In den Aufnahmeprüfungen für Universitäten wird die tibetische Sprache als offizielle Prüfungssprache abgeschafft. Jedes Jahr nehmen zahlreiche Schülerinnen und Schüler an den landesweiten offiziellen Aufnahmeprüfungen, genannt gaokao, teil. Die anspruchsvollen Prüfungen ziehen sich über mehrere Tage hin, und die Teilnehmenden wählen dabei aus einer Reihe von Fächern wie Politik, Geschichte, Geografie, Physik, Chemie und Biologie aus. Alle werden in Mandarin geprüft. Dazu wird für diejenigen, die die Fächer Englisch, Russisch, Japanisch, Französisch, Deutsch oder Spanisch gewählt haben, in der jeweiligen Sprache geprüft. Das Tibetische wird diesen Fremdsprachen damit gleichgestellt: nur die wenigen, die das Fach Tibetische Literatur wählen, werden noch in tibetischer Sprache geprüft.
Diese Bestimmung soll 2026 in Kraft treten. Bisher wurden diese Änderungen offenbar nur mündlich dem jeweiligen Lehr- und Prüfungspersonal angekündigt. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler haben dieses indirekt vom Lehrpersonal oder aus schulinternen Dokumenten erfahren. Auch sollen laut Informationen der South China Morning Post einige Lehrpersonen informiert worden sein, dass sie ab 2026 auf nicht-tibetische Unterrichtsfächer transferiert würden.
Die Abschaffung der tibetischen Sprache in Prüfungen ist zu sehen im Kontext des Entwurfs für ein «Gesetz zur Förderung der ethnischen Einheit und des Fortschritts», das im Sommer 2025 zur Beratung kam. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua sei es «die dringende Notwendigkeit, ein starkes Gemeinschaftsgefühl innerhalb der chinesischen Nation zu fördern und den Aufbau einer einheitlichen nationalen Identität voranzutreiben». Der Entwurf behandelt Massnahmen in den Bereichen kulturelle Identität, soziale Integration, wirtschaftliche Entwicklung, Aufsicht und rechtliche Verantwortlichkeiten. Ebenfalls finden Beratungen statt zu dem Entwurf des «Gesetzes über die gesprochene und schriftliche chinesische Standardsprache». Dieses soll den Gebrauch der chinesischen Standardsprache in einer breiten Zahl von Sektoren regeln, wie dem Öffentlichen Dienst, der Bildung, der internationale Kommunikation und sogar im digitalen Sektor. Es sieht einige Optionen für bilinguale Situationen vor, aber auch bei internationalen Konferenzen oder Ausstellungen soll die chinesische Standardsprache gleichberechtigt gebraucht werden.
Uwe Meya, 17 September 2025
Financial Times, 10. August 2025
South China Morning Post, 10. September 2025