die Haltung zahlreicher Schwellen- und
Entwicklungsländer, die unter anderem befürchten, die Industrieländer könnten solche
Bestimmungen zu protektionistischen Zwecken einsetzen. Die Schweiz und China haben sich im FHA
dennoch auf Bestimmungen zu Handel und nachhaltiger Entwicklung, insbesondere betreffend
Menschenrechte, Umwelt und Arbeitsstandards, geeinigt. Was die Menschenrechte anbelangt,
bekräftigen die Vertragsparteien in der Präambel des FHA ihre Verpflichtungen unter der Charta der
Vereinten Nationen. Durch diese Charta, welche die Beachtung der Menschenrechte als Ziel der
internationalen Beziehungen festlegt und die rechtliche Grundlage für deren Universalität darstellt,
erklären sich die UNO-Mitgliedstaaten damit einverstanden, dass die Menschenrechte ein
internationales Anliegen sind. In der Praxis bewirkt diese Verpflichtung, dass kein Staat das Prinzip
der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten geltend machen kann, um seine Bürgerinnen und
Bürger nach Belieben zu behandeln und deren international anerkannten Grundrechte zu
missachten. Ausserdem verweisen die Parteien auf das Verständigungsprotokoll von 2007 zwischen
der Schweiz und China, das den 1991 aufgenommenen bilateralen Menschenrechtsdialog bestätigt.
Arbeits- und Beschäftigungsfragen sind in einem Zusatzabkommen geregelt, das mit dem FHA
verbunden ist und in rechtlicher Hinsicht auf gleicher Stufe wie dieses steht. In diesem Abkommen
verpflichten sich China und die Schweiz, die für sie gültigen IAO-Übereinkommen wirksam
umzusetzen, und sie verweisen an ihre Verpflichtungen aus mehreren anderen relevanten
Instrumenten. Dazu gehört insbesondere auch die Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien
und Rechte bei der Arbeit von 1998, welche die Mitgliedstaaten dazu anhält, die acht grundlegenden
IAO-Übereinkommen einzuhalten, auch diejenigen, die sie nicht ratifiziert haben. Die Parteien
anerkennen zudem, dass das Schutzniveau von Arbeitsstandards nicht vermindert werden darf, um
Investitionen anzuziehen oder einen Handelsvorteil zu erlangen. Schliesslich werden bei
Unstimmigkeiten bezüglich der Anwendung des Abkommens Konsultationen durchgeführt,
gegebenenfalls auf Ministerebene.
2. Der bilaterale Menschenrechtsdialog ermöglicht einen kritischen und gleichzeitig konstruktiven
direkten Austausch mit den chinesischen Regierungsvertretern über alle Menschenrechtsfragen,
auch über heikle Themen. Die tatsächlichen Auswirkungen dieses Dialogs sind schwer abschätzbar,
da es nicht möglich ist festzustellen, welche Ergebnisse direkt auf diesen Dialog zurückzuführen sind.
Dieser Dialog erlaubt ebenfalls die Entwicklung konkreter Projekte. Der Einbezug unterschiedlicher
Akteure aus Regierungs- und akademischen Kreisen sowie aus der Zivilgesellschaft in diese
Tätigkeiten verstärkt die Wirksamkeit der politischen Diskussionen. So besteht beispielsweise ein
langjähriger Expertenaustausch im Bereich des Strafvollzugs. Dank diesem Austausch kann die
Schweiz Gefängnisse in China besuchen, die Situation mit den chinesischen Strafvollzugsbehörden
besprechen und mögliche Verbesserungsmassnahmen aufzeigen. Der Menschenrechtsdialog
schliesst die Anwendung anderer einschlägiger bilateraler und multilateraler Instrumente nicht aus.
Die Schweiz nutzt die geeigneten Plattformen für bilaterale und multilaterale Beziehungen, so auch
regelmässig den UNO-Menschenrechtsrat.