Der Landbote, 18.4.13, Jigme Garne –
Das spirituelle Oberhaupt der Tibeter widmete sich gestern im Tibet-Institut Rikon seinen jüngsten Anhängern. Diese reagierten entspannter als die Erwachsenen auf den hohen Besuch.
Es sind die Kinder und Jugendlichen, die seiner Bitte nachkommen, ihn als Mit- und nicht als Übermenschen zu betrachten: Als der Dalai Lama niesen muss, verharren die erwachsenen Gäste im Raum. Aus Ehrfurcht oder Angst vor einem Fauxpas schweigen sie. Nur die Kinder und Jugendlichen sagen munter «Tashi Delek» – Gesundheit! Spätestens jetzt zeigt sich der Dalai Lama, wie man ihn aus den Medien kennt: mit einem herzhaften Lachen.
70 Kinder und Jugendliche und ebenso viele Erwachsene erlebten den Dalai Lama gestern so nahe, wie das nur wenige je können. Und doch wirkte er allen vertraut, als er den Kultraum des Tibet-Instituts in Rikon betrat; gibt es doch kaum eine emigrierte tibetische Familie, bei der zu Hause kein Altar mit seinem Abbild steht. (In Tibet sind Bilder des Dalai Lamas verboten.) Und doch – oder gerade deshalb – löst er in persona unbeschreibliche Glücksgefühle aus, sind sich Tibeter einig.
Der 77-Jährige selbst gab sich gewohnt bescheiden und dankte allen, die sich für das Kloster seit dessen Gründung 1968 einsetzen. «Ein Kloster ist eine Stätte des Lehrens und Lernens», sagte er, und begrüsste darum die Buddhismus-Workshops für junge Tibeter, die Stiftungsrätin Karma Lobsang ins Leben gerufen hatte.
Die Jungen erinnerte er derweil: «Der Buddhismus ist ein wichtiger Bestandteil unserer Identität und birgt wertvolles Wissen.» Sogar bei Experten der Naturwissenschaften wachse das Interesse am Buddhismus: «Denn genau so wichtig wie der äussere Kosmos ist der innere. Diesen können sich Wissenschafter aber nicht erklären, weshalb sie vermehrt im Buddhismus nach neuen Ansätzen suchen.» Wie zuletzt am Wochenende in seiner Unterweisung in Fribourg plädierte er deshalb für die «säkulare Ethik», die das Wissen aus allen Religionen nichtgläubigen Menschen zugänglich macht. «Zum Beispiel ist es wissenschaftlich erwiesen, dass sich Meditieren positiv auf den Körper auswirkt. Ein gesunder Geist bringt körperliche Gesundheit.»
Anschliessend beantwortete der Dalai Lama vorgängig eingereichte Fragen von jungen Tibetern. Ein Auszug:
Ist Mitgefühl das Wichtigste, das ich über Buddhismus lernen soll?
«Wenn die Frage lautete, was man lernen soll, würde ich sagen: alles. Doch grundsätzlich lassen sich ja drei Gebiete des Buddhismus unterscheiden: Wissenschaft, Philosophie und Religion. Die ersten beiden halte ich für wichtiger. Rituale wie Maskentänze haben auf einer tieferen Ebene nichts mit Buddhismus zu tun.»
Wie sind bei einem Konflikt Lösungen zu erreichen, die für alle fair sind?
«Menschen mit anderen Bedürfnissen haben andere Meinungen – das gilt es anzuerkennen. Deshalb bringt es nichts, auf einer Meinung zu beharren. Wir müssen das Leiden akzeptieren. Und auf die Wut anderer nicht wütend reagieren, sondern deeskalierend.»
Wieso gibt es Wiedergeburt?
«Bewusstsein entsteht nicht aus nichts. Gemäss dem Kausalitätsprinzip sind Ursache und Wirkung immer ähnlicher Natur. Darum kann Bewusstsein nicht aus substanzieller Materie hervorgehen, sondern nur aus Bewusstsein.»
Den jungen Tibetern gab der Dalai Lama abschliessend zwei Dinge mit auf den Weg. Zum einen ein Zitat Buddhas: «Ihr sollt meine Worte nicht blind aufnehmen, sondern selbst prüfen und erfahren.» Zum anderen – und zur Freude der Kinder – eine Riesen-Toblerone, die er tags zuvor erhalten hatte.
