Im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel erschien Anfang Oktober ein Bericht über die Lage im früher Innere Mongolei, heute Autonome Region Mongolei genannten Gebiet. Dieses war, als sich der Staat Mongolei anlässlich des Sturzes 1911 des letzten chinesischen Kaisers von China abgespaltet hatte, China treu geblieben. Von den heute ungefähr 7,5 Millionen ethnischen Mongolen leben etwas weniger als die Hälfte in der Mongolei und somit die Mehrheit in der sogenannten Autonomen Region, wo sie sich inmitten von 20 Millionen Han-Chinesen zu behaupten versuchen.
Bis in die letzte Zeit schien dies ihnen irgendwie zu gelingen. Aber die in den Tibet und in Ost-Turkestan anzutreffenden Zustände finden nun auch im chinesischen Teil der Mongolei Einkehr. Der Spiegel-Artikel lässt einen sehr bekannten und verehrten Abt eines grossen buddhistischen Klosters zu Wort kommen. Seine Aufgabe ist es nun, seine Mönche zu überwachen und sicherzustellen, dass sie auf Linie bleiben. Denn, schreibt der Autor, Georg Fahrion, «es ist nicht so, dass Religion in der Volksrepublik nicht ausgeübt werden darf – bloss nicht auf die Weise, die Gläubige sich wünschen, sondern innerhalb der Grenzen, die der Parteistaat festlegt». Das heisst für die mongolischen Buddhisten – dessen Ausprägung der tibetische Buddhismus ist – dass zum Beispiel die Klöster den Laien nicht mehr predigen dürfen, und dass das Studium der heiligen Schriften ausschliesslich den Mönchen vorbehalten ist. Und dies bereits seit 10 Jahren.
Das Gleiche widerfährt der mongolischen Sprache. Sie entstammt einer anderen Sprachfamilie, schreibt Georg Fahrion, wird mit einer ihr eigenen Schrift geschrieben. Der Autor berichtet von einer Pilgerfamilie, dessen Töchter 10 und 19 Jahre alt sind: die grössere Tochter wurde noch in allen Fächern auf Mongolisch unterrichtet, die kleinere fast nur noch auf Mandarin.
Für Religion und Sprache, genau die Zustände wie wir sie aus Tibet kennen. Und dazu, auch wie in Tibet, wird das was noch toleriert ist zur Folklore für Touristen degradiert. «Mit grossen Kameraobjektiven fotografieren sie die kostümierten Mongolen, traditionelle Motive, die sie später in den sozialen Medien posten werden». Aber der Alltag der mongolischen Minderheit sieht anders aus.
Proteste gegen die von Xi Jinping Sinisierung genannte forcierte Assimilationspolitik werden wie in Tibet unterdrückt; es sollen «um die 10’000 Menschen zeitweise in Gewahrsam genommen worden sein». Ja, Xi, in uns bekannter Trumpscher Diktion, «will China wieder gross machen». Auf Kosten der 55 nationalen Minderheiten, auf die die Volksrepublik früher angab, stolz zu sein, und von denen ein nun in den USA lebenden mongolischer Menschenrechtsaktivist sagt: «die Staatsmacht will, dass wir Chinesen werden». Dabei handelt es sich um fast 10% der in der Volksrepublik lebenden Bevölkerung. Deren trauriges Schicksal ist es auch, oftmals in den Grenzregionen ansässig zu sein, wo die chinesische Staatsmacht besonders nervös ist.
René Longet