Mit teuren Investitionen gewinnt die Volksrepublik Einfluss in Südosteuropa. Das hat politische Konsequenzen.
Von Jens Bastian
Seit 2013 setzt China unter Präsident Xi Jinping seine globale Investitionsstrategie systematisch um. Die Offensive unter der Bezeichnung „Belt and Road“ oder auch „neue Seidenstrasse“ soll den wirtschaftlichen und politischen Einfluss der Volksrepublik in der Welt ausweiten. Sie erstreckt sich über verschiedene Kontinente und betrifft Sektoren wie Häfen, Hightech-Unternehmen und Energiezulieferer. Dazu gehören auch umstrittene Übernahmen, wie die des Augsburger Roboterherstellers Kuka.
Besonders wird Chinas Einfluss in Südosteuropa spürbar. China engagiert sich in dieser Region durch umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur und durch Kreditvereinbarungen mit Ländern wie Griechenland, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Das Investitionsvolumen erreicht mittlerweile Milliarden; gleichzeitig werden die bilateralen Handelsbeziehungen zwischen Peking, Athen, Belgrad oder Sarajevo enger.
Die strategische Ausrichtung der neuen Seidenstrasse in Südosteuropa ist konsequent, der Aufbau in vollem Gange. Griechenland bildet dabei für China das „Einfallstor nach Europa“. Mit diesen Worten beschrieb der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang jedenfalls schon 2014 die Bedeutung des kleinen Landes für die Volksrepublik. Den Worten folgten Taten. Im August 2016 kaufte die China Ocean Shipping Company (Cosco) für 280 Millionen Euro 51 Prozent des Hafens von Piräus. Chinas State Grid Corporation erwarb einen Minderheitsbeteiligung von 24 Prozent an Griechenlands Netzbetreiber ADMIE. Seit Ende September gibt es zweimal wöchentlich Direktflüge zwischen Peking und Athen, um die wachsende Zahl chinesischer Geschäftsreisender und Touristen zu bedienen.
Länder wie Mazedonien oder Serbien und Bosnien-Herzegowina bieten zwar keinen Hafenzugang für China. Dafür konzentriert sich die südosteuropäische Seidenstrasse in diesen Binnenländern auf grossflächige Infrastrukturprojekte, insbesondere den Autobahnausbau entlang europäischer Korridore, Brücken und die Erneuerung der Eisenbahnen.
Zur Illustration: In Mazedonien entsteht eine neue Ost-West Tangente zwischen Kičevo und Ohrid sowie von Miladinovci nach Štip. Die chinesische Exim Bank finanziert das Projekt und die Sinohydro Corporation hat die Bauleitung. Die neue Autobahn wird die Transportzeiten innerhalb des Landes und grenzüberschreitend drastisch reduzieren. Wer dieser Tage die Hauptstadt Skopje besucht, der wundert sich über die vielen roten Doppeldeckerbusse. Sie stammen aber nicht aus London, sondern aus China.
Die „Neue Seidenstrasse“ nimmt auf dem Balkan bereits Gestalt an
Seit 2012 finden regelmässig Gipfeltreffen zwischen China und 16 Ländern aus Ost-, Mittel- und Südosteuropa statt. Belgrad war 2014 der Ausrichter. Seit 2009 besteht zwischen beiden Ländern eine strategische Partnerschaft. Serbien ist ein attraktiver Partner für China, da es Handelsabkommen mit der EU, der Türkei und Russland hat. Seit diesem Jahr besteht visafreier Reiseverkehr zwischen Serbien und China. Vergangenes Jahr erwarb die He Steel Group für 46 Million Euro das Stahlwerk Zelezara in Smederevo. In Belgrad hat die Bank of China 2017 erstmals eine Bankfiliale eröffnet.
Ein besonderer Fall ist Bosnien-Herzegowina. Das ehemalige Bürgerkriegsland ist für ausländische Investoren extrem schwierig, und das nicht nur wegen der Gegensätze zwischen Kroaten und Serben. Die Schwierigkeiten hielten allerdings die China Development Bank 2014 nicht davon ab, einen Kredit über 350 Million Euro zur Verfügung zu stellen, um in Doboj im serbischen Landesteil das Stanari Wärmekraftwerk zu finanzieren. Die Bauleitung lag in den Händen von Dongfang Electric Corp.
Das Engagement Chinas in Südosteuropa kann die Mitgliedsländer der Europäischen Union nicht unberührt lassen, die seit mehr als zwei Dekaden die Transformation der Region begleiten. Welche Folgen ergeben sich für Regierungen und die Europäische Kommission, wenn China seine Position in Südosteuropa ausbaut? Je mehr China in der Region investiert, desto stärker rückt die Frage in den Vordergrund, ob damit auch politische Einflussnahme erkauft wird. Am Beispiel Griechenlands wird das Problem deutlich. Im Juni blockierte die Regierung in Athen im UN-Menschenrechtsrat in Genf eine gemeinsame Stellungnahme der 28 Mitgliedstaaten der EU zu Menschenrechtsverletzungen in China. Dieses Vorgehen kommt einem Tabubruch gleich, da die EU erstmals keine gemeinsame Position finden konnte. Griechische Diplomaten argumentierten, dass der UN-Menschenrechtsrat eine „nicht konstruktive Kritik an China“ formuliert habe.
Der Vorgang zeigt, wie schwierig das Verhältnis der EU zu China ist. Ob es nun um Klimaschutz geht, um Menschenrechte oder einen gleichberechtigten Marktzutritt in China – immer mehr EU-Staaten fordern angesichts der chinesischen Investitionsoffensive, dass Unternehmensverkäufe in Europa strenger geprüft werden. In seiner jüngsten Rede zur Lage der Europäischen Union sprach Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erstmals von der Notwendigkeit eines „investment screening“, also einer Überwachung ausländischer Investitionen. Zwar nannte er China nicht beim Namen, aber für jeden Zuhörer machte die Auswahl der identifizierten Sektoren klar, wer gemeint war: Investitionen in Häfen, Energieinfrastruktur und Verteidigungstechnik sollen künftig einer strengen Prüfung unterzogen werden.
Die Kommission hat dabei ebenso Südosteuropa im Blickfeld. Chinesische Banken und Unternehmen wollen die Trasse für einen Hochgeschwindigkeitszug zwischen Belgrad und Budapest bauen. Das ungarisch-serbische Prestigeprojekt soll mehr als 2,4 Milliarden Euro kosten. Bisher hat jedoch keine öffentliche Auftragsvergabe nach EU Standards stattgefunden. Daher hat die Kommission ein Verfahren gegen Ungarn eröffnet.
Die neue Seidenstrasse in Südosteuropa nimmt zunehmend Gestalt an. Chinesische Unternehmen, Banken und Touristen sind mittlerweile eine feste Grösse in der Region. Athen, Belgrad oder Sarajevo sehen darin eine Chance, Infrastrukturprojekte durch neue Finanzierungsquellen aus Fernost auf den Weg zu bringen. Die daraus entstehenden Risiken und Nebenwirkungen – etwa wachsende Kreditabhängigkeit – werden bisher ausgeblendet. Für China ist Südosteuropa dagegen ein attraktives Testgelände, um seine „Belt and Road“-Initiative schrittweise auszuweiten und auf europäischem Terrain gleich auch umzusetzen.
Die Zeit, 18.10.17; Jens Bastian, 57, ist freier Wirtschaftsberater. Er lebt seit 1998 in Griechenland.
Recherchiert von Jan T. Andersson