Tibetischer Umweltaktivist Tsongon Tsering nach Haftentlassung unter strenger Überwachung

5. August 2025

Der tibetische Umweltaktivist Tsongon Tsering wurde am 8. Juli 2025 nach acht Monaten von den chinesischen Behörden aus der Haft entlassen. Tsering, ein 30-jähriger Bewohner der Gemeinde Tsaruma im osttibetischen Kreis Kyungchu (Hongyuan), hatte im Oktober 2024 öffentlich auf die Umweltschäden durch illegalen Sandabbau am Dangchu-Fluss, einem Nebenfluss des Gelben Flusses, aufmerksam gemacht. Tsering hatte Videomaterial auf chinesischen sozialen Medien veröffentlicht, in dem er die Aktivitäten der Firma Anhui Xianhe Construction Company Limited dokumentierte und sich mit seinem Personalausweis identifizierte. Kurz darauf wurde er am 20. Oktober 2024 festgenommen und am 7. November wegen angeblicher „vorsätzlicher Körperverletzung“ zu acht Monaten Haft verurteilt.

Expertinnen der Vereinten Nationen hatten sich im Januar 2025 besorgt über den Fall Tsongon Tsering geäußert. In einer formellen „Communication“ forderten sie von der chinesischen Regierung Aufklärung über die Umstände seiner Inhaftierung und die Vorwürfe gegen ihn. Die chinesischen Behörden behaupteten in ihrer Antwort, Tsering sei in eine körperliche Auseinandersetzung mit einem Mitarbeiter der Baufirma verwickelt gewesen. Die UN-Expertinnen betonten jedoch, dass friedliche Umweltaktivisten nicht kriminalisiert werden dürfen und forderten Schutzmaßnahmen für Tsering sowie für andere tibetische Umweltverteidiger, die sich für den Erhalt ihrer natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen.

Obwohl Tsering nun aus der Haft entlassen wurde, unterliegt er weiterhin strengen Einschränkungen. Diese Form der Entlassung wird von Menschenrechtsorganisationen als sogenanntes „Non-Release Release“ bezeichnet – eine Praxis, bei der Personen zwar physisch aus der Haft entlassen werden, jedoch unter Bedingungen leben müssen, die ihre Freiheit massiv einschränken. Tsering darf keine öffentlichen Veranstaltungen besuchen, nicht an sozialen Aktivitäten teilnehmen, und seine politischen Rechte wurden ihm entzogen. Zudem wird er rund um die Uhr überwacht.

Unterdessen versammelten sich zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner seines Heimatortes Tsaruma, um Tsering nach seiner Haftentlassung willkommen zu heißen. Die Behörden hatten jedwede Feierlichkeiten zu seinen Ehren untersagt, doch offensichtlich widersetzten sich die Anwohner diesen Anordnungen und zeigten damit ihre Solidarität mit dem Aktivisten.

Nach seiner Haftentlassung zeigte Tsongon Tsering deutliche Anzeichen von körperlicher Schwäche und Unterernährung. Beobachter berichten, dass er stark abgemagert wirkte und sich in einem insgesamt geschwächten Zustand befindet. Die Haftbedingungen, unter denen Tsering über acht Monate hinweg festgehalten wurde, gelten als hart. Es wird vermutet, dass mangelnde Ernährung, eingeschränkter Zugang zu medizinischer Betreuung und psychischer Druck zu seinem schlechten Gesundheitszustand beigetragen haben. Es bestehen daher ernsthafte Sorgen hinsichtlich seiner Genesung unter den aktuellen Überwachungsmaßnahmen.

Der Fall Tsongon Tsering steht exemplarisch für die systematische Verfolgung tibetischer Umweltverteidiger durch die chinesischen Behörden. Die Internationale Campaign for Tibet hat in ihrem Bericht „Environmental Defenders of Tibet: China’s Persecution of Tibetan Environmental Defenders“ 50 dokumentierte Fälle von tibetischen Umweltaktivisten zusammengetragen, die seit 2008 verfolgt wurden. Der Bericht zeigt, dass viele dieser Personen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, einige unter ungeklärten Umständen verschwanden oder sogar in Haft ums Leben kamen. Die 2022 erschienene Studie unterstreicht die zentrale Rolle tibetischer Gemeinschaften beim Schutz der einzigartigen Ökosysteme des Hochlands – und die Gefahren, denen sie dabei ausgesetzt sind.

Quelle: Internationale Campaign for Tibet „Environmental Defenders of Tibet: China’s Persecution of Tibetan Environmental Defenders“