«Einst wohnten der Vogel Rebhuhn, der Hase, der Affe und der Elefant zu viert in einem Walde. Jeder von ihnen war überzeugt, der Älteste zu sein, dem die anderen Ehrfurcht schulden. Deshalb trachteten sie durch Gedankenaustausch genau herauszufinden, wer wirklich der Älteste unter ihnen sei.
Laßt es uns am mächtigen Stamme eines Pipalbaumes bestimmen“, sagte der Elefant, „ich entsinne mich, daß mein Körper einst gleich hoch gewesen ist wie die noch junge Krone dieses Baumes.“
Der Affe sagte: „Zur Zeit, als dieser Baum noch klein gewesen ist, war selbst mein Körper gleich hoch.“
Der Hase sagte: „Selbst ich schlürfte noch die Tautropfen, die ich so gerne habe, von dem Sprößling dieses Baumes, als er nur fünf Finger hoch gewesen ist.“
Der Vogel Rebhuhn sagte: „Dieser Sprößling konnte jedoch nur deshalb wachsen, weil ich selbst – von oben – den Samen dieses Baumes auf die Erde gestreut habe.“
Daraufhin mußte der große Elefant einsehen, daß er jünger sei als die anderen. Danach sahen auch der Affe und der Hase ein, daß der Vogel Rebhuhn der Älteste unter ihnen ist und daß es dem richtigen Verhalten entspräche, daß die Jüngeren dem Älteren Ehrfurcht bezeugen, wie dies von Natur aus den Dingen innewohnt. Nur dadurch wirken die von den beseelten Wesen vollbrachten guten Taten wie das befruchtende Regenwasser auf die Scholle. Dadurch wird auf der Erde die Ernte zunehmen, das Glück gedeihen und Gnade, Ruhm und Reichtum blühen. Zu jener Zeit sagte ein alter Weiser und Seher: „Eben deshalb er- läuterten der Elefant, der Affe, der Hase und der Vogel im Walde das ,Gebot und seine Früchte, wonach die Jüngeren den Älteren Ehrfurcht schulden.“»
Aus „Perlen alttibetischer Literatur“, B.C. Olschak, Birkhäuser Verlag Basel und Stuttgart