Die Presse (A), 10.7.13, von Felix Lee –
Chinas Polizei eröffnete das Feuer auf Gläubige in Tibet, die das Foto ihres spirituellen Führers hochhielten. Die Polizei soll mindestens 20 Tibeter festgenommen haben.
Eindeutiger kann das Dementi nicht ausfallen. Noch vor zehn Tagen ging das Gerücht um, China sei bereit, Bilder des Dalai Lama in den Klöstern auf Altaren wieder zuzulassen. Mehrere Tibet-Organisationen hatten von Lockerungen in einigen tibetisch besiedelten Regionen der Volksrepublik berichtet. Die Regierung in Peking widersprach jedoch und betonte, das seit 17 Jahren geltende Verbot der Bilder des geistigen Oberhaupts der Tibeter sei weiter in Kraft. Nun zeigt die chinesische Obrigkeit, wie ernst sie das meint.
Am Dienstag wurde bekannt, dass chinesische Polizisten und Militäreinheiten am vergangenen Samstag auf eine Menschenmenge von Tibetern geschossen hatten, weil sie den Geburtstag des Dalai-Lama begehen wollten. Tibetische Exilorganisationen und der US-Sender Radio Free Asia (RFA) berichten von mindestens acht schwer verletzten Tibetern. Militärs sollen zwei Mönchen in den Kopf geschossen haben. Zudem nahm die chinesische Polizei mindestens 20 Tibeter fest.
Räucherstäbchen und Gebetsfahnen
Das Blutvergiessen soll sich im überwiegend von Tibetern bewohnten Gebiet Daofu in der Provinz Sichuan ereignet haben. Die International Campaign for Tibet (ICT) berichtet, die Tibeter hätten sich anlässlich des 78.Geburtstags des Dalai-Lama am Fuss eines als heilig geltenden Berges versammelt. „Sie begingen den Festtag auf traditionelle Weise, brannten Räucherstäbchen an und warfen Gebetsfahnen in die Luft“, heisst es in dem Bericht der tibetischen Exilorganisation.
Unter anderem hätten die Gläubigen auch das Bild des Dalai-Lama gezeigt und Khatags, traditionelle tibetische Schals, umgehängt. Daraufhin hätten Polizisten versucht, das Treffen der Tibeter aufzulösen. Nachdem einige Tibeter darauf hinwiesen, dass das Abbrennen von Räucherstäbchen auch nach chinesischem Recht kein Verbrechen darstelle, habe die Polizei ohne Vorwarnung das Feuer eröffnet. Die Sicherheitskräfte sollen Tränengas gegen Mönche und Nonnen eingesetzt haben.
Seit Wochen kursieren Berichte, dass die Behörden zumindest in einigen tibetisch bewohnten Regionen die Bestimmungen gelockert hätten und den Tibetern in der Ausübung ihres Glaubens wieder mehr Freiheiten zulassen wollten. Seit 1996 gibt es in der Volksrepublik offiziell ein Verbot, das Bildnis des Dalai-Lama zu zeigen. Die chinesische Führung sieht das geistige Oberhaupt als Separatisten an, der das Land spalten wolle. Jegliche Ehrerbietung für das geistige Oberhaupt ist den Tibetern untersagt.
Zumindest an regulären Tagen wagten die Mönche und Nonnen, in den Gebetsräumen ein Bild des Dalai Lama aufzustellen. Für die Tibeter ist es umso schockierender, dass die chinesischen Sicherheitskräfte nun auch in Regionen ausserhalb Tibets rabiat durchgreifen.