Tibet-Information der GSTF vom 29. Januar 2016

1. Februar 2016

Überwachungskampagne in tibetischen Dörfen verlängert

Human Rights Watch kommt in einem Bericht zum dem Schluss, dass das bisher aufwändigste und grösste soziale Überwachungsprogramm in Tibet auf unbestimmte Zeit verlängert wird. Begonnen hatte das Programm im Jahr 2011 mit dem Titel „Nutzen für die Massen“. Dieses Programm war zunächst bis 2014 befristet und hatte primär das Ziel, Unruhen wie im Jahr 2008 zu verhindern. Dazu waren Teams von Kadern in alle der etwa 5000 tibetischen Dörfer delegiert worden. Die Teams bestehen aus vier oder mehr Mitgliedern, von denen eines tibetischer Nationalität sein sollte, um aus dem Chinesischen zu übersetzen. Die Mitglieder werden in der Regel nach einem Jahr durch neue Kader abgelöst. Insgesamt involvierte das „Programm der im Dorf stationierten Kaderteams“ (chin. zhucun gongzuodui) bisher etwa 21‘000 Parteimitglieder und verschlang 25 Prozent des jährlichen Budgets der Region.

Was anfangs als Programm zur Verbesserung der Dienstleistungen und Lebensbedingungen der Dorfbewohner angekündigt war, entpuppte sich als Überwachungs- und Umerziehungsinitiative. Ziel laut offiziellen Angaben der Parteiführung was es, aus jedem Dorf „eine Festung im Kampf gegen Separatismus und jeden Dorfbewohner zum Wächter“ zu machen. Dazu sollten die Teams die Gesinnung und Einstellung aller Bewohner erforschen. Den Teams wurden fünf Aufgaben gestellt: Aufbau von Parteiorganisationen auf Dorfebene, Erhalt „sozialer Stabilität“, Erziehung über „das Erfahren der Güte der Partei“, Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und praktische Tätigkeiten. Dazu sollten die Kader „gemeinsame Abwehrgruppen“ auf Dorfebene gründen und Dispute schlichten; letzteres um zu verhindern, dass Dorfbewohner bei Regierungsbehörden Petitionen einbringen, was in der Vergangenheit nicht selten zu grösseren Unruhen führte. Schliesslich sollten sie auch kulturelle Veranstaltungen zur Förderung „sozialistischer Werte“ und Abkehr von „schlechten alten Traditionen“ abhalten.

Allein das Team in Nagqu, einer der sieben Präfekturen in Tibet, rühmte sich, im vierten Jahr seiner Arbeit 1‘686 politische Erziehungssitzungen abgehalten und 1‘194 neue Parteimitglieder rekrutiert zu haben. Dazu seien 45‘903 Propagandabesuche in Haushalten durchgeführt worden.

Alle offiziellen Verlautbarungen deuten darauf hin, dass das bis 2014 befristete Programm nun auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Eine regierungsoffizielle Internetseite bemerkte dazu, dass angesichts dieser Nachricht „die Massen ausser sich vor Freude gewesen“ seien. Zur Unterstützung des Programms seien in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 20‘092 Gebäude in den Dörfer errichtet worden. Für 2016 seien weitere 12‘008 Gebäude geplant, das entspricht im Schnitt sechs neuen Gebäuden in jedem tibetischen Dorf. Für das Bauprogramm sind insgesamt umgerechnet etwa Fr. 800 Millionen budgetiert – die grösste jemals investierte Summe für Bauten in Tibet.

Human Rights Watch, 8. Januar 2016

 

Datenbank der „Lebenden Buddhas“ ist online – Dalai Lama fehlt

Wie bereits vorher angekündigt [vergl. Tibet-Information vom 15. Dezember 2015;UM], ist nun die Datenbank für Inkarnationen online. Der Start wurde von chinesischen Medien breit publiziert und gepriesen, weil diese die Identifizierung von „falschen lebenden Buddhas“ ermöglichen soll. Nur wer in diesem, gegenwärtig 870 Inkarnierte umfassenden Verzeichnis aufgeführt und mit einer „Lizenznummer“ versehen ist, gilt als staatlich anerkannter „Lebender Buddha“. Der Dalai Lama fehlt darin.

Die Datenbank erlaubt Online-Abfragen, wozu man einen Zugangscode benötigt, der auf das Mobiltelefon des Antragsteller geschickt wird. Die Informationen umfassen den weltlichen und Mönchsnamen des Gesuchten, dazu sein Geburtsdatum, die Telefonnummer, den Ort seines Klosters und die „Lizenznummer“. Die Abfragen sind auf maximal fünf Personen pro Tag limitiert.

South China Morning Post, 19. Januar 2016

 

Woher kommt die Hacker-Organisation „Scarlet Mimic“?

Eine Firma in Palo Alto, die sich mit Internetsicherheit und Hacker-Attacken befasst, hat eine Organisation mit dem mysteriösen Namen „Scarlet Mimic“ als Verantwortliche für Attacken auf uigurische und tibetische Organisationen im Exil ausgemacht. Laut einem Bericht der Firma Palo Alto Networks (http://researchcenter.paloaltonetworks.com/2016/01/scarlet-mimic-years-long-espionage-targets-minority-activists/®) war „Scarlet Mimic“ mindestens seit vier Jahren primär damit beschäftigt, die Computer von Exilorganisationen auszuforschen, die der chinesischen Regierung ein Dorn im Auge sind. In der jüngsten Zeit habe „Scarlet Mimic“ auch Regierungsorganisationen in Russland und Indien attackiert, die potenziell terroristische Aktivitäten überwachen; letzteres wohl primär mit dem Interesse, deren Erkenntnisse für sich zu nutzen. Palo Alto Networks weist darauf hin, dass sie nicht im Besitz von Beweisen sind, dass „Scarlet Mimic“ direkt mit der chinesischen Regierung verbunden ist, jedoch liege dieser Verdacht nahe.

The Register, 25. Januar 2016

Zusammengestellt und Redigiert für die GSTF von Dr. Uwe Meya