Nach einer Reihe von Demonstrationen für die Unabhängigkeit Tibets beschloss die chinesische Regierung 1987 eine „Politik der gnadenlosen Unterdrückung aller Aufständischen“ und verhängte 1989 das Kriegsrecht.
Diese Politik wurde inzwischen noch verstärkt und ist hauptsächlich gegen Tibeter gerichtet, welche die Unabhängigkeit Tibets fordern. Es gibt Hunderte von politischen Gefangenen, die meisten davon sind buddhistische Mönche und Nonnen. Sie werden ohne Anklage inhaftiert oder nach „Prozessen“ zu langjährigen Strafen verurteilt. Dies gilt auch für Minderjährige. Folter ist weit verbreitet.
Gründe für die wachsende Unzufriedenheit der Tibeter dürften die massive Umsiedlung von Han-Chinesen und die Unterdrückung der Religion sein.
Gründe für Verhaftung
Die meisten der inhaftierten TibeterInnnen werden wegen Verbreitung „konterrevolutionären“ Materials verhaftet oder gefangengehalten; als solches wird weitläufig alles interpretiert, das die „Einheit“ Chinas bedroht. Aktivitäten wie „Flugblätter drucken, subversive Organisationen bilden, spionieren oder Informationen an den Feind weitergeben, im Gespräch mit Ausländern die Partei kritisieren, zu reaktionären Liedern anstacheln, die tibetische Flagge hissen und demonstrieren“, das alles sind Tatbestände, die zur Verhaftung führen.
Eine Teilnahme an Protestaktionen führt fast immer zur sofortigen Festnahme. Diese politischen Verhaftungen stehen im Widerspruch zum fundamentalen Recht auf Freiheit der Rede und verletzen die Artikel 9, 10, 18, 19 und 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
China bemüht sich besonders, die Ausübung der Religion zu unterdrücken. Die chinesische Besatzungsmacht verfolgt buddhistische Mönche und Nonnen, weil sie eine andere Weltanschauung vertreten. In dem repressiven Regime zielen aufgezwungene Umerziehungsmassnahmen und Indoktrinierungssitzungen speziell für diese Gläubigen darauf ab, ihre tibetisch-nationale oder religiöse Ueberzeugung in kommunistisches, china-freundliches Denken umzuwandeln. Wer sich nicht anpasst, wird aus seinem Kloster ausgeschlossen und darf auch nicht in andere Klöster eintreten.
Verhaftung
Schon zu Beginn der Verhaftungsprozedur wendet China Gewalt gegen TibeterInnen an. Weibliche Gefangene werden zunächst völlig entkleidet und durchsucht und dann brutal verhört. Während des Verhörs kommt es vor, dass sie mit Stöcken oder elektrischen Viehtreiberstöcken misshandelt oder von Hunden angegriffen werden. Diese Tortur wird solange weitergeführt, bis die Tibeterinnnen ihre Teilnahme an einer Demonstration zugeben und die Namen anderer OrganisatorInnen und SympathisantInnen verraten. Sie werden gezwungen, die tibetische Unabhängigkeit zu leugnen und ihre patriotischen Gefühle für China zu erklären. Noch quälender ist es für sie, wenn sie gezwungen werden, ihren spirituellen Lehrern, besonders dem Dalai Lama, abzuschwören.
Die Haftdauer hängt vom „kooperativen“ Verhalten der Gefangenen ab. Tibetische Frauen können auf unbestimmte Zeit in schmutzigen Gefängnissen mit nur begrenztem Kontakt und Benachrichtigungsmöglichkeiten zu ihrer Familie oder ihrem Kloster festgehalten werden.
Bei anderen Gelegenheiten werden Verhaftete in Zwangsjacken an Bäumen aufgehängt, in der sogenannten „Flugzeugposition“. Mit Elektroschocks werden sie solange gequält, bis sie die gewünschten Informationen verraten.
