Ein Augenzeuge konnte bestätigen, dass die chinesischen Behörden mit der Demolierung von Unterkünften in dem seit 1985 bestehenden buddhistischen Institut Yachen Gar unvermindert fortfahren.
Free Tibet erfuhr, dass die chinesischen Behörden weitere Abrissmassnahmen in der Lehranstalt von Yachen Gar im Bezirk Phalyul der Präfektur Kardze, Osttibet, angeordnet haben. Die Arbeiten haben bereits begonnen, wobei die Bewohner ihre eigenen Behausungen abreissen müssen.
Am 10. August 2017 erliessen die Behörden Instruktionen, denen zufolge 3.500 Mönchen und Nonnen gehörende Unterkünfte verschwinden müssen.
Der für diese Anordnung genannte Grund ist, dass in dem Komplex von Yachen Gar Platz zum Bau einer Reihe von Strassen geschaffen werden müsse. So ist die Anlage von sieben Strassen innerhalb des Wohnareals der Mönche und von zehn Strassen innerhalb des Wohnareals der Nonnen vorgesehen. Jede Strasse soll 10 m breit sein.
Ein enormer Anstieg der Zerstörung
Yachen Gar beherbergt Tausende von Bewohnern, von denen viele ihre Unterkünfte selbst bauten. Seit 2002 ist Yachen Gar zum Ziel von behördlichen Zwangsmassnahmen geworden mit Demolierungen und Ausweisungen von Bewohnern. Letztes Jahr wurden 40 Wohnhütten abgerissen, damit Strassen gebaut werden können.
Dass nun 3.500 Behausungen abgerissen werden sollen, bedeutet eine dramatische Zunahme der Demolierungen. Am 12. August begannen die Abbrucharbeiten, wobei die Behörden die Bewohner anwiesen, ihre eigenen Wohnhütten freiwillig abzutragen. Wenn sie dies nicht täten, würde diese Aufgabe den Abbruchbrigaden zugewiesen, die auf die Materialien aus denen die Häuschen gebaut wurden, keine Rücksicht nehmen würden.
Angesichts der Gefahr, auch noch das Baumaterial zu verlieren, fügten sich viele Bewohner der Order. Der leitende Lama von Yachen Gar bot den Bewohnern je 500 Yuan (US$75) als Entschädigung für den Verlust ihrer Häuschen an.
Sie mussten ihre Personalausweise registrieren lassen und ein Dokument mit der Angabe, wie lange sie schon in Yachen Gar wohnen, unterschreiben oder mit ihrem Daumenabdruck versehen. Ausserdem verpflichtet das Dokument sie, „das Land und die Religion zu lieben“, sich an ihre Heimatorte zu begeben und niemals mehr nach Yachen Gar zurückzukehren.
Die Bewohner wurden angewiesen, keine Opposition gegen diese behördlichen Befehle zu leisten. Der zuständige Lama von Yachen Gar rief die Bewohner auf, trotz der Demolierungen und Vertreibungen Ruhe zu bewahren und Geduld zu üben.
Er wies sie auch an, keine Äusserungen des Unwillens oder Einzelheiten über die Zerstörungen auf sozialen Medien zu verbreiten. Dennoch gab er seiner Hilflosigkeit und Enttäuschung Ausdruck und sagte, die Order vom August sei „wie ein von einem hohen Berg herabstürzender Felsbrocken, den niemand stoppen könne“. Er könne nachts nicht mehr schlafen.
Ein anderer höherer Lama von Yachen Gar reiste in die TAR, um die Behörden dort zu bitten, dass sie wenigstens diejenigen aus der TAR stammenden Mönche und Nonnen, die noch nicht ausgewiesen wurden, in Yachen Gar wohnen lassen möchten. Seiner Bitte wurde nicht entsprochen.
Seit 2002 wurden schätzungsweise 2.000 Häuschen in Yachen Gar zerstört. 2008 wurden die Restriktionen noch verschärft und eine grosse Zahl von Mönchen und Nonnen ausgewiesen. Annähernd 3.000 bis 5.000 Personen wurden seit 2008 aus Yachen Gar entfernt, besonders solche, die aus der TAR kamen.
Einige der ausgewiesenen Personen wurden auch zur patriotischen Umerziehung gezwungen, einer demütigenden Prozedur, der oftmals Tibeter als eine Art von Strafe für Proteste oder der Auffassung der Behörden zuwiderlaufende Verhaltensweisen unterworfen werden. Bei diesen Schulungen werden die Tibeter gewöhnlich gezwungen, China Loyalität zu geloben und dem Dalai Lama abzuschwören.
Ebenso wie aus der TAR stammende Bewohner, die hinausgeworfen und nach Hause geschickt wurden, wurden auch Bewohner, die Yachen Gar zu Heimatbesuchen oder aus gesundheitlichen Gründen verlassen hatten, zu den Umerziehungsschulungen geschickt.
Larung Gar in Gefahr
Die Demolierungsorder in Yachen Gar folgte auf ein schlimmes Jahr der Zerstörungen und Ausweisungen in Larung Gar. Über 4.800 Personen mussten diese Lehranstalt seit Juli 2016 verlassen und etwa 4.725 Behausungen wurden eingerissen unter dem Vorwand, gegen die Überbelegung zu kämpfen und Brandkatastrophen zu vermeiden.
Ebenso wie in Yachen Gar wurden die Bewohner von Larung Gar unter Androhung von Gewalt zur Abreise gezwungen, und nach der Rückkehr in ihre Heimatregionen wurden viele von ihnen der patriotischen Umschulung unterzogen.
Free Tibet erfuhr, dass sechs Mitglieder der Chinesischen Kommunistischen Partei diese Woche zu Managern von Larung Gar ernannt wurden und nun Schlüsselpositionen bekleiden werden.
Free Tibet, www.freetibet.org, 24. August 2017
Übersetzung: Adelheid Dönges, Revision: Angelika Oppenheimer