Der chinesische Künstler Ai Weiwei beklagt sich darüber, dass die Credit Suisse sein Konto kündigt. Das könnte erst ein Vorgeschmack sein, denn China dürfte die Schraube für ausländische Firmen weiter anziehen.
Lesen Sie hier den Originalbeitrag von Jorgos Brouzos, publiziert am 09.09.2021, bei derbund.ch. Foto: Urs Jaudas
Aus seinem Text sprechen Zorn und Frustration. Der chinesische Künstler Ai Weiwei beschwert sich in einem Blogbeitrag über die Credit Suisse. Die Bank habe ihm das Konto gekündigt, weil sie glaube, dass er in China verurteilt worden sei. Dies, weil die Bank alle Konten mit vorbestraften Kunden schliesse, so Ai Weiwei.
Gemäss eigenen Angaben wurde der Künstler aber nie formell angeklagt oder wegen eines Verbrechens verurteilt. Die Schweizer Grossbank kommentierte eine Anfrage dazu nicht.
Besonders eigenartig mutet es an, dass es sich laut Ai Weiwei nicht um sein persönliches Konto handelt, sondern um dasjenige seiner vor sechs Jahren gegründeten Schweizer Stiftung Fart Foundation. Sie hat ihren Sitz in Luzern, Ai Weiwei amtet als ihr Präsident. Im Zweck der Stiftung heisst es, dass sie die Meinungsäusserungsfreiheit fördern wolle. Dies durch die Errichtung, Initiierung, Unterstützung und Förderung von Kunstausstellungen mit Werken und Projekten.
Offenbar ist die Geschäftsbeziehung für die Bank heikel, denn für sie steht in China viel auf dem Spiel. Die Ambitionen sind gross. So soll in den nächsten drei Jahren dort das Personal verdreifacht werden. Auch will die Credit Suisse möglichst bald ihr Wertpapiergeschäft-Gemeinschaftsunternehmen ganz übernehmen. Seit einem Jahr gehören ihr bereits die Mehrheit der Anteile.
Einflussreicher Chinese im Verwaltungsrat
Besonders wichtig für den Expansionskurs ist der Chinese Shan Li. Er sitzt bei der Credit Suisse seit zwei Jahren im Verwaltungsrat. Andere Schweizer Firmen wie Nestlé, die UBS oder Swiss Re haben ebenfalls dem chinesischen Parteistaat nahestehende Verwaltungsräte, wie Ralph Weber, China-Experte und Professor an der Universität Basel, jüngst in einer Studie aufgezeigt hat.
Doch hat die Credit Suisse laut Weber mit Shan Li einen besonders einflussreichen Vertreter verpflichtet: «Ihm gelang in der Finanzbranche ein steiler Aufstieg, und in China ist er bestens vernetzt.» So gehört Shan Li etwa dem wichtigsten Beratungsgremium der Kommunistischen Partei an.
«In der Schweiz glauben Firmen, dass politisches Engagement eine Privatsache sei, die sie nicht zu interessieren habe. Im Kontext der Volksrepublik ist eine solche Einstellung fatal.»
Ralph Weber, Professor an der Universität Basel
Bei den CS-Aktionären war Shan Li an der letzten Generalversammlung unbestritten. Zwar wurden die meisten Verwaltungsräte wegen der Archegos-Krise abgestraft, sein Stimmenanteil war aber noch vergleichsweise hoch. Auch wurde es nicht kritisch gesehen, dass er in Peking eine Pro-Festlandchina-Partei für Hongkong gründete.
«In der Schweiz glauben Firmen, dass politisches Engagement eine Privatsache sei, die sie nicht zu interessieren habe. Im Kontext der Volksrepublik ist eine solche Einstellung fatal», sagt Ralph Weber dazu. «Durch das Einspannen solcher Personen möchte man sich den Zugang in den chinesischen Markt sichern.»
Doch der Preis dafür werde wohl unterschätzt. «Der chinesische Parteistaat wird mit der Zeit seinen Einfluss geltend machen», so Weber. Es entstehe eine Zwangslage, die es für die Firmen immer schwieriger mache, unabhängig zu agieren.
«Die Partei setzt sich wieder verstärkt in das Zentrum der Privatwirtschaft.»
Ralph Weber, Professor an der Universität Basel
Manche Schweizer Firmen, die in China tätig sind, werden sich unangenehme Fragen stellen müssen. «Die Partei setzt sich wieder verstärkt in das Zentrum der Privatwirtschaft», sagt Weber. Dadurch könnte es schon bald zu noch grösseren Interessenkonflikten kommen. Etwa, wenn sich die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China weiter zuspitzen: «Muss man dann einen oder den anderen Markt wählen?», so Weber.
Die Volksrepublik hat zuletzt mehrere Gesetze mit extraterritorialer Reichweite erlassen. Sie bestrafen auch das Verhalten ausserhalb Chinas. Dazu gehören das Hongkonger Sicherheitsgesetz oder auch das Antisanktionsgesetz. Die Lage für Schweizer Firmen, die in China geschäften, wird dadurch noch heikler.
Alte Aussagen werden zum Risiko
Sogar unbedachte Äusserungen, die einige Jahre zurückliegen, können für Schweizer Firmen heute in China zum Problem werden. Das spürte die Schweizer Uhrenmarke Audemars Piguet. Gemäss dem Branchenportal «Business of Fashion» will der chinesische Schauspieler und Sänger Lu Han nicht mehr für die Firma werben. Dies, weil Audemars-Piguet-Chef François-Henry Bennahmias im Mai 2018 gegenüber dem Uhrenportal «Watchonista» Taiwan gelobt habe. Er sagte, Taiwan sei «ein ultramodernes Hightechland.»
Für Lu Han, der auch für Cartier und Gucci wirbt, habe Audemars Piguet damit das Ein-China-Prinzip verletzt. Da nützte es auch nichts mehr, dass der Schweizer Uhrenhersteller über chinesische soziale Medien den Schaden zu begrenzen versuchte: «Wir entschuldigen uns zutiefst für die jüngste falsche Aussage. Audemars Piguet hält stets an der Ein-China-Position fest und schützt entschieden die nationale Souveränität und territoriale Integrität Chinas.»
Leserbrief diesbezüglich von Hans Marty
veröffentlicht im Bund am 11.09.2021