Gefängnisse
Die Lebensbedingungen in Gefängnissen sind im allgemeinen schädlich für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Inhaftierten. Die beiden berüchtigsten Gefängnisse sind Drapchi und Gutsa. Die Gefängniszellen sind normalerweise kleine kahle Räume mit einem kleinen Fenster, ohne elektrisches Licht oder Heizung selbst in den kalten Wintermonaten. Den Gefangenen wird ein Eimer als Toilette gegeben, den sie jedoch nur einmal am Tag ausleeren dürfen. Das ist der einzige Anlass, zu dem sie die enge Zelle verlassen dürfen.
Das Alter der zur Zeit inhaftierten Tibeterinnen reicht vom 14jährigen Mädchen bis zur alten Frau von 75 Jahren.
Folter
Im allgemeinen werden alle inhaftierten TibeterInnen gefoltert und misshandelt, obwohl China die UNO-Konvention gegen Folter ratifiziert hat. Der Gebrauch von Viehtreiberstöcken und Elektroden, lange Perioden der Einzelhaft, Isolationshaft mit Kommunikationsverbot, Schläge und Fesselungen sind die üblichen Methoden, die angewendet werden, um Gefangene zu quälen. Ngawang Jhampa, eine Nonne, wurde wegen Teilnahme an einer Protestaktion 1989 inhaftiert und erzählt von ihrem Gefängnisleben:
„Ich wurde mit Stühlen, Stöcken und elektrischen Viehstöcken geschlagen. Letztere wurden mir in den Mund gesteckt und herumgedreht. Währenddessen wurde mir viel Blut entnommen, so dass der Körper sehr schnell geschwächt wurde. Die Wärter schlugen mir mit diesen Stöcken auch auf den Kopf und traten mir in den Bauch… Neun Tage liess man mich ohne Essen in meiner Zelle liegen. Als Folge der Schläge wurde ich sehr schwer krank. Eine grosse Schwellung bildete sich in meinem Bauch und ich hatte schwere Kopfverletzungen… Nach zwei Jahren kontinuierlicher Schläge, Unterernährung und gewaltsamen Blutentnahmen war mein Körper zu Tode geschwächt. Ich vermute, dass die chinesischen Behörden vermeiden wollten, dass ich im Gefängnis stürbe, so haben sie mich entlassen. Ich zitterte ständig vor Erschöpfung und Nervenzerrüttung und konnte in den ersten beiden Monaten im Krankenhaus nicht laufen.“
Gyaltsen Chodon, eine 23jährige Nonne, erinnert sich an die grausame Behandlung, die sie im Gefängnis erlitt:
„Sie traten mit ihren schweren Stiefeln, die mit Eisenspitzen versehen sind, auf unsere Hände, schlugen uns ins Gesicht und in den Bauch. Sie stülpten Eimer mit Urin und Kot über unsere Köpfe, die Wärter schlugen mit Stöcken auf die Eimer und brüllten vor Lachen, als die Exkremente an unseren Gesichtern und Körpern herunterliefen… Sie nahmen das Momo (Teigtasche), das unser Mittagessen sein sollte, tauchten es in den Kot und zwangen uns, es zu essen.“
Folter an Frauen und Sexualverbrechen
Verschiedene Berichte weisen darauf hin, dass tibetische Laien-Frauen und Nonnen geschlechtsspezifischen Folterungen ausgesetzt sind, die noch gemeiner sind als Folterungen bei Männern. Besondere „weibliche“ Foltermethoden beinhalten den Gebrauch von Hunden, von glühenden Zigaretten, das Entkleiden der Gefangenen und den Gebrauch elektrischer Stäbe am oder im Genitalbereich. Diese Foltermethoden und andere sexuelle Entwürdigungen sind bei männlichen Gefangenen nicht typisch.
Es gibt zahlreiche Berichte von Frauen über Vergewaltigungen mit elektrischen Viehstöcken. Andere perverse Verbrechen wie das Abschneiden der weiblichen Brüste werden zunehmend häufiger berichtet.
