Am 17. Februar kam es zu einem Brand im Jokhang-Tempel in Lhasa. Zunächst kursierten einige Videos in sozialen Medien, die Rauchwolken über dem Dach zeigten. Kurz darauf wurden alle Berichte, Fotos und Videos in sozialen Medien von den Zensoren gelöscht, Mönche und Nonnen zum Schweigen verpflichtet, und die Funktionen für Weiterleiten und Kommentieren in sozialen Medien deaktiviert. Die Staatsmedien berichteten nur, dass der Brand prompt gelöscht wurde und es keine Verletzten gab. Die Ursache des Brandes und das Ausmass der Schäden bleiben unklar. Der aus dem 7. Jahrhundert stammende Jokhang gilt als der heiligste Tempel in Tibet. Er ist grösstenteils aus Holz gebaut und sehr verwinkelt.
Die Free Tibet Campaign in London veröffentlichte nun, vor der Sitzung der Welterbe-Kommission der UN, die sich damit befassen will, einen Bericht. Dieser zeigt auf, dass die Schäden möglicherweise weitaus gravierender sind als von China zugegeben. Für diesen Bericht zieht Free Tibet Campaign Satellitenaufnahmen heran. Bereits früher hatte diese Organisation anhand von Satellitenaufnahmen das Ausmass der Zerstörungen in der buddhistischen Akademie Larung Gar aufzeigen können.
Das Feuer brach offenbar in der Kapelle für Jowo Rinpoche, die aus dem 7. Jahrhundert stammende heiligste Statue in Tibet, aus, und wurde erst nach mehr als eineinhalb Stunden gelöscht. Nach regierungsoffziellen Angaben wurde der Brand von einer Belüftungsanlage verursacht, habe aber keine nennenswerten Schäden angerichtet. Die offiziellen Angaben sind widersprüchlich. Laut der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua brannte es auf einer Fläche von 50 m2. Diese Fläche wäre aber grösser als jede der einzelnen Kapellen. Hingegen zeigen Satellitenaufnahmen das beschädigte Dach einer Kapelle. Gläubige und Touristen wurden am Tag nach dem Brand wieder in den Jokhang eingelassen, um «Normalität» zu dokumentieren, aber niemand wurde der Zutritt in die Nähe des Brandortes gestattet.
Die Satellitenaufnahmen von Free Tibet Campaign, die eine Woche nach dem Brand aufgezeichnet wurden, zeigen, dass die Schadensfläche etwa dreimal so gross ist wie in den Staatsmedien angegeben. Es ist allerdings unklar, wie tief der Brandschaden in die Kapelle von Jowo Rinpoche reichte. Selbst die Bilder, die von den staatlichen Medien herausgegeben wurden, wecken Sorge über grosse Schäden. Hinter der Statue von Jowo Rinpoche sind nun gelbe Tücher angebracht, die es vorher nicht gab. Die Tücher verdecken die Statuen und Wand dahinter, und die Krone von Jowo Rinpoche sei verändert. Laut Augenzeugen sollen die Krone und die Gewänder der Statue vom Feuer zerstört worden sein. Dazu habe der Brand daneben gelegene Objekte massiv beschädigt. Mönche hätten die ganze Nacht nach dem Brand gearbeitet, um die schlimmsten Schäden zu beseitigen oder zu verdecken, damit am nächsten Tag die Besucher nichts bemerkten.
Free Tibet Campaign, 22. Juni 2018 / Dr. Uwe Meya
Jowo Rinpoche Statue vor dem Brand, ohne verdeckten Hintergrund.
Jowo Rinpoche Statue nach dem Brand, mit gelben Tüchern verdeckter Hintergrund.
(beide Fotos: Free Tibet Campaign)