Zürcher Oberländer, 13.2.13, von Fabio Mauerhofer/Landbote –
Kinder treffen in Rikon auf den Dalai Lama
Der Dalai Lama wird im April bei seinem Aufenthalt in der Schweiz auch das Tibet-Institut in Rikon besuchen. Im Kloster ist ein spezieller Anlass mit tibetischen Kindern und Jugendlichen geplant.
Das Tibet-Institut steckt mitten in den Vorbereitungen für einen wichtigen Empfang: Der Dalai Lama kommt nach Rikon. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter wird am letzten Tag seines Schweiz-Aufenthalts im Tösstal erwartet. «Wir sind noch daran, das Programm im Detail zu planen», sagt Philip Hepp, Geschäftsführer und Kurator des Instituts. Das Kloster fiebert dem Besuch mit grosser Freude entgegen. «Es ist eine besondere Ehre», so Hepp.
Der Empfang im Tibet-Institut findet am 17. April statt. Der genaue Zeitplan ist noch offen, das Thema ist aber bereits gesetzt: Der Anlass wird im Zeichen der Religionsvermittlung an die jüngere Generation stehen. «Wir möchten möglichst vielen tibetischen Kindern und Jugendlichen die Gelegenheit geben, den Dalai Lama zu treffen», sagt Hepp. Die Teilnehmenden werden durch die Tibeterschulen ausgewählt. Das Tibet-Institut lost zudem weitere Plätze für Jugendliche aus, die keiner Tibeterschule angehören. Mittels Formular können die jungen Leute im Vorfeld des Anlasses Fragen für den Dalai Lama einreichen. Weil der Platz im Kultraum eng ist, wird die Zeremonie erstmals im Obergeschoss des Klosters auf Video übertragen. Zutritt haben nur geladene Gäste. Traditionsgemäss können Besucher aber bei der Ankunft des Dalai Lama Spalier stehen.
14. Besuch im Tösstal
In der rund 45-jährigen Geschichte des Klosters wird es bereits der 14. Empfang «Seiner Heiligkeit» sein. Letztmals war der Dalai Lama am 8. April 2010 in Rikon zu Gast. Damals sprach er zu rund 70 geladenen Gästen. Danach besuchte er den Festakt der Tibeter Gemeinschaft «50 Jahre Tibeter in der Schweiz – Merci Schwiiz» in Oerlikon, nahm an der Konferenz von «Mind and Life International» im Zürcher Kongresshaus teil und hielt einen Vortrag im Hallenstadion.
Dieses Mal ist zuerst der öffentliche Auftritt geplant: So wird der Dalai Lama am 13. und 14. April im Forum Fribourg Unterweisungen geben und einen Vortrag zum Thema «Ethik über die Religion hinaus» halten. Am – 15. April kommt der 77-Jährige mit Wissenschaftern der Universität Lausanne zusammen. Dabei geht es um das Thema «In Frieden leben und älter werden, ein Dialog über das Alter». Tags darauf wird er an der Uni Bern mit den Studierenden über nachhaltige Entwicklung diskutieren. Beide Unianlässe sind nicht öffentlich zugänglich.
Organisatoren des kommenden Schweiz-Besuches S. H. des Dalai Lama im April 2013, die Swiss Rigdzin Association, die FPC-Tibet Foundation und die FPMT Swiss Foundation sind für den Ticketvorverkauf verantwortlich.
Programm der buddhistischen Belehrungen
Samstag, 13. April 2013
Ganztags Unterweisungen zu Atisha’s „Lampe auf dem Pfad zur Erleuchtung“ (Jangchup Lamdron)
Sonntag, 14. April 2013
Morgens: Initiation Weisse Tara (Drolkar Jenang)
Nachmittags: Öffentlicher Vortrag mit dem Thema „Ethics beyond Religion“ (Eine Ethik jenseits der Religion)
Universität Lausanne, 15. April 2013
Der Dalai Lama wird am „Forum für den Austausch zwischen Wissenschaft und Humanismus“ teilnehmen. Gemeinsam mit Wissenschaftlern wird der Themenkreis „In Frieden leben und älter werden, ein Dialog über das Alter“ erörtert werden.