„Sie (die Polizei) zwangen die Frauen, stundenlang zu laufen, während sie mit Viehstöcken geschlagen wurden. Ngawang wurde mit einem elektrischen Draht gefesselt, mit Viehstöcken geschlagen, und viele Male wurden Hunde auf sie gehetzt. Die schlimmste Qual für sie waren die elektrischen Drähte, die ihr um die Brust gebunden waren. Wenn der Strom eingeschaltet wurde, hatte sie jedesmal das Gefühl, sie müsse sterben.“
Nima Tsamchoe, 19 Jahre, nahm 1988 an einer friedlichen Demonstration teil. Heute lebt sie in Dharamsala und berichtet von ihrem Gefängnisaufenthalt:
„Hunde wurden auf uns gehetzt, als wir ganz nackt waren. Glühende Zigaretten wurden uns im Gesicht ausgedrückt. Stricknadeln wurden in unseren Mund gestossen… Wir wurden in die Brust und die Genitalien getreten, bis sie bluteten… An Bäumen hängte man uns auf, mit elektrischen Stäben schlugen sie uns auf den blossen Leib. Behälter mit menschlichem Urin wurden über unsere Köpfe ausgeleert. Viele von uns wurden vergewaltigt. Jedoch hielten die, die vergewaltigt worden waren, dies geheim, weil sie sich so schämten. Ich wurde mit den Beinen nach oben an einer Mauer aufgehängt und mit elektrischen Stäben in die Genitalien und in den Mund gestossen. Danach konnte ich nicht einmal mehr zur Toilette gehen…“
Besonders traumatisch sind die Sexualakte, zu denen Nonnen durch Beamte der Volksrepublik China gezwungen werden. Folter an Nonnen ist noch grausamer und sadistischer als bei Mönchen. Für vergewaltigte Nonnen gilt, dass auf diese Weise ihr Zölibatsgelübde gebrochen ist. So fühlen sie sich oft unwert, als Nonne weiterzuleben. Sie sind so beschämt, dass sie nicht in ihre Klöster zurückkehren.
Oft verlangen die Soldaten, dass die Nonnen sie „berühren“ und „streicheln“; sonst werden sie geschlagen. Eine geflohene Nonne erinnert sich:
„Wir mussten den Soldaten unsere Scham zeigen. Sie sagten uns, wir seien wie Hunde und Schweine… Sie zwangen die Nonnen auch, sich nackt auszuziehen und sich vor den Mönchen niederzuwerfen.“
Gyaltsen Chodon, eine Nonne von 22 Jahren, wurde wegen Teilnahme an einer friedlichen Demonstration verhaftet. Nun in Dharamsala lebend, berichtet sie von ihren Erfahrungen:
„Sie benutzten die Stöcke wie Spielzeug und hatten besonderen Spass daran, sie bei uns Genitalbereich anzuwenden. Sie lachten richtig, wenn sie dies taten. ‚Du bist Abfall‘ sagten sie und zwangen uns, auf Namen wie ‚Schwein‘, ‚Pferd‘, ‚Esel‘ und ‚Kuh‘ zu reagieren…“
Es ist offensichtlich, dass die Volksrepublik China zahlreiche Grausamkeiten an tibetischen Frauen begangen hat und weiter begeht. Die Ratifizierung nationaler und internationaler Abkommen durch China ist nur eine leere Formalität. Der Schutz, den China Frauen angeblich gewährt, ist völlig unzureichend. Der Status der tibetischen Frauen hat in den letzten Jahren kaum Verbesserungen erfahren.
Trotz des Risikos von Gewaltanwendung, Misshandlung und Entwürdigung waren es tibetische Frauen, die die Protestaktionen gegen die Besetzung ihres Landes durch China anführten und sie sind auch weiterhin die führende Kraft im Kampf um die Unabhängigkeit Tibets. Es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft der Frauen die Tibeterinnen aktiv unterstützt, indem sie alle entsprechenden lokalen, regionalen und internationalen Körperschaften nachdrücklich auffordert, sich des Problems der Gewalt gegen Tibeterinnen anzunehmen.
Tibet Initiative Deutschland e.V.