21.03.2021
In einem Offenen Brief fordern Tibet-Organisationen eine Wiedererwägung des Entscheids zur Beendigung der Sprachkurse in Tibetisch und Mongolisch an der Universität Bern.
Die unterzeichnenden Organisationen äussern ihr Unverständnis und ihre tiefe Besorgnis über die vorgesehene Beendigung der Sprachkurse in Tibetisch und Mongolisch an der Universität Bern und fordern das Rektorat auf, diesen Entscheid zu überdenken und rückgängig zu machen.
Die Beendigung würde eine Abkehr von einer langen und erfolgreichen Tradition der Forschung und Lehre in diesem Fachgebiet bedeuten. Dieses Fachgebiet hat eine ganz besondere Bedeutung in einem Land, in dem eine der grössten Exilgemeinschaften des tibetischen Volkes lebt. Der Entscheid setzt ein falsches Zeichen, nachdem bereits der entsprechende Studiengang an der Universität Lausanne eingestellt wurde und bedeutet de facto, dass in der Schweiz Studien zu Tibet nicht mehr möglich sind.
Der Entscheid wird zum einen mit einem «allgemeinen Trend» zu weniger Interesse an diesem Thema begründet. Dieses widerspricht den gut etablierten Studiengängen an anderen Universitäten in Europa, Amerika und Asien, die sich sogar steigender Nachfrage erfreuen. Zum anderen wird die Universität Bern in einem Artikel der Berner Zeitung zitiert, dass das Erlernen der tibetischen Sprache sehr schwierig sei, was zum Entscheid beigetragen habe, die Sprachkurse abzuschaffen. Wenn der Schwierigkeitsgrad einer Sprache massgebend sein sollte für das Anbieten Kursen an einer Universität, dann müsste man wohl auch Sprachkurse in Chinesisch überdenken. Während aber die tibetischen und mongolischen Sprachkurse eingestellt werden sollen, hat die Universität Bern 2023 ein neues Nebenfach für «Chinesische Sprache und Gesellschaft» eingeführt.
Die Studien zu Tibet und zur Mongolei haben weitaus mehr Bedeutung als nur das Befassen mit der unmittelbaren Sprache, Kultur und Geschichte. Sie legen das Fundament für breitere Lehren und Forschung über Ökologie, Wirtschaft und Erhalt von Kulturen, die weit über die tibetisch-mongolische Region hinaus reichen. Wird die Lehre eingestellt, können sich Studierende nur noch über Sekundärliteratur orientieren, sind aber nicht mehr in der Lage, eine eigene Position durch ihr Studium in der Originalsprache zu entwickeln.
Ungewollt leistet ein solcher Entscheid einem anderen ‘Trend’ Vorschub: die Volksrepublik China und die Kommunistische Partei Chinas haben zahlreiche Massnahmen getroffen, um die tibetische Sprache, Kultur und Religion zu verdrängen.
Der Bundesrat hat im Februar 2025 in seinem Bericht zur Situation der Tibeter:innen und Uigur:innen festgehalten, dass Tibeter:innen in der Volksrepublik China systematisch kontrolliert werden und einer Politik der «Umerziehung, Sinisierung und Indoktrinierung» unterworfen sind. So darf in China mittlerweile der Name «Tibet» nicht mehr verwendet werden, sondern nur noch der sinisierte Begriff «Xizang».
Gegen diese schleichende Auslöschung Tibets durch die chinesische Regierung müssen wir uns wehren. Wir fordern Sie daher dringend auf, den Entscheid zur Einstellung der Kurse in tibetischer und mongolischer Sprache rückgängig zu machen. Das liegt nicht nur im Interesse der Studierenden, sondern leistet einen zentralen Beitrag zum Erhalt einer jahrhundertealten Kultur.
Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft GSTF, Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz und Liechtenstein TGSL, Verein Tibeter Jugend In Europa VTJE, Tibetische Frauenorganisation in der Schweiz TFOS, Gesellschaft für bedrohte Völker GfbV